Ab 23 Uhr wird die "Stresserbeleuchtung" aufgedreht
Stadt appelliert: Auf Abschlussfeiern verzichten - "Irgendwo müssen die jungen Leute ja hin"

Von Sarah Hinney
Heidelberg. Unterricht unter Corona-Bedingungen und jetzt nicht einmal eine ordentliche Party zum Abschluss – die diesjährigen Schülerinnen und Schüler haben es nicht leicht. Mit dem dringenden Appell, auf Schulabschlussfeiern auf der Neckarwiese zu verzichten, haben sich jetzt auch noch Oberbürgermeister Eckart Würzner und Polizeipräsident Andreas Stenger in einem gemeinsamen Schreiben an die Schulen gewandt. Traditionell treffen sich am letzten Tag vor den Sommerferien die Jugendlichen auf dem "Neckarvorland". Das soll dieses Jahr verhindert werden.
Der Grund: Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als 20 Personen sind derzeit nicht gestattet, zu anderen Personen ist ein Mindestabstand von anderthalb Metern einzuhalten. Polizei und OB kündigen an, dass Polizei und kommunaler Ordnungsdienst (KOD) streng kontrollieren werden. Zuwiderhandlungen würden konsequent verfolgt, der Bußgeldrahmen liege zwischen 100 und 1000 Euro. "Am letzten Schultag werden wir die Situation vor Ort genau beobachten", sagte ein Stadtsprecher auf Anfrage der RNZ. Sollte sich herausstellen, dass sich auf der Neckarwiese doch große Schülergruppen treffen, "dann werden wir schnell vor Ort sein".
Die Neckarwiese ist in den vergangenen Wochen auch ohne feiernde Schüler ein großes Thema. Hunderte Menschen treffen sich an Sommerabenden am Flussufer. Zu später Stunde wird der Lärm für die Anwohner unerträglich. Polizei und KOD haben die Wiese deshalb an vergangenen Wochenende mehrfach in der Nacht geräumt. Silvia Zipperle lebt seit 1974 in Heidelberg. Für sie sind die Schüler im Moment das geringste Problem, sie leidet unter der Gesamtsituation. "Im Moment ist es schlimmer als jemals zuvor", sagt Zipperle. Dabei geht es ihr nicht nur um die Lautstärke, sondern auch darum, wie "aggressiv" sich einige Neckarwiesenbesucher in ihren Augen verhalten. Viele kämen von außerhalb. "Es muss jetzt etwas passieren, sonst haben wir hier bald Stuttgarter Verhältnisse", befürchtet die Anwohnerin.
Die Stadt hat schon einiges getan, um die Situation zu verbessern. Unter anderem wurde 2018 eine Beleuchtung installiert. Genau die kommt jetzt zum Einsatz. "Ab 23 Uhr drehen wir künftig das Licht auf", kündigt der Stadtsprecher an. Die Hoffnung sei, dass zahlreiche Besucher die Neckarwiese dann freiwillig verlassen. Zusätzlich werden ab 23 Uhr KOD und Polizei dafür sorgen, dass Musikboxen ausgeschaltet werden. Damit wolle man auf das Ruhebedürfnis der Anwohner reagieren. Der Stadtsprecher sagte aber auch, dass in der Verwaltung breite Einigkeit darüber bestehe, dass beide Seiten gesehen werden müssten: "Ja, es gibt dieses Jahr einen Besucherzuwachs, aber das ist auch nachvollziehbar. Selbst im Schwimmbad muss man sich Tage vorher anmelden. Irgendwo müssen die jungen Leute ja hin."
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Dass es hier einen Konflikt zwischen dem Ruhebedürfnis der Anwohner und den Nutzern der Wiese gebe, sehe man durchaus. Doch einen Ausgleich zu finden, sei schwer. "Und es kann nicht die Lösung sein, die Neckarwiese allzu restriktiv abzuriegeln", so der Stadtsprecher. Dass auch viele Menschen von außerhalb zur Neckarwiese kämen – wie Anwohnerin Zipperle vermutet – bestätigt man vonseiten der Stadt, das sei aber kein neues Phänomen. Und eine Gefahr von Gewaltausbrüchen ähnlich wie in Stuttgart oder Frankfurt sehe man nicht.



