Geht Nancy Faeser vorzeitig?
Christine Lambrecht verrät, was jeder schon ahnte: Innenministerin Faeser zieht es zurück in die hessische Landespolitik

Von Anne-Beatrice Clasmann und Sebastian Kunigkeit
Berlin. Seit ihrem Wechsel nach Berlin kursiert das Gerücht, Nancy Faeser werde ihr Amt als Bundesinnenministerin vorzeitig abgeben. Ihr Ziel sei, 2023 Regierungschefin in Hessen zu werden. Bestätigt hat sie das nie. Dafür äußert sich nun ausgerechnet eine Parteifreundin.
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) geht davon aus, dass ihre Kabinettskollegin, Vorsitzender der Hessen-SPD, in die Landespolitik zurückkehren wird. "Ich setze darauf, dass Nancy Faeser nicht nur Spitzenkandidatin wird, sondern auch die erste Ministerpräsidentin in Hessen", sagte Lambrecht, die aus Viernheim stammt und ebenfalls dem hessischen Landesverband angehört, in einem Interview mit dem Nachrichtenportal "t-online".
Auf die Frage, ob sie dann selbst ins Innenministerium wechseln könnte, sagte Lambrecht: "Wer mich kennt, der weiß, dass ich übernommene Aufgaben auch erfülle". Unter Verweis auf eine Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte sie: "Mein Ziel am Ende der Wahlperiode ist, dass man rückblickend sagen kann: Sie hat dafür gesorgt, dass die Bundeswehr endlich richtig ausgestattet ist."
Lambrecht, zuvor Bundesjustizministerin, war während der Ampel-Koalitionsverhandlungen als mögliche Innenministerin gehandelt worden. Der Posten ging dann an Faeser, die bisherige Oppositionsführerin im Wiesbadener Landtag. Faeser wurde am 7. Mai als hessische SPD-Chefin bestätigt. Im Herbst 2023 wird in Hessen ein neuer Landtag gewählt.
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Zuletzt waren zwei SPD-Politikerinnen jeweils aus dem Familienministerium auf Spitzenpositionen in der Landespolitik gewechselt: Manuela Schwesig in Mecklenburg-Vorpommern (2017) und Franziska Giffey in Berlin (2021).
Faeser selbst hatte mehrfach betont, dass die Frage der Spitzenkandidatur erst im kommenden Jahr beantwortet werde. "Die Bundesinnenministerin führt ihr Amt mit voller Kraft und hat keine Absicht daran etwas zu ändern", sagte ein Sprecher ihres Ministeriums am Freitag. Sie arbeite an der "ambitionierten Innen- und Migrationspolitik der Ampel-Koalition". Faeser habe wiederholt darauf hingewiesen, "dass sich andere Fragen nicht stellen".
In Koalitionskreisen sorgte die Äußerung Lambrechts für Irritationen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte: "Ich kenne keinerlei Pläne einer Regierungsumbildung, weder jetzt noch in Zukunft." Aus der Opposition kam Kritik. "Der Sach- und Fachpolitik schadet es in jedem Fall, wenn man hier so früh einen Wechsel vollzieht", sagte die Linke-Innenpolitikerin Clara Bünger. Hier fehle offensichtlich der politische Wille für die "strukturellen Änderungen" im Ministerium zur Bekämpfung des Rechtsextremismus oder für Verbesserungen im Asylrecht.
"Frau Lambrecht erklärt Frau Faeser nun endgültig zu einer Ministerin auf Abruf", sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU). Eine Innenministerin auf Abruf könne sich Deutschland nicht leisten. Das Amt erfordere vollen Einsatz. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Frau Lambrecht als gescheiterte Verteidigungsministerin ihre Nachfolge antritt", ergänzte Throm. "Das Bundesinnenministerium ist ja keine Resterampe."
Lambrecht steht schon länger in der Kritik, zuletzt wegen des Mitflugs ihres Sohnes in einem Hubschrauber. Unionsfraktionschef Friedrich Merz forderte Scholz am Donnerstag auf, sie zu entlassen. Lambrecht äußerte nun Verständnis für Kritik, verteidigte aber ihre Bilanz der ersten Amtsmonate. Sie habe "in sehr kurzer Zeit sehr viel umgesetzt".