Startet Prozess gegen Ärztin wegen falscher Atteste im Sommer?
Die Weinheimer Ärztin soll mit den Bescheinigungen über 28.000 Euro verdient haben.

Weinheim. (web) Die Klage gegen eine Weinheimer Ärztin, die massenhaft unrichtige Atteste ausgestellt haben soll (siehe unten), ist weiter anhängig. Das bestätigte das Amtsgericht Weinheim auf Anfrage. Die Staatsanwaltschaft Mannheim wirft der Medizinerin vor, zwischen Mai 2020 und Januar 2021 fast 4400 Urkunden ausgestellt zu haben, die die "Patienten" von der damals gültigen Maskenpflicht befreite. Die Ärztin soll den Gesundheitszustand der mutmaßlichen Maskenverweigerer entweder gar nicht erst abgefragt oder nicht überprüft haben. Einer Angestellten der Ärztin wirft die Behörde Beihilfe vor.
Die Medizinerin soll für die Atteste jeweils fünf bis acht Euro verlangt haben. Die Ermittler der Staatsanwaltschaft konnten einen entsprechenden Gesamterlös von 28.500 Euro nachvollziehen. Nach derzeitigem Stand könnten im Frühsommer Termine für die Hauptverhandlung bekannt gegeben werden. "Ein Termin konnte noch nicht bestimmt werden, da ein Verteidigerwechsel vorgenommen und noch keine Rücksprache auf unsere Terminanfragen gesendet wurde", so die Sprecherin des Amtsgerichts.
Nach übereinstimmenden Informationen handelt es sich bei der Ärztin um eine Weinheimerin, die sich schon im Frühjahr 2020 als Kritikerin der Infektionsschutzmaßnahmen von Bund und Ländern zu erkennen gegeben hatte. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes galt damals als wichtige Präventionsmaßnahme. Impfstoffe kamen erst über ein halbes Jahr später auf den Markt.
Update: Donnerstag, 5. Mai 2022, 19.14 Uhr
Stellte Medizinerin fast 4400 falsche Atteste aus?
Von Philipp Weber
Weinheim. Es gibt kaum einen besseren Weg der Behandlung, als Krankheiten gar nicht erst entstehen zu lassen. So sehen es wohl alle Ärzte. Im Falle von Covid-19 gibt es sogar einen vergleichsweise einfachen Weg der Prävention: das Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken. Das hat eine Weinheimer Ärztin jedoch anders gesehen – und daraus Konsequenzen gezogen, die strafrechtlich relevant sein könnten.
So gehen die Ermittler der Staatsanwaltschaft Mannheim davon aus, dass die Medizinerin in 4374 Fällen unrichtige Gesundheitszeugnisse ausgestellt hat. Sprich: Atteste, die fachlich falsch oder de facto gar nicht begründet waren. Die Atteste berechtigten die Antragsteller, auf das Tragen von Masken zu verzichten. Auch einer Angestellten der Ärztin droht der Gang zur Anklagebank. Ihr wirft die Staatsanwaltschaft Beihilfe vor. Sofern die Anklage zugelassen wird, dürfte die gerichtliche Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Weinheim laufen.
Das könnte bedeuten, dass man durchaus ernst zu nehmende Konsequenten für die Ärztin und ihre Gehilfin erwartet. Grob vereinfacht dargestellt, bewegt sich ein Schöffengericht in Sachen Strafmaß zwar noch unterhalb einer Strafkammer beim Landgericht, aber schon oberhalb von Fällen, bei denen ein einzelner Strafrichter beim Amtsgericht urteilt.
Bescheinigungen mit der Post und per E-Mail verschickt
Laut einer am Freitag verschickten Pressemitteilung verortet die Anklage die Anfänge des Falls im Frühjahr 2020. Es war die Zeit, als der erste Corona-Lockdown zu Ende gegangen war, drinnen zunächst Stoff-Masken getragen werden mussten – und die Querdenker-Bewegung mehr und mehr von sich reden machte. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Ärztin in der Zeit vor dem 4. Mai 2020 beschloss, jeden von der Pflicht zum Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung zu befreien, der dies wollte.
Sie machte damit auch weiter, als sich der Pandemieverlauf wieder verschlimmerte: Laut Staatsanwaltschaft ist mit einiger Sicherheit davon auszugehen, dass bis Ende Januar 2021 entsprechende Atteste ausgestellt wurden. Die Medizinerin soll den Antragstellern in den Attesten bescheinigt haben, dass das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung den Betroffenen nicht zuzumuten sei. "Die Atteste wurden ganz überwiegend für verschiedene Personen ausgestellt", erklärt Erster Staatsanwalt Marc Schreiner auf RNZ-Anfrage: Nur in Einzelfällen sei es zu Nachbestellungen gekommen, etwa weil das Attest angeblich verloren gegangen war. "In manchen Fällen wurden auch von einer Person für mehrere weitere Personen, etwa Familienmitglieder, Atteste mitbestellt", so Schreiner.
Für die Ausstellung der Atteste soll die Ärztin pro Interessent 5 bis 8 Euro verlangt haben. Die Beträge flossen auf ein Konto der Medizinerin. "Der auf diesem Konto nachvollziehbare Gesamterlös durch das Ausstellen der Atteste beläuft sich für den Zeitraum von Anfang Mai 2020 bis Ende Januar 2021 auf 28.410,21 Euro", teilt die Staatsanwaltschaft mit. "Es handelte sich um ein Konto, das im Wesentlichen für die Attestbezahlungen genutzt wurde, nicht um ein Praxiskonto", erläutert Erster Staatsanwalt Schreiner auf Anfrage dieser Zeitung.
Auf diese Weise sollen 4374 Atteste bezahlt und per Post oder E-Mail an die Interessenten gegangen sein. Keiner der Bescheinigungen soll eine ordnungsgemäße medizinische Untersuchung zugrundegelegen haben. Die Ärztin soll den Gesundheitszustand der mutmaßlichen Maskenverweigerer entweder gar nicht erst abgefragt oder nicht überprüft haben.
Die Angestellte soll der Ärztin beim Ausstellen und Verschicken der Atteste geholfen haben. "Ob ihr ein vorsätzliches Handeln mit der für eine Verurteilung erforderlichen Gewissheit nachgewiesen werden kann, bleibt der Hauptverhandlung vorbehalten", erklärt Schreiner. Aus seiner Sicht besteht ein "hinreichender Tatverdacht". Eine "medizinische Qualifikation" der Angestellten liege nach derzeitigem Erkenntnisstand jedoch nicht vor. Er gehe davon aus, dass es eine gemeinsame Verhandlung für die beiden Frauen gibt, so Schreiner: "Es steht dem Gericht aber frei, eine der beiden ,abzutrennen’ und gesondert zu verhandeln." Dies sei bislang aber nicht erfolgt.
Kürzlich stand in Heidelberg eine Frau vor Gericht, die falsche Maskenpflicht-Atteste einer Weinheimer Ärztin genutzt hatte.