Ein Lobbyist für Kinder und Eltern
Michael Jung gründete vor 36 Jahren den Kinderschutzbund Wiesloch und ist heute noch dessen Vorsitzender.

Von Maria Stumpf
Wiesloch. Der Deutsche Kinderschutzbund setzt sich gegen Kinderarmut und für den Schutz von Kindern vor Gewalt ein. "Und wir machen die Lobby-Arbeit für Kinder und Familien in dieser Stadt", sagt Michael Jung. Der 71-Jährige hat vor 36 Jahren den Wieslocher Ortsverband des Kinderschutzbundes gegründet. Und ist noch heute dessen Vorsitzender.
Michael Jung sitzt im Wohnzimmer, blaues Hemd, blauer Pulli, Jeans. Er blinzelt in die Wintersonne draußen vor dem Fenster, das Haus liegt an den Wieslocher Weinbergen. "Einfach schön hier", sagt er. Gestik, Mimik und Blick zeigen eine freundliche Neugierde. Er gilt als Mann der Tat mit Sinn für das Machbare und Notwendige: "Ich glaube schon, dass ich all die Jahre der Motor war im Verband."
Für sein ehrenamtliches Engagement hat Jung in den vergangenen Jahren das Bundesverdienstkreuz bekommen, wurde mit der Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet und freut sich besonders auch über die Bürgermedaille der Stadt Wiesloch. "Es ist wichtig im Leben, sich für Dinge einzusetzen, die für Menschlichkeit stehen", erklärt er sein Tun, das er auch als Verpflichtung empfindet.
Obwohl die finanzielle Dimension von Armut wichtig sei, beziehe sich ein moderner Armutsbegriff auch auf den Ausschluss von Teilhabe, so Jung. Denn Abhängigkeiten von sozialen Transferleistungen wirkten sich vor allem auf Kinder und Jugendliche aus. Hier sieht er den Anspruch und die Legitimation des Kinderschutzbundes. "Dafür stehen wir."
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Im nordrhein-westfälischen Bonn geboren, zog es den promovierten Physiker 1980 zunächst nach Mühlhausen, von wo er mit Ehefrau und zwei Söhnen später nach Wiesloch umzog. Beruflich startete Michael Jung am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg und wechselte dann in die Industrie nach Mannheim, zum ABB-Konzern. Seit 2015 ist er in Rente.
Politisch nicht an Parteien gebunden, sei politisches Denken sein lebenslanger Auftrag geblieben. "Das war schon so als Demonstrant gegen die Notstandsgesetze 1968 oder auch als Physiker gegen die Nutzung der Atomkraft." Anfang der 1980er Jahre engagierte er sich als junger Vater in einer Mühlhausener Bürgerinitiative für mehr Verkehrsberuhigung. "Das war die Zeit, in der ich die Arbeit des Kinderschutzbundes Heidelberg kennen und schätzen lernte. Es geht bei uns auch um kindgerechte Lebenswelten." Mit Erfahrungen als Beisitzer im Heidelberger Vorstand reifte die Idee, in Wiesloch einen eigenen Ortsverband zu gründen. Was im April 1986 geschah.
"Das fanden damals hier nicht alle politische Gremien notwendig. Aber es gab quasi keine Kinderbetreuungen außerhalb der Schul- oder Kindergartenzeiten. Da wollten wir helfen." Die Eröffnung des Schülerhorts im Jahr 1987 habe er gegen Stimmen aus dem damaligen Gemeinderat vorangetrieben. "Da meinten einige CDU-Stadträte, das sei doch eher was für die DDR. Das waren richtige Grabenkämpfe", erinnert er sich lachend an turbulente Zeiten.
In der Folge brachte Michael Jung viele Ideen in die Verbandsarbeit ein und setzte sie zusammen mit einem leistungsstarken Team um: zum Beispiel den Eltern-Kind-Treff und die Einrichtung einer Kinder-Kleiderstube, eine Kinderkrippe und einen Kindergarten, die Ausbildung von Tagesmüttern, Elternschule oder Angebote der Jugendhilfe. "Längst alles in guter Kooperation mit der Stadt und dem Rhein-Neckar-Kreis." Der Wieslocher Ortsverband hat heute rund 280 Mitglieder, circa 60 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und 50 hauptamtliche Kräfte. "Wir sind einer der größten Kinderschutzverbände im Land", sagt Jung. Es klingt stolz.
In diesem Jahr soll es Neuwahlen geben. Stellt er sich zur Wiederwahl? "Ich weiß es noch nicht. Grundsätzlich denke ich, dass da Jüngere ran sollten." Aber "hängen lassen" will er seinen Kinderschutzbund auf keinen Fall.