Mosbach

So bewegend waren die ersten Wochen für Bürgermeister Julian Stipp

"Da muss Druck auf dem Kessel bleiben": Der Rathauschef im RNZ-Gespräch.

15.10.2022 UPDATE: 15.10.2022 06:00 Uhr 4 Minuten, 34 Sekunden
Seltenes Bild: Fürs RNZ-Foto hat Mosbachs neuer Oberbürgermeister Julian Stipp kurz an seinem Schreibtisch Platz genommen. Ansonsten ist der Rathauschef viel außer Haus unterwegs. Schon in den ersten Diensttagen hatte der 36-Jährige Wegweisendes abzuarbeiten. Foto:schat
Interview
Interview
Julian Stipp
Bürgermeister von Mosbach

Von Heiko Schattauer

Mosbach. Sein Terminkalender ist voll. So voll, dass auch das "Amtsantrittsgespräch" mit der Presse warten musste. Irgendwo zwischen erstem Arbeitstag und den symbolträchtigen 100 Tagen im Amt haben wir dann doch den – aufschlussreichen – Dialog mit Mosbachs neuem Oberbürgermeister Julian Stipp gefunden. Noch rechtzeitig vor seiner ersten richtigen öffentlichen Gemeinderatssitzung, die am Dienstag abgehalten wird – und schon ein wenig die Handschrift des neuen Rathauschefs trägt.

Herr Stipp, die ersten 100 Tage ihrer Amtszeit sind noch nicht erreicht, die Wahlsiegeuphorie ist im Alltagsgeschäft wohl schon ein wenig verloren gegangen. Wie waren die ersten Tage als Oberbürgermeister von Mosbach?

Überaus interessant und erlebnisreich. Ich habe inzwischen einen weiteren Blickwinkel kennenlernen dürfen. Ich kenne Mosbach ja schon lange als Odenwälder, habe mich dann im Wahlkampf vieler Themen als Kandidat angenommen. Und nun betrachte ich das alles aus der Perspektive des Oberbürgermeisters. Beim Gang durch die Stadt ist dann eben auch die "defizitorientierte" Sichtweise wichtig, wobei ich versuche zu erkennen, wo wir was verbessern können. Ich hatte in den ersten Tagen und Wochen eine sehr enge Taktung, viele neue Themen, neue Menschen, neue Situationen sind mir begegnet. Das ist ein straffes Programm, das mir aber auch viel Freude bereitet. Grundsätzlich lässt sich festhalten: Man begegnet mir mit großem Wohlwollen.

Wie schwer ist letztlich der Abschied gefallen aus Saalach?

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Da waren schon große Emotionen im Spiel, es gab eine sehr schöne Verabschiedung. Ich werde auch weiter einen guten Draht nach Saalach haben, zumal ich dort ja auch viele Freundschaften geschlossen habe.

Jetzt ist der Lebens- und Arbeitsmittelpunkt aber Mosbach. Wohnen Sie schon in der Großen Kreisstadt?

Im Moment bin ich noch bei meiner Familie in Limbach. Ab Dezember werde ich dann aber in Mosbach ein neues Zuhause finden, fußläufig zur Innenstadt und zum Rathaus, das war mir wichtig.

In Ihre ersten Amtstage fallen bereits ein paar nicht ganz alltägliche Entscheidungen: So hat man sich u.a. vom Geschäftsführer der Alten Mälzerei getrennt. Warum genau?

Ja, dieses Thema hat mich bereits am ersten Diensttag erreicht. Die Trennung war leider absolut angezeigt, da es gewisse Unregelmäßigkeiten gegeben hat, die ein schnelles Handeln nötig gemacht haben. Viel mehr kann ich dazu aktuell nicht ausführen, denn es steht noch eine Klärung seitens des Arbeitsgerichts aus.

Unabhängig davon war die Mälzerei bzw. deren erst jüngst angepasste Gebührenkalkulation ja bereits im Wahlkampf für Sie ein wichtiges Thema ...

Das stimmt, inhaltlich hatte sich die Mälzerei schon vorher als bedeutendes Thema abgezeichnet. Wir haben bereits intern mit dem Beschäftigten über die Thematik der neuen Gebührenordnung gesprochen, jetzt steht – sehr zeitnah – der Austausch im Aufsichtsrat an.

Von der inhaltlichen zurück zur personellen Schiene: Nicht nur die Mälzerei braucht einen neuen Chef, auch ein neuer Bürgermeister muss gefunden werden.

Ja, auch das ist richtig. Michael Keilbach hat für sich entschieden, nicht mehr zu kandidieren. Aber ich bin guter Dinge, dass wir diese attraktive Position auch wieder gut besetzt bekommen. Mosbach ist eine Stadt mit Potenzial, die Stelle reizvoll.

Die Stellenbeschreibung des neuen Bürgermeisters präsentiert sich modifiziert, u.a. findet sich der Schwerpunkt Bauen darin. Ist das eine Alternativlösung für den von Ihnen im Wahlkampf angeregten Baudezernenten?

Nun ja, ich finde die Stelle des Bürgermeisters wird deutlich gestärkt durch einen Aufgabenbereich, der ganz stark den Fokus auf bauliche Entwicklungen richtet. Und rein inhaltlich hatte ich genau diese Fokussierung auch im Auge.

Zeitnah scheiden auch langjährige Amtsleiter wie Eckhard Böer und Dieter Kautzmann aus – viel Fluktuation an verantwortlichen Stellen ...

Fluktuation ist an dieser Stelle nicht der richtige Begriff, finde ich. Denn das klingt ja dann danach, als würden die Leute reihenweise wegrennen. Das ist ja aber nicht der Fall, vielmehr sind es normale Prozesse, in diesem Fall schlicht altersbedingt. Gleichwohl tut es natürlich weh, solche Experten auf ihrem Gebiet zu verlieren. Aber auch hier werden wir adäquate Nachfolge finden bzw. haben sie schon gefunden in Patrick Davis, der die Arbeit von Dieter Kautzmann fortsetzen wird.

Zurück zu Ihnen: Ihr Terminkalender platzt aktuell aus allen Nähten, auch wir mussten uns gedulden. Wie viele Antrittsbesuche haben Sie schon absolviert, bleibt das Programm so straff?

Ich habe nicht mitgezählt, aber es waren natürlich schon einige. Mein Ziel ist, bis Weihnachten mein Antrittsprogramm weitestgehend absolviert zu haben. Die Zeit am Schreibtisch ist dadurch natürlich deutlich reduziert, da muss ich dann auch zeitnah ein stimmiges Verhältnis, einen guten Modus finden.

Eine Neuerung, die schon Ihre Handschrift trägt, ist die vorgezogene Bürgerfragestunde in den öffentlichen Gemeinderatssitzungen. Was versprechen Sie sich davon?

Eine Stärkung der Bürgerbeteiligung! Es ist ja nun mal so, dass nicht jeder Tagesordnungspunkt gleichermaßen interessant für die Bürgerinnen und Bürger ist.

Mancherorts ist die Partizipation am Anfang und am Ende einer Sitzung möglich ...

Wenn entsprechende Themen erörtert werden, dann können sich Bürger im Verlauf einer Sitzung ja durchaus noch mal einbringen. Dazu kann ich ihnen dann ja einfach das Wort erteilen.

Welche weiteren "Stipp-Neuerungen" sind in Arbeit oder schon umgesetzt?

Einige Neuerung haben Sie ja schon angesprochen. Wichtiges Thema ist aktuell natürlich der Klimaschutz, hier wird unser Klimaschutzbeauftragter jetzt seine Arbeit aufnehmen. An den Eingängen der Fußgängerzone sollen sich schon bald Fahrradständer finden. Intern ist eine Neustrukturierung der einzelnen Dezernate in Arbeit, eine saubere Gliederung braucht auch viel Fingerspitzengefühl. Neuerungen sind für mich dann auch die vielen neuen Kontakte, so habe ich dieser Tage etwa schon die jeweiligen Verantwortlichen der großen Bauvorhaben im Stadtgebiet kennengelernt. Das ist wichtig, damit man am zügigen Fortschritt arbeiten kann.

Anderes Thema, nicht minder wichtig: Der Haushalt der Stadt hat sich im ersten Halbjahr 2022 besser entwickelt als erwartet. Die Ruhe vor dem Sturm?

Die Entwicklung ist tatsächlich positiv. Das wird der Speck für die kommenden schwierigen Zeiten. Der Wind wird schon deutlich rauer werden, daher bin ich froh über dieses Zwischenergebnis.

Welche Baustellen stehen auf der Prioritätenliste bei Ihnen jetzt ganz oben?

Da sind wie schon erwähnt die Neuzuschnitte innerhalb der Verwaltung, auch die nicht zufriedenstellende räumliche Situation treibt mich hier um. Auch bei den Bauprojekten muss man jetzt dran bleiben, ebenso ist ein enger Schulterschluss mit der Dualen Hochschule wichtig, nicht nur mit Blick auf das geplante Baukompetenzzentrum. Und die Tage haben wir uns mit den Verantwortlichen aller städtischen Schulen getroffen, um die digitale Schulentwicklung im gemeinsamen Schulterschluss anzugehen

Hat Sie der ein oder andere schon auf Ankündigungen aus dem Wahlkampf angesprochen, Dinge eingefordert? Die Erwartungshaltung an Sie ist groß.

Noch wird mir eine gewisse Schonfrist eingeräumt. Aber natürlich werden Erwartungen formuliert, das ist ja auch richtig so. Da muss ein gewisser Druck auf dem Kessel bleiben. Bisher bin ich aber in Einklang mit der Bevölkerung, denke ich.

Aber sicher gab’s auch schon die ersten Widerstände oder Widersprüche?

Wo Interessen sind, gibt es auch Konflikte, das ist doch ganz normal. Das gehört zur Kommunalpolitik ja auch dazu. Aber ich habe schon den Eindruck, dass mit dem Gemeinderat ein gutes Vertrauensverhältnis wachsen kann. Gerade in den Nachsitzungen spürt man ja schnell, ob das Klima passt oder nicht. Und bislang ist mein Gefühl da wirklich ein gutes.

Also haben Sie den Schritt von Saalach nach Mosbach, vom Bürgermeister zum Oberbürgermeister – auch heimlich – noch nicht bereut?

Nein. Definitiv: Nein.

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