In Mühlhausen entstehen 20 Waldkindergartenplätze
Die Gemeinde reagiert damit auf die angespannte Betreuungssituation. Die Trägerschaft übernimmt der Verein Postillion.

Von Tobias Törkott
Mühlhausen. Wer ab September an einem Waldabschnitt in Mühlhausen in der Nähe des Tennisclubs vorbeikommt, entdeckt wohl eine Horde kleiner Abenteurer, die Vögel beobachtet, mit Stöcken baut oder auf Holzbänken Geschichten lauscht. Denn die Gemeinde erweitertet ihr Kindergarten-Angebot. Ab September 2022 können 20 Kinder ab einem Altern von drei Jahren in einem Waldkindergarten betreut werden. Das beschloss der Gemeinderat einstimmig.
"Die Plätze in den Kindergärten sind alle voll, alle ausgebucht", beschrieb Bürgermeister Jens Spanberger die Situation. Erst, wenn jemand wegziehe, werde wieder ein Platz frei. Darauf hatte die Verwaltung bereits im November 2021 hingewiesen und einen Waldkindergarten vorgeschlagen. Die Vorteile sind laut Verwaltungsvorlage eindeutig: weniger Kosten als ein Neubau, eine zusätzliche Form der Betreuung. Die Kinder sind in einer Art ausgebautem Bauwagen im Wald untergebracht.
Die Trägerschaft übernimmt der Verein Postillion, der bereits an 34 Standorten im Rhein-Neckar-Kreis Einrichtungen betreut. Mehr als die Hälfte der Krippen und Kindergärten sind Waldkindergärten. "Das hat Vorteile für die Gemeinde. Postillion bildet auch selbst aus", so Bürgermeister Spanberger. Die Ratsmitglieder sprachen sich auch hier einstimmig für den Träger aus.
"Der Alltag ist wie in einem klassischen Kindergarten: Die Kinder werden begrüßt, es gibt einen Morgenkreis, dann Frühstück, danach wird im Freien gespielt. Bei schlechtem Wetter geht es in den Wagen", skizzierte Melanie Oberhofer von Postillion den normalen Ablauf. "In den meisten Fällen sind die Kinder aber draußen – auch bei schlechtem Wetter", so Oberhofer. Eine Nachfrage aus der Fraktion der Grünen, ob Waldkindergarten-Kinder häufiger krank seien, verneinte sie: "Im ersten halben Jahr, danach gewöhnen sie sich an die Temperaturen, danach sind sie seltener krank." Gespielt wird im Übrigen mit allem, was der Wald so hergibt: "Steine, Moos, Stöcke. Die Natur gibt das vor", zählte Oberhofer auf.
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Nach den pädagogischen Unterschieden zwischen Wald- und normalem Kindergarten erkundigte sich zudem SPD-Rat Holger Schröder. "Die Erzieherinnen und Erzieher geben weniger Impulse und greifen eher Dinge auf", erklärte Oberhofer und nannte als Beispiel eine Spur, welche die Kinder im Wald finden, um dann zu tuscheln und die Köpfe zusammenzustecken.
Großteils sollen die kleinen Entdecker im Wald herumtollen, doch wenn es kalt wird, heizt ein Holzofen den Innenraum des Bauwagens auf. Sollte ein Unwetter drohen, kann das nahe Kassenhäuschen des Waldparkstadions als Schutzraum genutzt werden, wie Spanberger erklärte. Denn nordwestlich des Stadions, in der Nähe der Tennisplätze, soll der Wagen aufgestellt werden. Der dortige Waldabschnitt ist in Besitz der Gemeinde. Etwa 15.000 Euro werden für die Bereitstellung des Geländes benötigt. So sollen laut Gemeindeangaben beispielsweise Hackschnitzel auf dem Platz um den Bauwagen verstreut werden. "Das ist eine ideale Fläche. Die Eltern können die Parkplätze beim Tennisverein mitnutzen. Wir sind direkt im Wald und ich muss keinen größeren Holzeinschlag vornehmen", freute sich Spanberger.
Die Kosten für die Anschaffung des Wagen selbst schätzt die Gemeinde auf 65.000 Euro. Dieser kommt von einer Leipziger Firma, die bereits mit Postillion zusammengearbeitet und auch ähnliche Wagen an Einrichtungen in der Region verkauft hatte. Zwei Fachkräfte und eine weitere Hilfskraft, die beispielsweise ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert, reichen aus, um die Kinder zu betreuen. Bürgermeister Spanberger sprach von geschätzten Kosten von etwa 200.000 Euro pro Jahr für Personal- und Sachaufwendungen – ohne Zuweisungen. Die Beiträge für die Betreuung werden von der Gemeinde festgelegt.
Versorgungsanschlüsse werden laut Verwaltung nahezu keine benötigt. Für den Klo-Gang wird eine Komposttoilette im Bauwagen genutzt, eine Brennstoffzelle versorgt das Gelände mit Strom und Licht. Nur ein Wasseranschluss muss verlegt werden. "Es gab Gespräche mit dem Forst und dem Tennisverein. Die wichtigsten Leute haben ihr Okay gegeben", zeigte sich der Bürgermeister zuversichtlich.
Auch die Ratsmitglieder waren überzeugt, dass der Waldkindergarten von den Familien im Ort gut angenommen wird. Stephanie Kretz (CDU) sprach von einer "Bereicherung". Lisa Martin (Freie Wähler) erhoffte sich ebenfalls positive Effekte: "Neue und alternative Lernmethoden und Lebensstrukturen sind immer wieder in aller Munde. Somit gewinnt die Gemeinde mit der Schaffung eines Waldkindergartens an Attraktivität bei jungen Familien."