Russische SAP-Kunden waren vorgewarnt
Der Konzern bot Anwendern an, Daten außerhalb des Landes abzulegen, bevor der Cloud-Betrieb wegen des Ukraine-Kriegs einstellt wurde.

Walldorf. (dpa/kla) Der Softwarekonzern SAP hat seinen Kunden kurz vor der Einstellung des Cloud-Geschäfts in Russland angeboten, ihre Cloud-Daten aus dem russischen Rechenzentrum kostenlos umzuziehen. Ein entsprechendes Schreiben an die Kunden ist auf den 23. März datiert, am 24. März folgte die Ankündigung, das SAP-Cloud-Geschäft in Russland einzustellen. Das Nachrichtenportal "The Kyiv Independent" hatte das Schreiben vom 23. März am Dienstag veröffentlicht und SAP in einem Bericht Heuchelei vorgeworfen. Ein Sprecher des Konzerns aus Walldorf bestätigte am Mittwoch die Echtheit des Briefs. Zuvor hatte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" darüber berichtet.
"Wir stehen zu unserer Verpflichtung gegenüber der Ukraine, indem wir alle internationalen Sanktionen vollständig umsetzen, Verkäufe stoppen und den Cloud-Betrieb in Russland und Belarus einstellen", teilte der Sprecher mit. Allerdings gehörten die Daten in den Rechenzentren nicht SAP, sondern den Kunden. "Aus rechtlichen Gründen haben wir daher Optionen erarbeitet, wie wir diese Daten übergeben können", so der Sprecher. Das gelte auch für internationale Kunden, die auch auf dem russischen Markt tätig gewesen seien. Die Daten der russischen Kunden könnten somit außerhalb von Russland abgelegt werden, aber operativ nicht genutzt werden, da dafür Rechenzentren im Inland nötig seien. SAP hatte in dem Schreiben auch angeboten, den Kunden eine Kopie der Daten bereitzustellen oder diese zu löschen.
Angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine hatten die Walldorfer zunächst angekündigt, das eigene Neugeschäft in Russland zu beenden. Bestandskunden, die nicht unter die Sanktionen fallen, sollten jedoch weiter Programm-Updates oder Unterstützung bei technischen Problemen erhalten. Das jedoch ging vielen nicht weit genug, auch SAP-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kritisierten den Schritt als nicht mit den eigenen ethischen Richtlinien des Konzerns vereinbar. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte die SAP auf, keine Unterstützung ihrer Produkte in Russland mehr anzubieten. "Jetzt darf es keine ,halben’ Entscheidungen geben!", schrieb er im Nachrichtendienst Twitter. "Es gibt nur schwarz und weiß, gut oder böse! Sie sind entweder für den Frieden oder unterstützen den blutigen russischen Aggressor, ukrainische Kinder und Frauen zu töten."
Kurz darauf entschied SAP angesichts des Krieges nicht nur das eigene Neugeschäft in Russland zu beenden, sondern auch die Cloud-Dienste einzustellen. In der vergangenen versprach der Softwarekonzern der Ukraine, in dem Land nach Ende des Krieges ein Entwicklungszentrum für Software einzurichten. Das ist das Ergebnis eines Gesprächs zwischen SAP-Vorstandschef Christian Klein mit dem ukrainischen Digitalminister und Vize-Regierungschef Mykhailo Fedorov.
In einem Interview mit der RNZ hatte sich Klein zuvor sehr betroffen von dem Krieg in der Ukraine gezeigt. "Wenn man die Bilder aus der Ukraine sieht – das lässt niemand kalt", hatte er gesagt. Das Unternehmen setzt auch die eigene Technologie ein, um multinationale Organisationen bei den Hilfsmaßnahmen zu unterstützen, zudem haben Unternehmen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr als drei Millionen Euro gespendet.
Auch interessant
Update: Mittwoch, 6. April 2022, 20.30 Uhr
SAP zieht sich nun doch weiter aus Russland zurück
Von Matthias Kros
Walldorf. Angesichts des Krieges in der Ukraine zieht sich der Walldorfer Softwarekonzern SAP nun doch weiter aus dem russischen Markt zurück als zunächst geplant. Man stehe zu den eigenen Verpflichtungen gegenüber der Ukraine und stoppe nicht nur alle Verkäufe in Russland, sondern stelle dort auch den Cloud-Betrieb ein, teilte das Unternehmen in einer Presseinformation mit. In der Cloud wird die Software den Kunden von SAP als Abo über das Internet bereitgestellt. Bislang hatten die Walldorfer gesagt, dass bestehende Geschäftsbeziehungen mit russischen Kunden, die nicht auf der Sanktionsliste stehen, im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen weitergeführt werden sollten.
Mit den nun verschärften Maßnahmen reagiert die SAP auf die öffentliche Kritik der vergangenen Wochen. So hatte etwa der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Walldorfer aufgefordert, nicht nur ihre Verkäufe in Russland zu stoppen, sondern auch den Support zu beenden, also etwa Software-Updates oder technische Hilfen. Die Unterstützung der Kunden müsse aufhören, es dürfe jetzt keine ,halben’ Entscheidungen geben", schrieb er bei Twitter. "Es gibt nur schwarz und weiß, gut oder böse!" Einige Tage später postete sein Vizepremier sogar ein Video von Verletzten, Toten und russischen Angriffen auf zivile Gebäude: "Do you support this, @SAP?", fragte er in Richtung Walldorf.
Auch in internen Belegschaftsforen von SAP soll der Fortbestand der Geschäfte in Russland teilweise kritisch gesehen worden sein, hieß es am Freitag aus dem Betriebsrat. Mitarbeiter sollen sich dabei auf die Ethikrichtlinie des Konzerns, die unter anderen die Einhaltung der Menschenrechte in der eigenen Geschäftstätigkeit und entlang der Wertschöpfungskette postuliert, berufen haben.
Auf diese geäußerten Bedenken geht SAP nun ein: In der jüngsten Presseverlautbarung erklären die Walldorfer, dass man neben der Umsetzung der Sanktionen und dem Stopp aller Verkäufe den "Cloud-Betrieb in Russland aktiv eingestellt" habe.
Einem vollständigen Rückzug aus Russland kommen diese weitergehenden Maßnahmen aber nicht gleich. Denn am Support für das Lizenzgeschäft (On-Premise), bei dem die Software einmalig gekauft und beim Kunden vor Ort installiert wird, hält die SAP fest: "Uns haben Fragen erreicht, ob SAP in der Lage ist, alle bestehenden Produkte für russische Kunden abzuschalten", heißt es in der Presseinformation. Es gebe Kunden in Russland, die ihre SAP-Produkte für den On-Premise-Betrieb gekauft und installiert hätten, also in eigenen internen IT-Abteilungen betrieben. Diese Produkte ließen sich dadurch von den Kunden weiter nutzen – auch unabhängig davon, ob SAP weiter Support leiste oder nicht. Laut "Handelsblatt" ist dieses Lizenzgeschäft in Russland deutlich größer als das jetzt gestoppte Cloud-Geschäft.
Die verschärften Maßnahmen gegen Russland kommen trotz des öffentlichen Drucks einer Überraschung gleich. Bisher hatte SAP-Vorstandschef Christian Klein noch auf die Bremse getreten. In einem Interview mit der RNZ hatte er kürzlich zwar Verständnis für Selenskyj gezeigt, gleichzeitig aber seine Strategie verteidigt. Man betreibe mit der eigenen Software zum Beispiel Krankenhäuser, Supermärkte und Unternehmen, die wichtig seien für die Impfstoff-Herstellung und -Verteilung. "Wenn wir das alles runterfahren, stoppt das nicht den Krieg", sagte der CEO. Man wolle sich nicht anmaßen, "es besser zu wissen als Politiker und Experten". SAP unterstütze Unternehmen, "die für Bürgerinnen und Bürger von entscheidender Bedeutung sind", sagte er. Die Sanktionen würden diese Firmen bewusst ausklammern.
Derweil ist die SAP seit Beginn des russischen Kriegs zunehmend von Cyberangriffen betroffen. "In der Ukraine führt Russland einen schrecklichen Krieg, es gibt aber gleichzeitig auch einen Cyberkrieg über die Grenzen hinweg. Die Anzahl der Attacken hat in den vergangenen Wochen sehr stark zugenommen", sagte SAP-Chef Christian Klein der "WirtschaftsWoche". Woher die Attacken auf den Walldorfer Konzern kommen, "lässt sich zwar ein Stück weit lokalisieren, aber ich möchte da jetzt nicht ins Detail gehen", erklärte Klein. Der Konzern tue "alles, um unsere Netze so sicher wie möglich zu machen", und stehe "in enger Abstimmung mit den deutschen Sicherheitsbehörden".
Update: Freitag, 25. März 2022, 18.51 Uhr



