Mannheim

Thema Mutterschaft in der Kunsthalle

Bild der Mutter im Wandel: Die Kunsthalle Mannheim versammelt internationale Werke zum Thema Mutterschaft in der Kunst.

30.09.2021 UPDATE: 01.10.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 14 Sekunden
René Magritte: L’Esprit de géométrie, 1937. Foto: Tate Images

Von Susann Behnke-Pfuhl

Mannheim. In ewige Zwiegespräche mit ihren Töchtern und Söhnen verstrickt, sind Meryl Streep, Diane Keaton, Julia Roberts, Susan Sarandon, Faye Dunaway und Shirley MacLaine. Die parallel laufenden Filmszenen in Candice Breitz’ Installation zeigen dabei die unterschiedlichsten Typen: die kämpferische, die schuldbeladene, die genervte und die redegewandte Mutter, die wohl immer das letzte Wort behält.

Die Themenausstellung "Mutter!" in der Mannheimer Kunsthalle versammelt 150 internationale Werke, die sich den Wahrnehmungen von Mutterschaft in der Kunst widmen. Sie wurde zusammen mit dem dänischen Louisiana Museum of Modern Art konzipiert. Mit Werken vornehmlich des 20. Jahrhunderts von Paula Modersohn-Becker, Louise Bourgeois, Yoko Ono, Tracey Emin und Valie Export zeigt die Schau, wie die traditionelle Mutterrolle in Frage gestellt wird und das Bild der Mutter sich einem Wandel unterzieht.

Kunstgeschichtliche Madonnendarstellungen prägen unsere Vorstellung des Mutterseins, das von Fürsorglichkeit und Liebe gekennzeichnet ist. Im Madonnenbild des niederländischen Malers Dieric Bouts (nach 1454) sind Mutter und Kind einander harmonisch zugewandt. In dieser Tradition befangen, ist eine um Jahrhunderte später entstandene Fotografie der Sängerin Beyoncé, die sich und ihre Zwillinge von dem Künstler Mason Poole abbilden ließ: mit Blumen umkränzt in blau-purpurner Robe posiert sie vor paradiesischem Garten. Dabei hält sie nicht nur ein Baby im Arm, sondern gleich zwei – die Übermutter schlechthin.

Sehr viel realistischer ist da die wiederentdeckte New Yorker Malerin Alice Neel, die berührend eine erschöpfte, alleinerziehende Mutter abbildet. Von der Überbetonung der Mutterschaft handelt die Fotoserie "Mein Hund ist süßer als dein hässliches Baby" der baltischen Künstlerin Elina Brotherus. Die drastischen Bilder erzählen von einem misslungenen Versuch künstlicher Befruchtung. Rineke Dikstra zeigt in direkter Manier ihre sichtlich vom Geburtsakt gezeichnete Protagonistin in OP-Wäsche.

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Mit der Geburt als Lebensanfang haben sich erstaunlich wenige Philosophen beschäftigt, der Tod war immer viel gegenwärtiger. Wie die dänische Kuratorin Marie Laurberg im Katalog schreibt, hat die Philosophin Hannah Arendt in "Vita activa" (1958) "das Geborensein" als Beginn eines Lebens voller Möglichkeiten gesehen. Diese Offenheit für positive Veränderungen ist auch in Laure Prouvosts immersivem Environment zu spüren: Der Besucher findet sich in einem Spiegelkabinett wieder, in dem ein riesiges Kraken-Muttertier mit Brüsten als Saugnäpfen sowohl furchteinflößend als auch trostspendend wirkt.

Dem Thema der mütterlichen Fürsorge ist die letzte Sektion der Ausstellung gewidmet. Sie zeigt gravierende Vernachlässigungen von Kindern ebenso wie Kindsmörderinnen. Ein Video der wenig gezeigten Land Art-Künstlerin Ana Mendieta ist zu sehen, indem sie ihre Körperumrisse in den Boden brennt, um sich ihrer Identität zu versichern. Mit elf Jahren wurden sie von ihrer regimekritischen Familie in Kuba getrennt und in die USA gebracht. Die Kindsmörderin Medea wird von Anselm Feuerbach 1871 abgebildet und zeigt die von ihrem Ehemann Jason Betrogene, die ihre Kinder aus Rache umbrachte. Höhepunkt ist das Video des isländischen Shootingstars Ragnar Kjartansson, in dem ihn seine Mutter, eine Schauspielerin, temperamentvoll bespuckt und der Künstler dies mit Würde trägt. Eine gute Beziehung hält offenbar sogar das aus.

In zwei spannenden Arbeiten aus dem New York der achtziger und neunziger Jahre werden queere Familienstrukturen und Regenbogenfamilien vorgestellt. In ihren communities übernehmen ältere trans* Personen die Rolle einer Mutter mit fürsorglichen Qualitäten. Diese werden nicht zwangsläufig einer heterosexuellen Frau zugesprochen. Damit wird die biologische Mutterschaft in Frage gestellt.

In Mannheim kann eine hochkarätige Ausstellung besichtigt werden, die sich Fragen des menschlichen Zusammenlebens, transgenerationalen Beziehungen und neuen Lebensmodellen widmet: von der Gegenwart bis zurück zur Klassischen Moderne.

Info: Kunsthalle Mannheim, bis 6. Februar. Geöffnet dienstags, donnerstags bis sonntags und feiertags 10-18 Uhr, mittwochs 10-20 Uhr.

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