Angekommen in Sicherheit - und jetzt?
Bahnhofsmission und Ehrenamtliche unterstützen Ukraine-Flüchtlingen bei ihrer Ankunft in Heidelberg.

Von Maria Stumpf
Heidelberg. Geflüchtet aus dem Krieg in der Ukraine, Ankunft am Gleis 4 in einem neuen Leben: Nach stundenlangen Zugfahrten sind sie müde und erschöpft, auf dem Arm die kleinen Kinder, in der Hand Beutel und Taschen mit dem Nötigsten. Lange reden möchten die meisten nicht, zu verwirrend ist die Situation. Jeden Tag kommen seit vergangener Woche an die 80 ukrainische Flüchtlinge am Bahnhof in Heidelberg an. Es sind individuelle Schicksale, an einem kleinen Stand in der Halle wartet Freundlichkeit und Hilfe für alle.
Die Bahnhofsmission als zentraler Knotenpunkt hilft im Augenblick des Ankommens, mit dabei viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer rund um Sigrid Zweygart-Pérez, Diakonie-Pfarrerin für "Flucht und Migration". Die Bahnhofsmission ist eine Einrichtung der Evangelischen und Katholischen Kirche, rund 25 ehrenamtliche und sieben hauptamtliche Kräfte helfen unbürokratisch Reisenden in Notlagen, sind ein sozialer Ankerplatz für einsame Menschen und Wohnsitzlose. Wegen Corona gibt es heißen Kaffee oder Tee samt Grundversorgung mit dem Nötigsten zurzeit nur an der Eingangstür, sonst aber werden Besucherinnen und Besucher gerne auch hereingebeten in die rund 60 Quadratmeter große Unterkunft – ein bisschen versteckt um die Ecke bei den Schließfächern.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind tagsüber bis 18 Uhr da: Aber die Züge mit den Flüchtlingen kommen ja auch noch später an. Also galt es, das Hilfsangebot spontan auszudehnen und ein bisschen umzuorganisieren. Jetzt ist man in zwei Schichten bis nach 22 Uhr als Ansprechpartner für die Gestrandeten in der Bahnhofshalle sichtbar präsent. Es gibt Infoblätter auf Ukrainisch, beispielsweise zu Anmeldung, Registrierung, Übergangsgeld und Impfung, aber auch über die Stadt.
Nach einer kurzen theoretischen Einweisung mit Fachwissen geht es los für die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. Spendentaschen mit Hygienemittel stehen bereit, Getränke, Snacks, Kekse und Geschenke für die Kleinen. Und vor allem: Gesprächsangebote. Im Team der Helfenden sind einige Menschen, die russisch sprechen. Katharina Töpfer aus Wieblingen etwa oder Yusif Huseyne aus Edingen, der im Jahr 2005 aus Aserbaidschan nach Deutschland kam. "Ich kann verstehen, wie es den Menschen geht. Ich kann helfen, also tue ich das." Wenn nötig, zücken andere Helferinnen einfach den Handy-Übersetzer. Funktioniert auch gut.
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Gibt es eine Notunterkunft? Wie komme ich dahin? Wo gibt es Telefonkarten? Menschen, die keine privaten Unterkünfte in der Stadt haben, werden mit einem Shuttle-Bus – Abfahrt alle 45 Minuten – ins Ankunftszentrum in Patrick-Henry-Village gefahren oder sie nehmen die Buslinie 717. Es gibt auch private Unterkünfte oder Möglichkeiten der Weiterreise. Die 22-jährige Maria aus Charkiw wird das machen. Ihr ist mit der Mutter und dem kleinen Bruder auf abenteuerliche Weise über Rumänien die Flucht nach Heidelberg gelungen. Für die Flüchtenden gibt es von der Bahn ein kostenfreies Ticket, das erfährt sie nun, und zum Telefonieren muss sie sich Prepaid-Karten besorgen. Wo und wie? Man zeigt es ihr. "Ich danke Deutschland für diese Hilfe", sagt sie auf Englisch. "Wer in dieser Situation nicht hilft, den kann ich wirklich nicht verstehen", meint Manfred Both dazu und schüttelt leise den Kopf. Der 71-Jährige ist inzwischen ein versierter Spendensammler, klappert für die Einsätze im Bahnhof vorab Unternehmen ab – für Spenden aller Art. "Und das klappt sehr gut", erzählt er.
"Es hat sich ganz schnell eine Eigendynamik in sozialen Kanälen entwickelt, als unsere Kirchen zur Mithilfe aufgerufen haben", freuen sich Diakonie-Pfarrerin Zweygart-Pérez sowie Birgit Grün und Franziska Geiges-Heindl von der Caritas über diese "riesige und flexible Hilfsbereitschaft". Zurzeit habe man also eine ausreichende Helferschar. "Wir müssen allerdings davon ausgehen, dass unsere Hilfe über einen längeren Zeitraum gebraucht wird. Wenn sich Ehrenamtliche auf eine Kontaktliste setzen lassen für spätere Einsätze, wäre das zurzeit das Sinnvollste", betont die Pfarrerin.
Infos unter: www.unterkunft-ukraine.de, www.bahn.de/info/helpukraine