41 Tierhalter haben Widerspruch eingelegt (Update)
Katzen dürfen seit Mitte Mai und in den nächsten drei Jahren von April bis August nicht durch das Brutgebiet der Haubenlerche streifen.

Von Timo Teufert
Walldorf. Das bundesweit einmalige Freigangverbot für Katzen in Walldorf lässt aus Sicht des FDP-Landtagsabgeordneten Christian Jung viele Fragen offen. So gebe es keinen ersichtlichen Grund für den Katzen-Hausarrest zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Haubenlerche ausgerechnet in Walldorf. Denn die Landesregierung und ihre Behörden hätten gar keine Zahlen über in den einzelnen Kommunen im Südwesten lebende Hauskatzen, so Jung mit Blick auf die Antwort des Umweltministeriums zu seiner Kleinen Anfrage im Landtag.
"Das von den Grünen geführte Landesministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft unterstützt nach den Antworten auf meine Kleine Anfrage ohne jegliches Problembewusstsein den ausgesprochenen Katzen-Arrest in Walldorf zum Schutz der Haubenlerchen", erklärt der FDP-Politiker in einer Pressemitteilung. In die Allgemeinverfügung der Unteren Naturschutzbehörde des Rhein-Neckar-Kreises vom 14. Mai sei man in Stuttgart nicht eingebunden gewesen.
"Das Umweltministerium war im Vorfeld und bei der Erstellung der Allgemeinverfügung nicht beteiligt und hat somit auch keinen Einfluss auf die Erstellung ausgeübt", erklärt Ministerialdirektor Michael Münter auf Jungs entsprechende Frage. Auch das für den Tierschutz zuständige Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sei nicht beteiligt gewesen. Dies hält der FDP-Abgeordnete aber aus verschiedenen Gründen "weiter für sehr unwahrscheinlich".
Die Kurzfristigkeit des Katzen-Arrests – die Verfügung wurde am 14. Mai mit Wirkung zum 17. Mai erlassen – erklärt das Ministerium so: "Die anspruchsvolle Thematik, die hohe Arbeitsbelastung bei den zuständigen Behörden und die Abstimmungen innerhalb des Landratsamtes und mit der Höheren Naturschutzbehörde im Regierungspräsidium Karlsruhe haben dazu geführt, dass die Bekanntgabe der Allgemeinverfügung erst am 14. Mai erfolgte."
Auch interessant
Das hält Jung jedoch für konstruiert. "Zumindest wird von Ministerialdirektor Michael Münter nun zugegeben, dass die Landesregierung über das Regierungspräsidium Karlsruhe an der Allgemeinverfügung beteiligt war", so der Abgeordnete, der Sprecher seiner Fraktion für Petitionen ist. Zu solch einer Petition hatte er bei einem Vor-Ort-Termin Ende Mai die betroffenen Katzenhalter aufgerufen. Nach Informationen der Deutschen Presseagentur haben 41 Katzenbesitzer – Stand Montag – Widerspruch gegen die Verfügung eingelegt.
"Warum aber ausgerechnet in Walldorf ein Katzen-Ausgehverbot erlassen wurde, bleibt zum größten Teil unklar, da der Landesregierung und ihren Behörden gar keine Zahlen über in den einzelnen Kommunen im Südwesten lebende Hauskatzen vorliegen", so Jung. Es gebe lediglich eine Schätzung aus dem Jahr 2009, nach der sich vor über zehn Jahren in Baden-Württemberg rund 900.000 Katzen aufhielten.
"Interessant ist auch, dass nach Ministeriumsangaben mittlerweile vorwiegend in Nordbaden 63 Bestandsreviere der Haubenlerchen existieren", so Jung. Das Vorkommen in Baden-Württemberg beschränke sich derzeit weitgehend auf die nordbadische Oberrheinebene, erklärt Münter. In Mannheim habe es 2020 und in Heddesheim 2021 jeweils noch ein unverpaartes Männchen gegeben, in Oftersheim sei der Bestand 2019 und 2020 erloschen. Weitere Vorkommen gebe es in St. Leon-Rot, Reilingen, Altlußheim, Hockenheim, Ketsch, Waghäusel, Kronau, Hambrücken, Graben-Neudorf, Linkenheim-Hochstetten, Karlsruhe, Rheinstetten und Knittlingen.
"Wenn Katzen wirklich eine so singuläre Gefahr für die Bestände dieser Vögel wären, müsste es weitere Allgemeinverfügungen geben, die aber nicht erlassen wurden. Damit bleibt unklar, warum in Walldorf überhaupt ein Katzenarrest erlassen wurde, den ich nach Prüfung verschiedener Unterlagen für nicht verhältnismäßig halte", berichtet Jung.
Das Ministerium erklärt aber hingegen: Die Stadt Walldorf setze im Rahmen ihrer Schutzbemühungen für die Haubenlerche ein Prädatorenmanagement – also eine Beobachtung der Beutegreifer – um. "Aus dem Sachstandsbericht zur Bejagung von Rabenvögeln und Raubwild ist zu entnehmen, dass im Brutgebiet vom 1. Dezember 2021 bis 15. Februar Kastenfallen zum Einsatz kamen", schreibt Münter in seiner Antwort. Auch Wildkameras seien zur Überwachung der Fallen installiert worden.
An den Kastenfallen wurden laut Ministerium in dieser Zeit 28 Besuche von Katzen, sechs von Steinmardern, vier von Hunden und drei von Füchsen festgestellt. "Die Katze ist demnach der mit Abstand häufigste am Boden lebende Beutegreifer im Untersuchungsgebiet", so Münter. Da sich die Gebiete frei laufender Hauskatzen mit den Brutrevieren überlagerten, bestehe nicht nur zufällig, sondern regelmäßig ein erhöhtes Tötungsrisiko für Jung- und Altvögel.
Und das Ministerium erläutert weiter: Trotz Nestschutzmaßnahmen wie Zäunen sei die Phase zwischen dem Verlassen des Nests und dem Erreichen der vollständigen Flugfähigkeit für die Haubenlerche ein sehr kritischer Zeitraum. "In dieser Phase kann eine hohe Dichte an Raubsäugern, insbesondere die in der Nähe von Wohnbebauung häufigen Hauskatzen, die sonstigen Schutzbemühungen zunichtemachen", so Münter. Deshalb stelle die aktive Reduzierung des Beutegreifer-Risikos im Einzelfall eine essenzielle, die übrigen Schutzaktivitäten ergänzende Maßnahme dar.
Update: Dienstag, 21. Juni 2022, 19.39 Uhr