"Fauler Pelz"

Stadt erhält einen herben Rückschlag und bereitet sich vor

Das Regierungspräsidium Karlsruhe will den Gemeinderat überstimmen. Damit dürfte die Stadt den Bauantrag des Landes für das Ex-Gefängnis nicht zurückstellen.

22.06.2022 UPDATE: 23.06.2022 06:00 Uhr 1 Minute, 59 Sekunden
Das ehemalige Gefängnis „Fauler Pelz“ mitten in der Altstadt. Im Streit um dessen Nutzung hat Sozialminister Lucha gegen die Stadt nun einen Etappensieg errungen. Foto: Philipp Rothe

Von Sebastian Riemer

Heidelberg. Rückschlag für die Stadt in Sachen "Fauler Pelz": Das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe will einen zentralen Beschluss des Heidelberger Gemeinderats kassieren. Anfang Juni hatten die Stadträte einstimmig entschieden, den Bauantrag des Landes Baden-Württemberg zur Einrichtung eines Maßregelvollzugs in dem stillgelegten Altstadt-Gefängnis für ein Jahr zurückzustellen. Damit sollten die Pläne von Sozialminister Manne Lucha (Grüne) durchkreuzt werden, in dem Gebäude, das dem Land gehört, für drei Jahre psychisch kranke Straftäter unterzubringen.

Lucha akzeptierte das nicht und wandte sich an das Regierungspräsidium: Als obere Bauaufsichtsbehörde solle dieses die Stadt gewissermaßen überstimmen und dazu zwingen, den Bauantrag weiter zu prüfen. Das RP beabsichtigt nun, genau das zu tun – und begründet dies in einem Schreiben an die Stadt so: "Das Regierungspräsidium sieht in der drohenden Freilassung von Strafgefangenen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, und bejaht damit (...) einen besonderen öffentlich-rechtlichen Handlungsbedarf." Lucha, der stets betont, dass Straftäter auf freien Fuß gesetzt werden müssten, wenn der "Faule Pelz" nicht interimsmäßig für den Maßregelvollzug genutzt werde, hatte sich in seinem Antrag an das RP nämlich auf den Paragrafen 37 des Baugesetzbuches berufen: Darin steht sinngemäß, dass die der Kommune übergeordnete Verwaltungsbehörde – in diesem Fall das Regierungspräsidium Karlsruhe – in Bausachen die Planungshoheit einer Kommune einschränken kann, wenn wichtige öffentliche Zwecke des Landes oder des Bundes entgegenstehen. Diese "wichtigen öffentlichen Zwecke" sieht das RP offensichtlich bei Luchas Plänen als erfüllt an.

Heidelbergs Baubürgermeister Jürgen Odszuck (CDU) reagierte auf die RNZ-Anfrage am Mittwoch mit Unverständnis: "Inhaltlich ist das für uns aktuell schwer nachzuvollziehen. Das Regierungspräsidium kündigt an, explizit in die kommunale Planungshoheit einzugreifen und der Landesregierung eine baurechtliche Sonderstellung einzuräumen."

Tatsächlich ist eine Entscheidung nach Paragraf 37 Baugesetzbuch offenbar extrem selten. Eine RP-Sprecherin erklärt auf RNZ-Nachfrage, es lägen zwar keine näheren Statistiken vor, aber: "Im Regierungspräsidium Karlsruhe sind zumindest aus den letzten zehn bis 15 Jahren keine Entscheidungen nach Paragraf 37 Baugesetzbuch erinnerlich."

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Nähere Begründungen will die Karlsruher Behörde aktuell nicht abgeben, weil sie der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses am kommenden Dienstag in Heidelberg nicht vorgreifen will. Dort nämlich werden auf Initiative des RP die beiden Leiter von dessen Baurechtsreferat den Stadträten erklären, warum sie deren einstimmigen Beschluss von Anfang Juni kassieren wollen. Bürgermeister Odszuck begrüßt das: "Es ist angemessen, dass ein Vertreter der Behörde diese Position vor dem Stadtentwicklungsausschuss erläutert, bevor das RP eine abschließende Entscheidung fällt." Auch die Stadtverwaltung werde den Austausch mit dem Regierungspräsidium abwarten, bevor man gemeinsam mit dem Gemeinderat das weitere Vorgehen festlege.

Dieses weitere Vorgehen, sobald das RP seine Ankündigung offiziell umsetzt, ist allerdings ziemlich klar: Denn in dem einstimmigen Beschluss von Anfang Juni hatte der Gemeinderat die Stadt bereits beauftragt, eine Klage zu prüfen, falls das Regierungspräsidium in dieser Sache zugunsten Luchas entscheiden sollte.

Eine solche Klage beim Verwaltungsgericht hätte aufschiebende Wirkung. Bis zu einer endgültigen rechtlichen Entscheidung, ob die Stadt Manne Luchas Bauantrag zurückstellen darf, könnte der Sozialminister sein altes Gefängnis also nicht weiter zu einem Interimsstandort für den Maßregelvollzug umbauen.

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