Die Unterstützung der Bundesregierung reiche nicht einmal aus, um die Studiengebühren zu stemmen – „geschweige denn, die Miete zu zahlen“: Der Deutsche Gewerkschaftsbund demonstrierte für mehr Fördergelder für Studenten. Foto: Hentschel
Von Marie Böhm
Heidelberg. 100 Millionen Euro für eine Million Studenten. Die Rechnung ist leicht: 100 Euro pro Student. Das stellt die Bundesregierung mit ihrem neuesten Unterstützungspaket zur Verfügung, um in finanzielle Notlage geratenen Studenten zu helfen. Völlig unzureichend, findet Mahmud Abu-Odeh. Der 27-Jährige ist Mitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Baden-Württemberg. "Die Bundesregierung schafft es, Milliarden Euro als finanzielle Unterstützung an große Firmen zu verteilen. Gleichzeitig werden die Studenten völlig vernachlässigt. Dabei geht es uns doch teilweise um die Existenzgrundlage, während die Firmen zumindest selbst geschäftsfähig sind."
Zusammen mit der Landesstudierendenvertretung rief der DGB am Dienstag zu einer Demonstration für eine gesicherte Studienfinanzierung und bessere Studienbedingungen auf. Die Veranstaltung fand als Teil der Studierendenkampagne in der Corona-Krise des DGB statt. Auch in Freiburg, Stuttgart und Tübingen gab es Veranstaltungen, weitere Städte machten bei einer Social-Media-Kampagne mit.
In Heidelberg war zwar wenig los, das sei aber auch nicht weiter verwunderlich: "Natürlich können wir mitten in der Prüfungsphase und unter den coronabedingten Umständen keine große Teilnahme erwarten. Deswegen haben wir beschlossen, eher eine Art Informationsveranstaltung zu organisieren und Hinweise zum finanziellen Beratungsangebot der DGB zu plakatieren", so Abu-Odeh. Außerdem versuche man, so viele Studenten wie möglich digital zu erreichen: "Wir haben schon von mehreren Leuten Rückfragen bekommen, es kommt also gut an."
Kein Wunder, befinden sich doch gerade Tausende Studenten in finanzieller Not: "Etwa zwei Drittel aller Studierenden sind von Nebeneinkünften abhängig", erklärt Andreas Bauer, der Sprecher der Landesstudierendenvertretung. "Jetzt fallen genau diese Minijobs und Nebenverdienste weg und ein großer Teil der Studenten in Heidelberg kann kaum seinen Lebensunterhalt bezahlen. Die Unterstützung der Bundesregierung reicht nicht mal aus, um die Studiengebühren zu stemmen, geschweige denn Miete zu zahlen. Es ist an Absurdität kaum zu übertreffen."
Außerdem habe die Regierung nicht nur zu wenig, sondern auch viel zu spät reagiert: "Wäre das vor drei Monaten beschlossen worden, hätte es viel mehr gebracht. Aber selbst dann wäre es viel zu wenig Geld."
Wie viele Heidelberger Studenten gerade in Not geraten, ist noch schwer zu sagen. Nach ersten Schätzungen sind aber knapp 40 Prozent aller Studenten auf Landesebene besonders betroffen. Zu merken ist das zum Beispiel am Härtefallstipendium zur finanziellen Unterstützung in Notfällen. Normalerweise gibt es etwa 40 Fälle im ganzen Jahr in Heidelberg. Allein in den letzten zwei Monaten gingen aber schon über 70 Anträge ein.
In der jetzigen Lage würden schnell finanzielle Mittel gebraucht, die schnell verteilt werden. Sonst gäbe es keine wirkliche Alternative, so Abu-Odeh: "Die Corona-Krise hat die Studenten in ein Loch geschubst, aus dem wir ohne eine Menge Geld nicht wieder rauskommen. Viele Studenten müssen jetzt schon ihr Studium aufgeben, um auch nur ihre Existenzgrundlage sichern zu können. Wenn sich nicht schnell etwas ändert, werden das noch viel mehr. Je länger die Politik ausgesetzt wird, desto mehr Studenten kommen unter die Räder."
Besonders betroffen seien ausländische Studenten, die neben den gängigen Studiengebühren auch noch Aufpreise von mehr als Tausend Euro zahlen müssen. Aber es wird auch anderen zum Problem, wie beispielsweise Yannik Mollmann. Er ist ebenfalls Mitglied im DGB und ist persönlich von der Corona-Krise betroffen: "Ich habe jetzt selbst zwei Jobs verloren und kann mich finanziell gerade noch so über Wasser halten. Aber ich habe noch Glück gehabt, vielen anderen geht es jetzt an den Kragen."
Eine völlig unnötige Situation, findet er: "Es ist nicht so, als hätte die Regierung nicht genug Mittel, die sie dafür einsetzen könnte. Es gibt zum Beispiel nicht ausgezahlte Bafög-Mittel des letzten Jahres, die man leicht ausschütten könnte. Das sind 900 Millionen Euro, die uns sonst einfach verloren gehen." Abgesehen davon hält er eine gesetzliche Umstrukturierung für nötig: "Studenten dürfen zum Beispiel kein Arbeitslosengeld beantragen. Das Arbeitslosengeld II könnte jetzt aber vielen das Studium retten."
Info: Das kostenlose Online-Beratungsangebot der DGB gibt es hier.