Bei SAP werden Rufe nach völligem Rückzug aus Russland lauter
Es gibt weiter Kritik an angekündigter Pflege der Bestandskunden. Der Konzern bietet Rhein-Neckar-Kreis Liegenschaften für Kriegsflüchtlinge an.

Heidelberg. (mk) Der Ukraine-Krieg ist in den Unternehmen der Rhein-Neckar-Region weiterhin ein beherrschendes Thema.
> Diskussionen um SAP-Russland-Geschäfte: Bei der Walldorfer SAP gibt es weiter Diskussionen, ob sich der Softwarekonzern nicht vollständig aus Russland zurückziehen sollte – auch wenn die Sanktionen das nicht unbedingt erfordern. Nach dem Angriff auf die Ukraine hatte Vorstandschef Christian Klein zunächst angekündigt, er werde das Geschäft in Russland einstellen. Zwei Tage später ergänzte ein Sprecher allerdings, dass Bestandskunden, die nicht auf der Sanktionsliste stehen, "im Rahmen der vertraglichen Verpflichtungen" weiter bedient würden, etwa durch Softwareupdates. Sogleich hatte der ukrainische Vizepremierminister Mykhailo Fedorov via Twitter kritisiert, dass die Sanktionen nicht reichten und SAP auch die Wartung einstellen müsse. Laut "Handelsblatt" wird das Thema auch in internen Belegschaftsforen des Softwarekonzerns teilweise kritisch gesehen. Mitarbeiter würden sich auf die Ethikrichtlinie des Konzerns berufen, die unter anderen die Einhaltung der Menschenrechte in der eigenen Geschäftstätigkeit und entlang der Wertschöpfungskette postuliere. Das Management um Vorstandschef Klein verweise dagegen darauf, dass die russischen Unternehmen gültige Verträge hätten, heißt es im "Handelsblatt".
Über die Frage, ob die angekündigten Sanktionen weit genug gehen, hatte sich in der vergangenen Woche auch der Betriebsrat der SAP SE beraten. Das teilte Klaus Merx, Vorsitzender der Arbeitnehmervertretung, auf RNZ-Anfrage mit. Allerdings habe man dazu keine Beschlüsse gefasst. Die Arbeitgeberseite habe erläutert, warum sie Kunden, die nicht auf der Sanktionsliste stehen, weiterhin Support liefern wolle. Ein Argument sei, dass je nach Kunde auch Lieferketten für Nahrungsmittel, Medikamente oder Medizintechnik betroffen seien. Insgesamt habe sich der Betriebsrat hinter die humanitären Aktionen der Unternehmensseite gestellt und unterstütze diese nach Kräften, so Merx.
> SAP bietet Unterkünfte an: Unabhängig von den Sanktionen hat die SAP hat dem Rhein-Neckar-Kreis Unterkünfte für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine angeboten. Das bestätigte ein Sprecher am Donnerstag. Das Unternehmen besitzt neben den Büro- und Verwaltungsgebäuden auch im erheblichen Maße andere Liegenschaften wie Wohnungen. Bislang habe es aber noch keine offiziellen Anfrage des Kreises gegeben, so der Sprecher. In der vergangenen Woche hatte SAP-Vorstandschef Christian Klein angeboten, aus den Büroflächen an Standorten in ganz Europa Lagerflächen und Unterkünfte für Flüchtlinge zu machen. Darüber hinaus hat die SAP eine Million Euro an humanitärer Hilfe bereitgestellt und technologische Unterstützung ins Spiel gebracht.
> Heideldruck stoppt Neugeschäft: Auch der Druckmaschinenbauer Heidelberger Druck hat sich hinter die westlichen Sanktionen gegen Russland gestellt. "Wir werden uns an alle Sanktionen und gesetzlichen Vorgaben halten. Das Neugeschäft haben wir eingestellt", sagte ein Unternehmenssprecher am Donnerstag auf Anfrage. "Wir beobachten die Entwicklungen mit großer Sorge, vor allem aus humanitärer Sicht". Dabei habe die Gesundheit der Mitarbeitenden und Geschäftspartner vor Ort oberste Priorität. "Unsere Mitarbeitenden sowie ihre Familien sind gut versorgt. Wir stehen im engen Kontakt mit ihnen und tun alles, was uns möglich ist, um sicherzustellen, dass das so bleibt", so der Sprecher.
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Die wirtschaftlichen Einschränkungen seien für Heideldruck allerdings überschaubar: In beiden Ländern habe man je eine Tochtergesellschaft. Die russische Tochter habe im vergangenen Jahr knapp 25 Millionen Euro Umsatz gemacht, bei der ukrainischen Tochter seien es knapp 5 Millionen Euro gewesen. "Setzen wir die Umsätze unserer Aktivitäten dort ins Verhältnis zu unserem Gesamtumsatz von über 2 Milliarden Euro im Jahr, so rechnen wir damit, dass die Auswirkungen rein wirtschaftlich verkraftbar sein dürften".
> Resolution der Gewerkschaften in Rhein-Neckar: "Wir verurteilen aufs Schärfste den Völkerrechtsbruch durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine und fordern Präsident Putin auf, seine militärischen Truppen unverzüglich zurückzuziehen", schreiben die DGB Kreisverbände Heidelberg/Rhein-Neckar und Neckar-Odenwald-Kreis in einer gemeinsamen Resolution. "Wir stehen an der Seite der ukrainischen Bevölkerung". Gleichzeitig mahnen die Gewerkschaften zur Besonnenheit, damit sich der bewaffnete Konflikt nicht zu einem Flächenbrand innerhalb Europas oder der gesamten Welt entwickele.
> John Deere setzt Lieferungen aus: Der US-Landmaschinenhersteller John Deere, der ein großes Traktorenwerk in Mannheim hat, ist nach eigenen Angaben "zutiefst traurig über die massive Eskalation in der Ukraine". Bereits vor zwei Wochen habe man die Lieferung von Maschinen nach Russland ausgesetzt, teilte das Unternehmen am Donnerstag in Mannheim mit. "Wir beobachten die Situation genau und halten die US-amerikanischen und internationalen Sanktionen uneingeschränkt ein".