Tanner: "So schlecht war die Einkaufspolitik nicht"
Ernst Tanner im RNZ-Interview
Ernst Tanner im RNZ-Interview
Ernst Tanner (45) gestaltete nahezu drei Jahre maßgeblich – erst im Jugendbereich und später als Manager bei den Profis – die Personalpolitik von 1899 Hoffenheim mit. Im Frühjahr musste er – trotz eines Vertrages bis 2014 – gehen. Schnell hat der kantige Oberbayer, des- sen Blick für Talente gerühmt wird, wie- der einen neuen Job gefunden. Ralf Rang- nick holte ihn zum österreichischen Meister Red Bull Salzburg. Die RNZ sprach mit Tanner über die neue Aufga- be und auch über seine bewegte Zeit in Hoffenheim.
> Ernst Tanner, herzlichen Glückwunsch zum neuen Amt als Geschäftsführer der Nachwuchsabteilung von Red Bull Salzburg. Ein Glücksfall, auch weil Ihr Arbeitsplatz nur einen Katzensprung von Ihrem Heimatort entfernt ist?
Von Teisendorf über die Grenze nach Salzburg sind es keine 20 Kilometer. Dennoch musste ich meinen Töchtern er- klären, warum wir jetzt zu Oma und Opa ziehen. Wir waren nämlich mit einem Bein schon in Amerika.
> Statt Hamburger Salzburger Nockerln...
Wir können uns nicht beklagen. Ich darf in einer Gegend arbeiten, wo viele Menschen Urlaub machen.
> Wie überrascht waren Sie, als Ralf Rangnick anrief? Nimmt er Ihnen nicht mehr übel, dass Sie in Hoffenheim Luiz Gustavo hinter seinem Rücken an Bayern München verkauft haben?
Es war ein Fehler, Ralf damals nicht von vorne herein einzuweihen. Darüber haben wir selbstverständlich gesprochen. Doch der Verkauf von Luiz lief in Wahrheit etwas anders wie es dann öffentlich rüberkam.
> Sie gelten als einer der besten, wenn nicht sogar als bester Talentspäher in Deutschland. Will Red Bull ähnlich wie in Hoffenheim Spieler selbst entwickeln?
Natürlich, aber wir wollen auch unser weltweites Netzwerk nutzen und die Partnervereine besser integrieren und auch im Scouting Synergien schaffen. Stützpunkte in Brasilien, USA und Ghana haben wir schon. Außerdem werden in Salzburg und auch Leipzig gerade Nachwuchsleistungszentren gebaut, die es in dieser Form in Deutschland bisher nicht gibt.
> Wo sind die Unterschiede, wo die Gemeinsamkeiten mit Hoffenheim?
In Hoffenheim gibt es gerade im Unter- bau schon Strukturen, zu denen ich auch meinen Anteil geleistet habe. Die müssen wir in Salzburg erst schaffen. Eine Gemeinsamkeit ist, dass es ein klares Bekenntnis zur Nachwuchsförderung gibt und natürlich auch, dass finanzielle Mittel vorhanden sind. Red Bull wird aufgrund seiner Power respektiert, aber es gibt auch viele Neider.
> Für die das Ausscheiden in der Champions League-Qualifikation gegen den Fußballzwerg F 91 Düdelingen aus Luxemburg Wasser auf die Mühlen war.
Eine Niederlage, an der wir natürlich noch zu knabbern haben. Aber die Vergangenheit können wir nun mal nicht mehr ändern und konzentrieren uns auf die Zukunft, in der wir viel vor haben.
> War das 0:4 von Hoffenheim im Pokalspiel beim Berliner AK ein Trost?
Nein. Ich neige nicht zur Schadenfreude.
> Sie sind nach nahezu drei Jahren im Kraichgau nicht als die besten Freunde auseinander gegangen.
Das stimmt so nicht. Ich habe nach wie vor zu vielen Mitarbeitern ein freundschaftliches Verhältnis und mir nichts vorzuwerfen. Wir haben in Hoffenheim in meiner Zeit auch Grundlagen geschaffen, auf denen der Verein aufbauen kann. Wir haben die finanziellen Vorgaben sei- tens des Klubs stringent umgesetzt und waren trotz des Sparkurses auf einem sehr guten Weg. Zu den vielen jungen Spielern in der ersten Mannschaft sind beispielsweise eine Reihe von hoffnungsvollen Talenten im Unterbau, an denen der Klub noch viel Freude haben wird.
> Es wurden Ihnen Fehler in der Personalpolitik vorgeworfen.
Yannik Vestergaard, Fabian Johnson, Daniel Williams, Sebastian Rudy und Roberto Firmino, die in meiner Ära kamen, sind Stammspieler, auch Kevin Volland stand im ersten Pflichtspiel in der Anfangsformation. Stefan Thesker, der von vielen schon als Fehleinkauf bezeichnet wurde, hat sich durch das Junioren-Länderspiel gegen Argentinien in den Blickpunkt gespielt. Gylfi Sigurdsson und Peniel Mlapa wurden mit ordentlichen Transfergewinnen schon wieder ver- kauft. So schlecht kann also meine Ein- kaufspolitik nicht gewesen sein. Es wird halt leider in Hoffenheim viel über Fehler gesprochen und das überschattet alles andere.
> Dietmar Hopp bemängelt, dass zu wenige Jugendspieler den Sprung zu den Profis schaffen.
Wir wissen doch mittlerweile alle, dass Nachwuchsarbeit keine Frage von ein paar Jahren ist, sondern manchmal von Jahrzehnte lang währender Kontinuität. Hoffenheim hatte auch lange das Problem, dass bei jungen Spielern eine zu große Anspruchshaltung da war. Es wird auch alles für die Jungs getan, aber die Bereitschaft, was zurückzugeben, ist häufig nicht in dem gleichen Maße vorhanden gewesen. Das war auch der Grund dafür, dass wir vor der letzten Saison quasi einen Neustart gemacht haben mit dem Ziel, diese Mentalität zu ändern. So wie es aktuell aussieht, wird man die Früchte wohl erst heuer ernten. Doch es gibt eine Reihe talentierter Spieler, die das Potenzial für die Bundesliga haben, zum Beispiel Niklas Süle, Jeremy Toljan oder Ahmed Sassi, um nur drei zu nennen. Ich hoffe, sie bekommen auch zukünftig die Chance es zu beweisen. Auch wenn das Ende im Kraichgau nicht unbedingt er- freulich war, drücke ich dem Verein die Daumen und hoffe, dass der angestrebte internationale Platz erreicht wird.