Wirtschaftsbeziehungen zu Großbritannien leiden
Baden-Württemberg setzt auf Präsenz in dem ehemaligen EU-Mitgliedsstaat und eröffnet sein Büro in London.

Von Theo Westermann, RNZ Stuttgart
Stuttgart/London. Die Folgen des Brexit sind auch für Baden-Württemberg beachtlich: Laut Statistischem Landesamt sanken die Ausfuhren baden-württembergischer Unternehmen nach Großbritannien im Zeitraum Januar/Februar 2021 um 29,3 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2020. Dies ist der höchste Einbruch innerhalb der Top-Ten-Außenhandelspartner. Damit rutschte Großbritannien auf Platz acht der wichtigsten Exportnationen für Baden-Württemberg ab.
Diese Entwicklung war nach dem Brexit-Vollzug am 31. Januar 2020 absehbar. Bereits im vergangenen Jahr stellte die Landesregierung deshalb die Weichen. Am kommenden Samstag reist nun Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zusammen mit einer Delegation aus Wirtschaft und Wissenschaft nach Großbritannien. Das Ziel ist zunächst der Klimagipfel in Glasgow, aber danach geht es nach London. Am Montagabend, 8. November, wird die Eröffnung eines eigenen Büros des Landes in der britischen Hauptstadt gefeiert. Es soll künftig im Wesentlichen eine Anlaufstelle sein für die britische Wirtschaft, die an Baden-Württemberg interessiert ist, sowie für die Wirtschaft aus dem deutschen Südwesten, die sich in Großbritannien engagieren möchte.

"Der Brexit ist ein tiefer Einschnitt in die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen der EU. Viele Dinge sind komplizierter und umständlicher geworden", so Florian Hassler (Grüne). Der Europa-Staatssekretär im Staatsministerium, erklärt gegenüber unserer Redaktion: "Ohne Brexit gäbe es das Büro nicht. Die Idee ist 2020 im Staatsministerium entstanden, weil wir im Land an vielen Stellen eng mit Vereinigten Königreich verbunden sind und eine neue Plattform zum Austausch brauchen."
Baden-Württemberg ist nicht das erste Bundesland, dass derartige Konsequenzen aus dem Brexit zieht. Im Juni 2018 eröffnete Nordrhein-Westfalen, traditionell auch wirtschaftlich eng mit Großbritannien verbunden, bereits zwei Jahre nach dem Brexit-Votum der Briten 2016 ein eigenes Büro in London. Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verkündete 2019 ähnliche Pläne, doch die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben bisher die Eröffnung verhindert.
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In der Stuttgarter Staatskanzlei hat man sich das Beispiel NRW angeschaut, hat aber sein Projekt anders ausgerichtet, etwa nach dem Vorbild der bestehenden Auslandsbüros des Landes in China, Indien oder den USA. "Wir haben einen Dienstleistungsauftrag ausgeschrieben – und dies mit sehr genauen Vorstellungen. Und BW-International hat einen sehr überzeugenden Vorschlag vorgelegt", erklärt Hassler. Die "Baden-Württemberg-International – Gesellschaft für internationale wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit mbH", zu deren Gesellschaftern neben dem Land die L-Bank sowie die Verbände von Industrie, Handwerk und Handel gehören, musste sich dafür einer europaweiten Ausschreibung stellen – und setzte sich durch.
Es gibt demnach keine teure repräsentative Immobilie im sowieso hochgradig teuren London, sondern eine dezentrale Struktur mit einem angemieteten Co-Working-Space. Es wird eng zusammengearbeitet mit Kooperationspartnern, etwa dem Londoner Standortmarketing "London & partners" sowie "Scottish Development International", aber auch der britischen Handelskammer.
An der Spitze des Auslandsbüros steht eine Repräsentantin. Dafür ausgewählt wurde die Britin Nicola Pinder, die bisher bei "London&partners" gearbeitet hat, so Hassler. Dass Baden-Württemberg in der Weltmetropole London mithalten kann, ist er überzeugt.



