Hintergrund - Job im Rathaus - wenig attraktiv
Studie: Frauenanteil zu niedrig
Stuttgart. Der Landesverband der Bürgermeister fürchtet Kandidatenmangel für die Rathaus-Chefsessel: Bewerber würden zunehmend älter und brächten weniger Qualifikation mit; der Frauenanteil sei weiter zu niedrig. Das beklagte der Verband am Montag bei der Vorstellung einer neuen Studie.
Es sei wichtig, stets eine ausreichende Zahl an Bewerber zu haben, sagte Ditzingens Oberbürgermeister Michael Makurath (parteilos), Präsident des Verbands Baden-Württembergischer Bürgermeister. Doch das sieht eine neue Studie in Gefahr. "Der Trend geht leicht nach unten", erklärte der Ulmer Politikwissenschaftler Vinzenz Huzel über die Jahre von 1990 bis 2015. Zu Beginn dieses Zeitraums bewarben sich bei Bürgermeisterwahlen durchschnittlich 2,3 Kandidaten, 25 Jahre später waren es 2,2. Darin seien zahlreiche Jux-Kandidaten enthalten.
1990 bis 1994 entsprachen 43,8 Prozent der Rathauschefs dem Typus des ambitionierten Berufseinsteigers: parteipolitisch ungebundene Verwaltungsfachleute, die bei Amtsantritt nicht jünger als 35 gewesen waren. Lediglich 12,5 Prozent waren, was Huzel als "kühne Quereinsteiger" kategorisiert, nämlich Menschen ohne Verwaltungsstudium. Im Zeitraum von 2010 bis 2015 hatte sich dieses Verhältnis gedreht: Nur 17,7 Prozent hatten den Beruf nach einer entsprechenden Ausbildung direkt angestrebt, 35,4 Prozent dagegen als Quereinsteiger begonnen.
Huzels Studie über "Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Baden-Württemberg" ist als Dissertation an der TU Darmstadt entstanden. Ergebnis: Der Job wird zunehmend weniger attraktiv erlebt. Gestaltungsmöglichkeiten würden eingeschränkt, das Ansehen in der Öffentlichkeit schwinde, unangemessene Angriffe häuften sich. Demgegenüber stünden hohe Arbeitszeiten, Gesundheitsrisiken durch Stress, wenig Privatsphäre und eine Besoldung, die in kleineren Kommunen den Wechsel aus dem unbefristeten gehobenen Dienst kaum belohne. Anschlussperspektiven seien rar.
Da die Absolventen der Verwaltungshochschulen in Ludwigsburg und Kehl zunehmend seltener für Bürgermeisterämter kandidieren, sieht Huzel auch die Parteien in der Pflicht, qualifiziertes Personal aufzubauen. Huzel zufolge liegt der Frauenanteil im Land bei 8,1 Prozent. Dass Frauen schlechtere Wahlchancen hätten, sei aber ein Mythos: Wo sie kandidiert haben, gewannen sie in 32,7 Prozent der Fälle. Insgesamt waren 2015 gut sechs Prozent der Posten mit Frauen besetzt, im Bundesschnitt waren es mehr als zehn Prozent. (jsz)