OB-Wahl Mosbach

Wählern waren "21 Jahre Michael Jann genug"

Im RNZ-Gespräch ergründet Mosbachs Oberbürgermeister Michael Jann das schlechte Abschneiden bei der OB-Wahl.

28.06.2022 UPDATE: 29.06.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 46 Sekunden
Faire Geste: Mosbachs amtierender Oberbürgermeister Michael Jann gratuliert Mosbachs zukünftigem Oberbürgermeister Julian Stipp zum Wahlsieg. Im Gespräch mit der RNZ äußert sich der Unterlegene zu möglichen Gründen für das (für ihn) ernüchternde Ergebnis. Foto: schat
Interview
Interview
Michael Jann 62 Jahre
Bürgermeister (5 Jahre) und Oberbürgermeister (16 Jahre) von Mosbach

Von Heiko Schattauer

Mosbach. Das Ergebnis ist auch drei Tage nach der Oberbürgermeisterwahl in Mosbach bemerkenswert. Mit einer beeindruckenden Mehrheit von 80 Prozent wurde Julian Stipp (36) am Sonntag von den Bürgerinnen und Bürgern der Großen Kreisstadt Mosbach zum neuen Oberbürgermeister gewählt.

Der Herausforderer schlug damit deutlich den Amtsinhaber. Auf Michael Jann (62), der nach zwei Amtsperioden ein drittes Mal kandidiert hatte, entfielen lediglich 19,89 Prozent der Stimmen. Die am Sonntagabend als vorläufiges Endergebnis präsentierten Stimmzahlen und -verteilungen wurden am Montagabend vom Gemeindewahlausschuss bestätigt. 7656 Stimmen waren abgegeben worden, 6081 Wählerinnen und Wähler machten ihr Kreuz bei Julian Stipp, 1512 votierten für Michael Jann., 55 Stimmzettel waren ungültig. Absolut gültig ist der Wahlsieg von Julian Stipp, der ab 1. September als Verwaltungschef in Mosbach die Amtsgeschäfte übernehmen wird. Bis 31. August steuert Michael Jann noch als OB das Stadt-Schiff, das er dann nach insgesamt 21 Jahren als Bürgermeister und Oberbürgermeister verlässt. Die RNZ hat im Nachgang der bemerkenswerten Wahl noch einmal das Gespräch mit Michael Jann und möglichen Gründen für den für ihn ernüchternden Ausgang gesucht.

Herr Jann, mit ein wenig Abstand betrachtet: Wie bewerten Sie den Ausgang der Oberbürgermeisterwahl am Sonntag? Sie sagten ja bereits, sie hegen keinen Zorn. Enttäuscht sind Sie aber sicher nach wie vor, oder?

Ich bin ganz sicher nicht enttäuscht, der Wähler hat entschieden und als guter Demokrat akzeptiere ich diese Entscheidung selbstverständlich, auch wenn ich mir ein anderes Ergebnis gewünscht hätte.

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Welche Erklärung haben Sie dafür, dass nur jede fünfte Stimme für Sie, den Amtsinhaber, abgegeben wurde? Was ergibt der (selbst)kritische Blick nach diesem Wahlergebnis?

Ich meine, dass ich einen guten und engagierten Wahlkampf geführt habe. Offensichtlich waren den Wählerinnen und Wählern aber 21 Jahre Michael Jann genug, man wollte wohl den Wechsel zu einem jüngeren Oberbürgermeister.

Bei einem solch klaren Ergebnis machen schnell Begrifflichkeiten wie Abwahl oder Abstrafung die Runde. Andererseits muss ein Kreuz auf dem Stimmzettel ja kein "gegen" sondern kann auch ein "für" sein. Wie beurteilen Sie das?

Also ehrlich gesagt wüsste ich nicht, für was ich abgestraft werden sollte. Aus meiner Sicht konnte der Kollege sein Wählerpotenzial optimal ausschöpfen, was mir nicht gelungen ist.

Gab es denn inhaltlich Punkte, die Sie (rückblickend) vielleicht während Ihrer Amtszeit bzw. im Wahlkampf zu wenig berücksichtigt haben?

Ich habe das Thema repräsentative Demokratie immer beherzigt. Daraus könnte man den Vorwurf ableiten, ich hätte das Thema Bürgerbeteiligung nicht ernst genommen. Aber das ist so nicht richtig. Mir ging es um echte Bürger- und nicht Betroffenenbeteiligung. Deshalb wurde bei der Konversion der Neckartalkaserne das objektive Bürgerratsverfahren gewählt und durchgeführt – mit durchaus gutem Erfolg.

Hintergrund

> Der Gemeindewahlausschuss der Großen Kreisstadt Mosbach stellte am Tag nach der Wahl folgendes Ergebnis der Oberbürgermeisterwahl fest: Von den 7601 gültigen Stimmen entfielen 6081 (80,0 %) auf Julian Stipp. Michael Jann erhielt 1512 Stimmen (19,89 %). Auf insgesamt acht

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> Der Gemeindewahlausschuss der Großen Kreisstadt Mosbach stellte am Tag nach der Wahl folgendes Ergebnis der Oberbürgermeisterwahl fest: Von den 7601 gültigen Stimmen entfielen 6081 (80,0 %) auf Julian Stipp. Michael Jann erhielt 1512 Stimmen (19,89 %). Auf insgesamt acht Stimmzetteln fanden sich andere Namensnennungen. "Der Bewerber Julian Stipp hat mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erhalten und ist somit zum Oberbürgermeister gewählt" schließt die Feststellung des Gemeindewahlausschusses.

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Trotz engagiertem Wahlkampf von beiden Kandidaten und einer echten Wahl lag die Wahlbeteiligung nur bei 41 Prozent. Nicht mal jeder Zweite hat also gewählt. Auch das ist eher enttäuschend, oder?

Dieser Einschätzung kann ich mich uneingeschränkt anschließen. Ich hätte bei diesem Engagement und bei zwei qualifizierten Kandidaten eine deutlich höhere Wahlbeteiligung vorgestellt, insbesondere, da wir vor schwierigen Zeiten und den größten Herausforderungen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs stehen. Ich bin mir nicht sicher, ob das jedem so bewusst ist.

Wäre es im Nachhinein betrachtet nicht einfacher und angenehmer für Sie gewesen, nach zwei Amtszeiten nicht mehr zu kandidieren?

Das ist richtig, aber ich hatte weder aus dem Gemeinderat noch aus der Bevölkerung Signale, dass eine weitere Amtszeit von mir infrage steht. Aus Teilen des Gemeinderates wurde ich sogar ermuntert, eine weitere Amtszeit anzustreben.

Mit welchem Gefühl gehen Sie nun in die letzten Runden Ihrer langen Amtszeit in Mosbach?

Mit einem guten Gefühl. Auch wenn das jetzt vielleicht selbstgefällig klingt, aber ich denke, dass ich in den vergangenen 21 Jahren eine gute Arbeit geleistet und mich für mein Mosbach eingesetzt habe, wo ich nur konnte. So wird das auch bis zum letzten Tag meiner Amtszeit bleiben.

Sie haben in der bitteren Niederlage Größe gezeigt, Julian Stipp für den fairen Wahlkampf gedankt, herzlich gratuliert. Welchen Ratschlag können Sie Ihrem jungen Nachfolger mitgeben?

Wichtig ist mir immer gewesen, sich nicht verbiegen zulassen, seinen Kurs zu halten, ohne dabei beratungsresistent zu sein. Dann ist man authentisch und das wird auch anerkannt. Ebenso wichtig wird es sein, die Verwaltung zu motivieren und hinter sich zu bringen, sowie den Gemeinderat durch eine ausgleichende Art und Sachpolitik zu einen.

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