Heidelberg. (RNZ) Es wird wohl ein stillerer Sommer als sonst. Viele Feste in der Region sind schon abgesagt worden oder sind es so gut wie. Manche Verwaltung zögert trotz aller Gewissheit noch, will erst abwarten, was "Großveranstaltungen" für die Landesregierung denn genau sind. Diesen hat der Bund im Eindruck der Corona-Gefahr bis Ende August den Stecker gezogen. Der Frust der Organisatoren ist groß, das Verständnis aber auch. Das zeigen Beispiele aus der Region.
In Weinheimstehen Wirte und Schausteller vor einem Scherbenhaufen. Neben zahlreichen Frühjahrsveranstaltungen – darunter die bundesweit bekannte Tagung der Corpsstudenten – ist auch das Aus für die Altstadtkerwe im August so gut wie besiegelt. Zwar hat das Land bislang nicht definiert, was unter einer "Großveranstaltung" zu verstehen ist. Aber angesichts fünfstelliger Besucherzahlen und freiem Zugang dürfte das Straßenfest dazuzählen, wie Stadtsprecher Roland Kern schweren Herzens betont.
Ein Teil des ebenfalls bekannten "Weinheimer Kultursommers" rund ums Schloss ist auf Betreiben der Konzertagentur Demi-Promotion auf 2021 verschoben worden. Was den Rest des Kulturprogramms betrifft, hänge die Stadt in der Luft, so Verwaltungssprecher Kern. Aus seiner Sicht wäre es zumindest denkbar, die Veranstaltungen stattfinden zu lassen, wenn Auflagen zu den Themen Warteschlangen, Abstand und Mundschutz eingehalten und die maximalen Besucherzahlen nicht zu eng begrenzt werden. Das letzte Wort aber hat das Land.
In Walldorf fällt nicht nur der Festumzug zum Jubiläumsjahr, der am 10. Mai stattfinden sollte, dem Coronavirus zum Opfer, sondern auch der für den 22. bis 24. Mai geplante Spargelmarkt. "Ich bedauere es sehr, auch dieses beliebte Fest, das einen Höhepunkt in unserem Veranstaltungsreigen darstellt, absagen zu müssen", erklärt Bürgermeisterin Christiane Staab. Sie bittet aber um Verständnis: Großveranstaltungen wären verantwortungslos, es könnte zu erneuten Infektionen kommen. Das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises teilt zudem mit, dass die "Radiale – Kunst im Kreis 2020", die vom 26. April bis 14. Juni auch in Walldorf in der Ehemaligen Synagoge und in der Alten Apotheke zu Gast gewesen wäre, auf April 2021 verschoben wird.
Ebenfalls erledigt hat sich für dieses Jahr der über die Region bekannte "Rock’n’Roll Weekender" in Walldorf am 30. Mai und 1. Juni. Veranstalter Andy Widder informiert über die Absage in einem Newsletter an die Fans. Die habe keiner gewollt. Aber die Gesundheit und Sicherheit der Gäste, des Teams, der Künstler und Aussteller sowie aller Beteiligten stehe an erster Stelle, so Widder. Man habe sich auf das Festival genauso wie die Gäste gefreut und hart daran gearbeitet. Was jetzt passiere, sei einfach höhere Gewalt.
In Sinsheim werden die Landesheimattage 2020 von den Corona-Maßnahmen in hohem Maß gebeutelt – und damit die ganze Stadt. Momentan sind die Damen einer eigens gegründeten Geschäftsstelle gerade mit der Rückabwicklung eines Großteils der Heimattage-Veranstaltungen beschäftigt. Deren Vorbereitungszeit habe, sagt Sinsheims Oberbürgermeister Jörg Albrecht, "vier Jahre gedauert". Es habe im Rathaus "Tränen gegeben".
Betroffen sind unter anderem der Baden-Württemberg-Tag, eine Art Leistungsschau, die in Sinsheim mit einem kostenlosen Konzert von Laith Al-Deen und der Gruppe "Glasperlenspiel" verknüpft war. 6000 Karten wurden vergeben. Auch der Sinsheimer Fohlenmarkt, "größtes Volksfest im Kraichgau" genannt, fällt aus. Beide Termine waren im Mai geplant. Was aus dem Landesfestzug im Spätjahr mit Hunderten von Trachtengruppen wird, für den in Sinsheim gar eine eigene "Sinsheimer Tracht" gefunden wurde, ist mehr als fraglich. Insider glauben nicht, dass er stattfindet – auch wegen der langen Vorlaufzeit und des damit verbundenen Risikos.
In Angelbachtal ist der Pfingstmarkt im Schlosspark jedes Mal ein Besuchermagnet. Die Zahl der Gäste ist immer sechsstellig. Ebenso zur Disposition stehen rund ums Wasserschloss die High-land Games und das Mittelalterliche Spektakulum, auch wenn noch niemand laut darüber spricht; ähnlich ergeht es der prestigeträchtigen Landkreis-Veranstaltung, der "Schlosspark-Serenade". All diese Events finden von Früh- bis Spätsommer statt und dienen sowohl dem Säckel, wie auch dem touristischen Renommee Angelbachtals. Profiteure der Situation sind höchstens die Storchenpaare, die seit geraumer Zeit in den Platanen-Alleen des Parks brüten.
In Bad Rappenau, genauer: im Stadtteil Bonfeld, wäre das Blacksheep-Festival gewesen. Der Nachfolger des europaweit bekannten "Folk im Schlosshof" gilt als Geheimtipp unter den Rockfestivals.
In Heilbronn scheint nach der Bundesgartenschau 2019 – kulturell neu aufgestellt und um zahlreiche Veranstaltungsformate und -Orte gewachsen – die "Corona-Fallhöhe" besonders dramatisch. Dort steht mit dem "Heilbronner Volksfest" aber auch eine Traditionsveranstaltung vor dem vorläufigen Aus, die mit dem Cannstatter Wasen verglichen wird. Im Monatsturnus gibt es in der Käthchenstadt große Publikumsveranstaltungen, die nun pausieren müssen. Ähnlich ergeht es wohl dem Talmarkt in Bad Wimpfen. Die Stadt- und Dorffeste von Adelshofen über Eppingen bis Zuzenhausen sind zunächst passé.
In Bad Dürkheimfindet man sich ebenfalls mit dem fast Undenkbaren ab, obwohl der Wurstmarkt erst vom 11. bis 21. September im Kalender steht – also jenseits der Verbotsgrenze 31. August. Bürgermeister Christoph Glogger sagt aber: "Trotzdem werden sich die Dürkheimerinnen und Dürkheimer, die ganze Region langsam an den Gedanken gewöhnen müssen, dass der Wurstmarkt 2020 womöglich nicht wird stattfinden können. Unser Vorlauf ist nicht ganz so lang wie bei anderen großen Volksfesten, insofern hätten wir noch ein paar Wochen Zeit. Nur: Wenn man die Fakten nüchtern betrachtet, ist es schwer vorstellbar, dass sich die Situation bis August so deutlich verbessert, dass ein großes Volksfest wie der Wurstmarkt stattfinden kann."
Für die ganze Region, so Glogger, für die Winzer und touristischen Betriebe, "für uns alle eine sehr bittere Erfahrung, die es in den letzten 75 Jahren nicht gab. Besonders hart wird es die Schausteller treffen, die immer gern zum Wurstmarkt kommen und die über das ganze Jahr 2020 kaum eine Chance haben werden, Einnahmen zu erzielen". Es falle schwer, die Hoffnung aufzugeben, so der Bürgermeister. Im Vordergrund müsse aber jetzt der Gesundheitsschutz stehen.
Jährlich besuchen über 600.000 Menschen den Dürkheimer Wurstmarkt. Während des Zweiten Weltkrieges und im Jahr 1946 fand das Fest nicht statt, 1947 und 1948 feierten die Bürger ein Herbstfest, danach setzte das reguläre Marktgeschehen wieder ein. Der Dürkheimer Wurstmarkt ist das größte Weinfest der Welt. Es wurde 1417 erstmals urkundlich erwähnt.