Kinderschutzbund versucht, bei der Betreuung den Spagat hinzukriegen
Abstand halten und doch dicht dranbleiben - Hinweis zu Hilfe bei häuslicher Gewalt

Von Sabine Hebbelmann
Wiesloch. Kita und Schule geschlossen, die Eltern in Kurzarbeit oder im "Home Office" und dann noch die Kontaktbeschränkungen. Die aktuelle Situation bedeutet für viele Familien Stress. Erst recht gilt das für solche, die ohnehin schon belastet sind.
"Wir gucken genau hin, was notwendig ist", sagt Elke Jödicke vom Kinderschutzbund Wiesloch und berichtet über die aktuellen Herausforderungen. Die vielfältigen Angebote des Vereins mussten stark eingeschränkt werden, die Kinderbetreuungseinrichtungen bis auf Notgruppen für Kinder von Eltern in systemrelevanten Berufen vorübergehend schließen.
Auch die Jugendhilfe ist betroffen. Normalerweise werden hier entwicklungs- und/oder verhaltensauffällige Kinder nach der Schule in Kleingruppen intensiv betreut und auch die Eltern begleitet und unterstützt – eine große Entlastung für die Betroffenen. Der persönliche Kontakt wird jetzt auf das Nötigste beschränkt, die Betreuung neu organisiert. Vieles läuft übers Telefon oder über Videotelefonie. "Das ist kein gleichwertiger Ersatz, funktioniert aber gut, weil wir schon zuvor in engem Kontakt mit den Familien waren und ein gutes Verhältnis aufgebaut haben", so Jödicke.

Eine besonders heikle Situation stellen die Kontaktbeschränkungen aus ihrer Sicht für die sozialpädagogische Familienhilfe dar. Da fällt der "dritte Blick" von außen, etwa von aufmerksamen Lehrern oder Schulsozialarbeitern, weg. Im Kindergarten würde es zum Beispiel auffallen, wenn das Kind einer depressiven Mutter das dritte Mal hintereinander dieselben schmutzigen Sachen anhat. "Umso wichtiger ist es, dass wir den Kontakt zu den Familien halten." Und noch etwas treibt Elke Jödicke um: "Wie finanziert der Verein die Ausfälle im Jugendhilfebereich? Es gibt noch keine verbindliche Aussage vom Jugendamt oder anderen Kostenerstattern, das ist schwierig für uns als Verein."
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Karin Keller betreut mit dem Team "Flexible Hilfe" 30 Familien in der Region. Bisher waren die Familien gewohnt, dass die Familienhelfer zweimal pro Woche zu Besuch kommen. Doch das fällt für die meisten jetzt erst mal flach. Stattdessen rufen Mitarbeiterinnen regelmäßig an, spüren nach, welche Bedürfnisse und Problemlagen es gibt und unterstützen, so gut es geht. "Wir sind findig, nutzen die Neuen Medien kreativ, um Spiele zu vermitteln oder die Schularbeiten zu betreuen. Das finden die Kinder spannend, wenn sie am PC oder per Messenger zeigen können, wie sie die Aufgaben gelöst haben", erzählt Keller.
Hintergrund
Was rät die Polizei im Fall von häuslicher Gewalt? Das Polizeipräsidium Mannheim gibt folgende wichtige Hinweise:
"Für all diejenigen, die befürchten, Opfer von Gewalt zu werden, stellt die Polizei unter
Was rät die Polizei im Fall von häuslicher Gewalt? Das Polizeipräsidium Mannheim gibt folgende wichtige Hinweise:
"Für all diejenigen, die befürchten, Opfer von Gewalt zu werden, stellt die Polizei unter www.polizei-beratung.de/ opferinformationen/ haeusliche-gewalt/ konkrete Handlungsalternativen sowie Informationen zu rechtlichen Möglichkeiten und weiteren Beratungsstellen zur Verfügung. Sollte sich jemand in einer akuten Gewaltsituation befinden, kann er die Polizei jederzeit über die Notrufnummer 110 erreichen.
Falls ein Telefonat in der Situation nicht möglich ist oder Menschen eine Sprach- oder Hörbehinderung haben, kann auch per Nothilfe-SMS unter der Nummer 01 52 21 80 71 10 polizeiliche Hilfe gerufen werden. Die wichtigsten Informationen für ein zeitnahes Einschreiten der Polizei sind hierbei der Name der Absenderin oder des Absenders, was geschehen ist und wo genau sich die Person befindet. Es ist wichtig, dass nach Möglichkeit die vollständige Adresse sowohl mit der Benennung von Straße und Hausnummer als auch die Stadt angegeben werden, zu welcher Hilfe gerufen wird.
Häusliche Gewalt geht auch immer zu Lasten von Kindern, die im gemeinsamen Haushalt leben und (physische und psychische) Gewalthandlungen beobachten müssen. Oftmals ist die enge Bezugsperson Opfer dieser Gewalttaten.
Die Folgen für die Kinder können in solchen Fällen gravierend sein und reichen von Schlafstörungen bis hin zu Entwicklungsstörungen. Im Einzelfall kann hier durchaus auch eine Kindeswohlgefährdung vorliegen. Ansprechpartner bei diesen Fragen wären der Rhein-Neckar-Kreis oder das Kinderschutzzentrum Heidelberg.
Wichtig ist, sich rechtzeitig jemandem anzuvertrauen. Häusliche Gewalt ist keine Privatsache. Der Kontakt zu vertrauten Personen und der Mut, mit ihnen über solche Situationen zu sprechen, können einer betroffenen Person auch die Kraft geben, sich professioneller Hilfe zu bedienen und nötigenfalls die Polizei einzuschalten. Speziell geschulte Beamte beim Polizeipräsidium Mannheim werden sich dann zielorientiert und opfersensibel der geschilderten Probleme annehmen.
Im Notfall raten wir dazu, lieber zu früh als zu spät die Polizei einzuschalten unter Notruf 110."
Info: Als Ansprechpartner empfiehlt das Polizeipräsidium auch die Beratungs- und Koordinierungsstelle Psychosoziale Notfallversorgung Rhein-Neckar (BeKo Rhein-Neckar), Telefon 0 62 21/7 39 21 16, Internet www.beko-rn.de. (heb)
Die Familienhelfer geben überforderten Eltern Tipps, wie sich die so unvermittelt gewonnene gemeinsame Zeit füllen lässt. Sie raten, das schöne Wetter zu nutzen, den Fernseher auszuschalten und raus in den Wald oder den Park zu gehen, wo die Kinder sich austoben können. Oder sich mit dem Kind hinzusetzen, ein Spiel zu spielen oder etwas aus Lego zu bauen. Zeiten für gemeinsame Mahlzeiten strukturieren den Tag. Überhaupt spielt Essenzubereiten eine andere Rolle. Kinder schnippeln mit und man kann über gesunde Ernährung reden. Auch Auszeiten sind wichtig: Jeder macht jetzt mal eine Viertelstunde etwas für sich.
Eltern sollten ihre Kinder altersgemäß über die Pandemie aufklären, rät Keller. Nützliche Tipps und Links zu kindgerechten Informationen wie auch zu vielfältigen Beschäftigungsideen bis hin zu kostenlosen Hörspielen und Lernprogrammen für zuhause hat der Kinderschutzbund Wiesloch auf seiner Website unter der Rubrik "Rund um Erziehung" zusammengestellt.
Der telefonische Kontakt habe allerdings nicht dieselbe Qualität wie der persönliche, räumt Keller ein. Fünf Familien besucht das Team daher in gleicher Weise wie vor der Pandemie. Hier sind die Ressourcen noch nicht so da, das Kindeswohl steht im Raum, Inobhutnahme droht. Der Verein muss den Schutz der Mitarbeitenden und zugleich den Kinder- und Familienschutz im Blick haben.
Da die Familien zum Teil beengt wohnen und die Vorgaben nicht eingehalten werden können, hat Keller die Besuche kurzerhand ins Freie verlegt. Da lässt sich der nötige Sicherheitsabstand einhalten. "Wir schauen, wer gerade Bedarf hat, und setzen uns auch mal nur mit dem Kind oder der Mama auf eine Bank." Zum Teil melden sich die Familien auch aus eigenem Antrieb, wenn sie Unterstützung brauchen. Da fragt zum Beispiel eine Alleinerziehende: "Können wir uns morgen treffen, ich weiß nicht mehr, was ich mit dem Kleinen machen soll."
Kellers Sorge ist, dass die Familien beim halbjährlichen Hilfeplan mit dem Jugendamt genug gehört und beteiligt werden. Denn der Eindruck vor Ort sei etwas anderes als am Telefon. Zusammenfassend stellt sie fest: "Es ist ein Spagat, den gebotenen Abstand einzuhalten und zugleich dicht dranzubleiben an den Sorgen und Bedürfnissen."
Info: Hilfe bei Ängsten und Sorgen bietet die kostenlose telefonische Beratung "Nummer gegen Kummer": für Kinder und Jugendliche: 116.111 (kostenfrei von Handy und Festnetz, Montag bis Samstag, 14 bis 20 Uhr) oder online per E-Mail oder Chat, Näheres unter www.nummergegenkummer.de; für Eltern: 08 00/1 11 05 50.