Ein Neckarwiesen-Krawallmacher ist verurteilt
Der 18-Jährige muss für ein Jahr und drei Monate in Haft und bekommt keine Bewährung.

Von Jonas Labrenz
Heidelberg. Die Krawalle auf der Neckarwiese am Pfingstwochenende erschütterten Polizei und Stadtgesellschaft gleichermaßen. Ein Mob fiel über die Corona-Teststation an der Theodor-Heuss-Brücke her, zerstörte zwei Imbissstände und warf Flaschen auf Polizisten.
Zwei Beamte wurden verletzt, mehrere Einsatzfahrzeuge beschädigt. An den darauffolgenden Wochenenden wurden Aufenthaltsverbote ausgesprochen, es kam auf der Wiese selbst und in der Stadt immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Randalierern und der Polizei.
Bereits acht Wochen nach den Pfingst-Krawallen ist am Mittwoch ein 18-Jähriger wegen besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden – ohne Bewährung. Der Mann aus einer kleinen Ortschaft nahe Bruchsal hatte gestanden, mit einem Elektroroller und einer Holzplanke das Corona-Testzentrum auf der Neckarwiese demoliert und mit einer Flasche nach Polizeiautos geworfen zu haben.
Über Instagram und Snapchat – also soziale Medien – hätten er und ein Freund davon erfahren, dass man auf der Heidelberger Neckarwiese feiern könne, erklärte der 18-Jährige vor Gericht. Ende Mai war die Corona-Inzidenz in Heidelberg viel niedriger als in anderen Städten und Landkreisen, entsprechend galten verhältnismäßig wenig Einschränkungen. "Als wir ankamen, haben wir schon eine große Menschenmenge gesehen", berichtete der Angeklagte. Das war gegen 23 Uhr. "Wir wussten nicht, was abgeht." Von einer Gruppe habe er Alkohol bekommen. "Ich war gut angesoffen."
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Bereits eine Stunde vor der Ankunft des 18-Jährigen war die Stimmung auf der Neckarwiese gereizt, berichtete ein Polizeibeamter, der kurz nach 22 Uhr wegen einer Schlägerei auf die Wiese beordert worden war. "Wir sind beim Aussteigen schon verbal angegangen worden", so der 36-Jährige. Ein Mann mit nacktem Oberkörper sei auf ihn und seine Kollegen zugekommen, habe sich dabei auf die Brust geschlagen und gerufen: "Was wollt ihr von mir?" Die Polizisten zogen sich zurück, riefen Verstärkung und stimmten sich mit dem Kommunalen Ordnungsdienst ab. Als die sogenannte Stresserbeleuchtung angeschaltet wurde – die fest installierten Lampen leuchten die Neckarwiese taghell aus –, seien die Menschen von der Kastanienallee bei den Parkplätzen "tratschend, singend und grölend" auf die Wiese gegangen, so der Polizist.
In der Uferstraße neben der Neckarwiese fuhren Autos mit aufheulenden Motoren, die Menschen machten Krach, die Musik sei so laut gewesen, als käme sie aus einer professionellen Anlage. Um dem nachzugehen, habe der Polizist dann "einen Fuß auf die Wiese gesetzt". Bis heute könne er sich nicht erklären, was dann geschah, berichtete er im Gerichtssaal.
"Es wurde geschrien und Hunderte liefen los." Plötzlich flogen Flaschen, die Beamten zogen sich zurück, jede verfügbare Streife war mittlerweile eingetroffen. Mit den 25 Autos, die zwischen Theodor-Heuss-Brücke und den Krawallmachern geparkt waren, fuhren sie über die Wiese, um zu drehen und an der Wasserschachtel wieder auf die Straße zu kommen.
Als die Polizeiautos am Neckar entlang fuhren, schnappte sich der 18-jährige Angeklagte eine Glasflasche und warf sie in Richtung der Autos. "Alle haben einem zugejubelt, als hätte man ein Tor geschossen", sagte er. Als die Polizisten weggefahren waren, habe einer geschrien: "Heidelberg gehört jetzt uns!" Dann stürzten sich die Menschen auf die Teststation und die Schaustellerbuden. Mit einem Holzpfahl schlug der Angeklagte erst auf den Rollladen ein und zerstörte dann das Fenster. Auch einen Elektroroller warf er mit Schwung dagegen – alles "unter Adrenalin".
Die Polizei rückte nach einer Dreiviertelstunde wieder an, viele Krawallmacher flüchteten und die letzten konnten mit einer Polizeikette von der Wiese vertrieben werden. Als der Angeklagte und sein Kumpel gegen vier Uhr zum Bahnhof gingen, wurden sie von der Polizei kontrolliert – und die Beamten machten Fotos von ihnen.
Bereits am Pfingstsonntag gründete die Polizei die "Ermittlungsgruppe Neckarwiese". Durch die vielen Videos, die Privatleute während der Krawalle aufgenommen und in sozialen Medien hochgeladen hatten, konnte die Polizei durch den Abgleich der Bilder mit denen der nächtlichen Kontrollen den Angeklagten identifizieren. In den Morgenstunden des 1. Juni wurde er verhaftet.
"Es geht nicht darum, ein Exempel zu statuieren, sondern nur um Ihre Person", sagte die Vorsitzende Richterin des Jugendschöffengerichts, Nicole Bargatzky, bei der Urteilsbegründung in Richtung des Angeklagten. Keine der Vorstrafen und anhängigen Verfahren habe ihn bisher beeindruckt. Was er auf der Wiese gemacht habe, "das war kein Spontanentschluss, das ist ein Verhalten, das in Ihnen ist". Für den Angeklagten habe kein Zweifel bestanden, auf welcher Seite er stehe. Man müsse hier ganz klar von "schädlichen Neigungen" sprechen. Diese sind die Voraussetzung dafür, dass auch bei dem am Erziehungsgedanken orientierten Jugendstrafrecht eine Freiheitsstrafe verhängt werden kann.



