Bewegende Ausstellung "Mindbombs" über Terror
Können wir uns sicher fühlen? Visuelle Kulturen politischer Gewalt.

Von Susann Behnke-Pfuhl
Mannheim. An die erschütternden Ereignisse vom 11. September 2001 hat jeder seine eigenen Erinnerungen. Die apokalyptischen Bilder der brennenden Zwillingstürme überstiegen fast das menschliche Fassungsvermögen. Die 20 Jahre zurückliegenden Anschläge in New York sind Anlass für die Mannheimer Kunsthalle in ihrer Ausstellung "Mindbombs" visuelle Kulturen politischer Gewalt zu hinterfragen und sich dabei auch mit dem Phänomen des Terrorismus auseinanderzusetzen.
Die Ausstellung spannt dabei den Bogen von den Gräueltaten der Französischen Revolution über die RAF und den IS bis hin zum NSU-Komplex. Politische Gewalt als modernes Phänomen nutzt Bilder, die wie Waffen eingesetzt werden. Der Begriff "Mindbombs" geht zurück auf den Medientheoretiker Marshall McLuhan. In den achtziger und neunziger Jahren bedient sich Greenpeace seiner Theorie und entwickelt radikale Werbekampagnen, um auf ökologische Probleme aufmerksam zu machen. In Mannheim bezieht sich das Wort Mindbombs sowohl auf die visuelle Propaganda als auch die künstlerischen Perspektiven.
Die Geschehnisse während der Französischen Revolution zeigen anonyme kolorierte Kupferstiche mit Enthauptungsszenen und Darstellungen der Guillotine, wie sie von Geschichts- und Schulbüchern bekannt sind. Auch Werke zum Thema der Ermordung des Revolutionsführers Jean Paul Marat sind zu sehen. Wie der Kurator Dr. Sebastian Baden sagt, verwendet man seit dieser Zeit den Begriff des Terrorismus. Der neue Staat wurde mit "terreur" eingeführt.
Den Imperialismus der europäischen Staaten in Übersee reflektiert Édouard Manets berühmtes Ölbild von der "Erschießung Kaiser Maximilians" (1868-69). Im gleichen Raum prangert die Bodeninstallation von Nathalie Schmidt die kolonialistische Ausbeutung und den Genozid an den Herrero und Nama in Deutsch-Südwestafrika an. Auf den Terror des Dritten Reiches verweist die Arbeit von Jean Lebel, der in einer Vitrine verbrannte Schuhe aus der Nähe von Auschwitz ausstellt.
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Ein Bild von den Aktivitäten der extremistischen Roten Armee Fraktion, die im Herbst 1977 Deutschland in Angst und Schrecken versetzte, gibt die "RAF-Ecke". Drei prägnante Porträts von Christof Kohlhöfer erinnern an den entführten Hanns Martin Schleyer, der trotz seiner Vergangenheit als SS-Führer in die Position des Präsidenten der Arbeitgeberverbände aufgestiegen war. Ein Video zeigt Helmut Schmidts denkwürdige Rede im Bundestag, mit der er dem Terrorismus die Stirn bot und nicht weiter auf die Erpressungsversuche der RAF einging. Auch Gerhard Richters naiv-verklärtes Porträt von Ulrike Meinhof ist hier zu finden. Die Ausschlachtung des Themas in den Schlagzeilen der "Bild" zeigt Wolf Pehlke.
Den dschihadistischen Terrorakten in New York und ihrer Präsenz in den Medien widmet sich Thomas Ruff mit seiner stark in Bildpixel aufgelösten Ansicht der brennenden Hochhäuser. Auch Richters verwischter Druck "September" gibt dem Medienereignis die unwirkliche Note, die es in den Köpfen vieler zunächst hatte. Dem Phänomen einer eingehenden Beschäftigung mit dem dschihadistischen Terrorismus in der Presse und einem global zugenommenen antimuslimischen Rassismus widmet sich Kader Attias raumgreifende, beeindruckende Arbeit "Die Kultur der Angst: Eine Erfindung des Bösen": Bis unter die Decke gehen die Regale, auf denen verschiedene Publikationen mit plakativen Titelseiten liegen, die deutlich manipulativ ein Feindbild vom Anderen erzeugen.
Erst 2011, als die rechte Terrorzelle NSU aufgedeckt und das Versagen des deutschen Staates und seiner Organe offensichtlich wurde, wendete sich die Öffentlichkeit verstärkt der Bedrohung durch rechtsextreme Taten zu, die auf der Ideologie des Nationalsozialismus gründen. Paula Markert rekapituliert in ihrer düsteren Reise durch Deutschland die Mordserie des NSU. Henrike Naumann gestaltet beklemmende Wohnzimmereinrichtungen als Geburtsstätten extremer Ideen. In ihren Filmen beschäftigt sie sich mit den Hintergründen der Radikalisierung von Jugendlichen.
Zu Recht stellt Ariel Reichman in seinem partizipativen Werk die Frage, ob wir uns angesichts extremistischer Bedrohungen noch sicher fühlen können: "Am I safe?"
Info: Kunsthalle Mannheim, bis 24. April. Geöffnet dienstags, donnerstags bis sonntags und feiertags 10 bis 18 Uhr, mittwochs 10 bis 20 Uhr. 1. Mittwoch im Monat 10 bis 22 Uhr.