Jetzt soll es größere Kita-Gruppen geben
Angesichts teils gravierender Personalnot in den Kitas will das Land jetzt gegensteuern und den Personalschlüssel aus Corona-Hochzeiten verwenden.

Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Kindertagesstätten in Baden-Württemberg sollen demnächst vorübergehend wieder mehr Kinder aufnehmen können. Das sieht der Entwurf einer Verordnung von Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) vor. Damit reagiert die Landesregierung auf den erheblichen Personalmangel in vielen Betreuungseinrichtungen.
Das Papier sieht eine Regelung vor, die es Trägern ermöglicht, in Ausnahmefällen Gruppen um zwei Kinder zu vergrößern. Je nach Altersmischung und Öffnungszeiten gelten im Land unterschiedliche Höchstgruppengrößen. Das Maximum liegt bei 28, auch künftig. Hochgerechnet entstehen mit der geplanten Ausnahmeregelung theoretisch mehrere tausend zusätzliche Betreuungsplätze.
Träger, die die Möglichkeit nutzen wollen, müssen laut Ministerium drei Bedingungen erfüllen: Der Mindestpersonalschlüssel muss vor der Aufnahme zusätzlicher Kinder eingehalten werden, die Aufsichtspflicht muss gewährleistet sein und die besonderen Bedürfnisse behinderter Kinder müssen berücksichtigt werden. Die geplante Regelung soll in den nächsten Wochen in Kraft treten und dann bis zum Ende des Schul- und Kindergartenjahres am 31. August kommenden Jahres befristet gelten.
Ähnliche Regelungen gab es schon bis Ende August. Das Land beendete die Praxis aber unter Verweis auf Qualitätsbedenken. Um den Trägern entgegenzukommen, die vor einem "Kollaps" des Betreuungssystems gewarnt hatten, wurden damals lediglich zwei andere Maßnahmen ergriffen: Eine pädagogische Fachkraft kann unter bestimmten Bedingungen durch zwei weniger qualifizierte Zusatzkräfte ersetzt werden. Fällt eine Fachkraft vorübergehend krank aus, reicht auch eine Zusatzkraft als Ersatz.
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Die Kommunen begrüßten die Pläne, dringen aber auf eine längere Laufzeit der Ausnahmeregelung. "Die Ankündigung des Landes ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Flexibilisierung der Höchstgruppenstärke um bis zu zwei Kinder ist eine Möglichkeit, um die Erfüllbarkeit des Rechtsanspruchs ein Stück realistischer zu machen." Wichtig sei, dass die Ausnahmen möglichst unbürokratisch genutzt werden könnten, erklärten Gemeindetagschef Steffen Jäger und Gudrun Heute-Bluhm für den Städtetag sowie Alexis von Komorowski für den Landkreistag.
Sie wiesen zudem darauf hin, dass der Fachkräfte-Engpass auch nicht mit Ablauf des Kindergartenjahres 2022/2023 ende. "Gerade deshalb wäre es uns ein Anliegen, mit einer zu engen Befristung keine falschen Erwartungen zu wecken. Wir brauchen die Zeit, um den vereinbarten Weg für den Direkteinstieg wirksam werden zu lassen."
Kultus-Staatssekretär Volker Schebesta (CDU) hatte im Sommer noch argumentiert, man habe Sorge, dass Erzieherinnen und Erzieher wegen der Belastung durch zu große Gruppen ihren Job aufgeben könnten. Mit der Ausnahmeregelung versuche das Ministerium den hohen Betreuungsbedarf der Eltern und die Belastung der Fachkräfte auszubalancieren, hieß es jetzt. Die Lage verschärfte sich, weil Erzieherinnen und Erzieher wegen Corona oder Grippe ausfallen. Hinzu kommt, dass viele geflüchtete Kinder aus der Ukraine betreut werden müssen.
Zuletzt hatte eine Studie der Bertelsmann-Stiftung ergeben, dass das Verhältnis Kinder pro Kita-Fachkraft bundesweit spitze ist. In den Kinderkrippen habe sich der Personalschlüssel zuletzt weiter verbessert, eine Erzieherin kümmere sich im Durchschnitt um 2,9 Kinder. In Kindergärten kümmerte sich zuletzt eine Fachkraft um rechnerisch 6,5 Kinder. Die Studie hatte aber auch ergeben, dass im kommenden Jahr 57.600 Kitaplätze fehlen, weil der Bedarf der Eltern steigt.