Sturm riss Eiche um

Wer zahlt die zerstörten Gräber in Neckarsteinach?

Die vom Sturm umgerissene Friedhofseiche zertrümmerte rund 20 Gräber. Doch die Versicherung will die Schäden nicht zahlen. Nun gibt es Streit: Wer ist für das Naturdenkmal zuständig?

12.05.2022 UPDATE: 13.05.2022 09:00 Uhr 2 Minuten, 41 Sekunden
Zahlreiche Gräber wurden durch den Sturz des Baumes stark beschädigt. Foto: Moll

Von Christoph Moll

Neckarsteinach. Umgefallene Grabsteine, zerschlagene Einfassungen, zerstörte Blumen: Es ist ein trauriges Bild, das sich Besuchern in einem Teil des Friedhofes der Vierburgenstadt bietet. Was zunächst aussieht wie das wüste Werk von Vandalen, erschließt sich bei genauerem Hinsehen: Am Rande des zerstörten Gräberfeldes liegt nach wie vor die Wurzel eines riesigen Baumes, der Ende Februar bei einem Sturm umgestürzt war und zahlreiche Gräber unter sich begraben hatte. Als wäre dies für die Angehörigen nicht schon schlimm genug, entwickelt sich nun auch noch ein Streit über die Frage, wer für den Schaden aufkommen muss. Es könnte sogar passieren, dass die Besitzer der Gräber auf vier- bis fünfstelligen Beträgen sitzen bleiben.

Es war am 18. Februar gegen 20 Uhr, als eine Windböe die mächtige Eiche am Rand des Gottesackers zu Fall brachte. Drohnenaufnahmen zeigten, dass 59 Gräber getroffen wurden, etwa 20 davon schwer. Bürgermeister Herold Pfeifer hatte damals auf RNZ-Nachfrage berichtet, dass der Baum mit rund 1,30 Meter dickem Stamm von einem beauftragten Baumkontrolleur erst "frisch geprüft" worden sei. Es werde geklärt, ob die Haftpflichtversicherung der Stadt oder jene des Landkreises Bergstraße für die Schäden aufkommen müsse. Dieser sei für die Pflege zuständig gewesen, da es sich bei der alten Eiche um ein Naturdenkmal handelte.

Mehrere Betroffene berichteten der RNZ, dass sie von der Stadt an das Landratsamt des hessischen Kreises Bergstraße mit Sitz in Heppenheim verwiesen wurden. Dort sollten sie Kostenvoranschläge eines Steinmetzes für die Wiederherstellung der Gräber einreichen, die das Landratsamt wiederum an seine Versicherung weitergeben wollte. Danach sei erst einmal nichts passiert. Unlängst sei dann die Ablehnung der Versicherung per Post gekommen. Mit Hinweis auf die Sach- und Rechtslage seien Ansprüche von der Versicherung zurückgewiesen worden. Überprüfungen des Schadensfalls hätten ergeben, dass der Landkreis nicht zum Schadenersatz verpflichtet sei. Der Baum sei aufgrund der Wetterlage umgestürzt. Und für solche Wetterlagen sei eben niemand verantwortlich.

Der Wurzelstock des umgestürzten Baumes liegt nach wie vor am Friedhof. Foto: Moll

Doch ist das Landratsamt überhaupt für den vor dem Jahr 1859 gepflanzten Baum zuständig? Ein Sprecher des Landratsamtes erklärte auf RNZ-Anfrage dazu lediglich: "Grundstückseigentümerin ist die Stadt Neckarsteinach und damit ist rein juristisch gesehen die Stadt Eigentümerin des Baumes." Die RNZ wollte außerdem wissen, ob der Landkreis für die Untersuchung und die Pflege des Naturdenkmals zuständig war, in welchen Zeitabständen Begutachtungen stattfanden und in welchem Zustand der Baum war. "Unabhängig etwaiger Zuständigkeiten wurde der Baum nach unserem Kenntnisstand regelmäßig begutachtet und der Zustand entsprechend bewertet", heißt es lediglich. Und: "Nach aktuellem Stand hat die kreiseigene Versicherung eine Regulierung abgelehnt. Wie die Betroffenen mit diesem Ergebnis umgehen, ist uns final noch nicht bekannt." Das könnte heißen: Für das Landratsamt ist der Fall abgeschlossen.

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Für Bürgermeister Herold Pfeifer aber noch nicht. Er sieht die Zuständigkeit beim Landratsamt. "Das wird aber derzeit alles noch geklärt", versicherte er auf RNZ-Anfrage. Das Rechtsamt des Kreises habe sich des Falles angenommen, noch gebe es kein finales Ergebnis. Die Stadt wiederum habe den hessischen Städte- und Gemeindebund eingeschaltet, da sie keine Rechtsabteilung habe. Die Versicherung der Stadt sei jedenfalls dieselbe wie jene des Landkreises.

Auch wenn der Baum auf städtischem Grund gestanden habe, sei der Landkreis zuständig, sagt Pfeifer und verdeutlicht: "Wir hätten den Baum nicht bearbeiten dürfen." Der Landkreis habe diesen regelmäßig von einem Fachmann begutachten und auch pflegen lassen. Die Stadt sei übrigens auch geschädigt, da zum Beispiel Kriegsgräber getroffen worden seien. "Wir stehen in regem Kontakt mit dem Landratsamt und versuchen eine Lösung zu finden", so Pfeifer.

Zuletzt hat der Bürgermeister alle Betroffenen angeschrieben. "Nach intensivem Austausch meinerseits mit der Kreisverwaltung Bergstraße kann festgehalten werden, dass sowohl die Stadt Neckarsteinach als auch der Kreis Bergstraße sehr daran interessiert sind, dass Sie, liebe Angehörige und Nutzungsberechtigte, keinen finanziellen Schaden durch den umgestürzten Baum erleiden müssen", schrieb er darin. Es sei zugesichert worden, an einem konstruktiven Lösungsvorschlag zu arbeiten.

Ort des Geschehens

Noch scheint es diesen Lösungsvorschlag aber nicht zu geben. Angehörige bezweifelten gegenüber der RNZ, dass der Baum wirklich noch gesund war. "Es ist ganz furchtbar, wir sind richtig niedergeschlagen", meinte eine Frau, deren Elterngrab völlig zerstört wurde: "Das kann doch alles nicht wahr sein."

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