Die beiden Soziologiestudentinnen Julia Hildmann und Stephanie Hörnig (v.l.) haben "Knastbewusst" gegründet. Damit wollen sie die Öffentlichkeit für das Leben der Menschen hinter Gittern interessieren. Foto: Rothe
Von Daniela Biehl
Seit drei Jahren arbeiten die Heidelberger Studentinnen Julia Hildmann (26) und Stephanie Hörnig (24) ehrenamtlich im Gefängnis. Jetzt wollen sie als soziales Start-up-Unternehmen "Knastbewusst", ein Gesellschaftsspiel, entwickeln. Dabei arbeiten sie mit Frauen, die in Mannheim in Untersuchungshaft sitzen, zusammen. Das Ziel: Das Spiel, das dem Prinzip von "Spiel des Lebens" oder "Monopoly" ähneln wird, soll die Geschichten der inhaftierten Frauen erzählen. "Damit wollen wir ihren Alltag hinter Gittern beschreiben, von dem man draußen kaum etwas weiß", sagt Hörnig.
Ihr erscheint es paradox, dass sich die Öffentlichkeit zwar für ein Verbrechen und den Täter interessiert, wenn es in der Zeitung steht. Über die Menschen im Gefängnis aber wollen sie nichts wissen. "Die Frauen in der U-Haft sind völlig ausgeschlossen", meint Hildmann. "Und das Bild, das die Gesellschaft von ihnen hat, beruht auf zu vielen Klischees."
Wer das Spiel spielt, soll das Gefängnisleben nachvollziehen können. Da darf der Spieler in aller Frühe, um sechs Uhr, eines bloß nicht vergessen: noch schnell einen Antrag zu stellen. "In der Haft gibt es alles nur auf Antrag. Und den kann man nur einmal am Tag, morgens um sechs Uhr, stellen", sagt Hörnig. Wer außerhalb von Gefängnismauern weiß das schon?
Doch natürlich ist das Spiel auch für die Frauen im Gefängnis gedacht - denn die Beschäftigungsmöglichkeiten hinter Gittern sind rar. Indem sie bei der Entstehung helfen, können sie dem Spiel etwas Eigenes geben. "Und dabei auch darüber nachdenken, wer sie sind und wohin sie wollen", hofft Stephanie Hörnig.
Dass es helfen kann, sich spielerisch mit solchen Themen auseinanderzusetzen, erlebte die 24-Jährige schon vor drei Jahren bei ihrem ersten Tag ehrenamtlich im Gefängnis. Sie hatte sich damals einer Bastelgruppe angeschlossen. Hörnig war furchtbar angespannt und fand es durchaus beklemmend, hinter den Mauern mit eingeschlossen zu werden. "Ich wusste nicht, wie Frauen auf mich reagieren würden." Angst habe sie aber nie empfunden. "Man hatte einfach Respekt voreinander."
Dann war Stephanie Hörnig dieses eine Mädchen aufgefallen, das genauso alt war wie sie selbst. Übers Basteln und Spielen waren sie sich nähergekommen. Hörnig war dann später auch bei ihrem Prozess anwesend. Wegen Körperverletzung und anderer Delikte musste das Mädchen ein Anti-Gewalt-Training absolvieren, war auf Bewährung und suchte sich für den Neuanfang eine Ausbildung. "Die hat sie inzwischen abgeschlossen." Nicht alle Geschichten enden so gut - doch gerade darum geht es: zu erzählen, was mit den Menschen passiert, die ins Gefängnis kommen.
"Wir müssen das nur wirtschaftlich auf die Beine gestellt bekommen", sagt Julia Hildmann. Immerhin haben sie schon vergangenes Jahr ein Start-up-Stipendium von Social Impact, gefördert von SAP, ergattert - und somit auch einen Mentor aus der freien Wirtschaft an ihrer Seite. Nun hoffen die beiden Studentinnen, einen professionellen Spieleentwickler zu finden, der sie bei ihrer Idee unterstützt.
Weitere Informationen gibt es auf der Facebook-Seite von "Knastbewusst" und der Startery-Seite.