Busfahren in der Stadt kostet bald nichts mehr
Ab 1. Januar ist dies auf allen Linien möglich. Eine Tarifreform des Verkehrsverbundes macht es möglich.

Von Timo Teufert
Walldorf. Ab dem 1. Januar 2022 braucht man für Busfahrten innerhalb Walldorfs keinen Fahrschein mehr: Das hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am Dienstag einstimmig auf Antrag der SPD-Fraktion beschlossen. Damit ist Walldorf die erste Stadt in Baden-Württemberg, die ein solches Angebot einführt. Mit dem kostenlosen Nahverkehrsangebot sollen Autofahrer animiert werden, auf den Nahverkehr umzusteigen und ihr Fahrzeug für innerörtliche Fahrten stehenzulassen. Nach zwei Jahren soll geprüft werden, wie sich die Fahrgastzahlen entwickelt haben. Für die Stadt belaufen sich die Kosten für das Projekt auf rund 53.000 Euro pro Jahr.
Schon länger bestand der Wunsch in der Astorstadt, den Nahverkehr innerhalb der Stadtgrenzen kostenlos zu machen. Bisher hatte aber immer der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) etwas dagegen. Deshalb wurde auf Antrag der SPD bereits 2012 beschlossen, die Mehrfahrtenkarten für Walldorfer Bürgerinnen und Bürger ab Mai 2013 mit 50 Prozent zu bezuschussen. Seine bislang ablehnende Haltung hat der VRN mittlerweile aufgegeben: Zum 1. Januar 2022 soll eine Tarifreform in Kraft treten, bei der das bisherige Wabensystem verschlankt werden soll. Die Preisstufen 0 bis 2 werden dabei zu "Orts- und Stadttarifen" zusammengefasst. "Dies würde den Kommunen ermöglichen, diese Ortstarife günstiger zu gestalten, sofern sie bereit sind, die hierbei entstehenden Mindereinnahmen auszugleichen", heißt es in der Verwaltungsvorlage. Dies beinhalte auch die Möglichkeit, dass eine Kommune den Fahrpreis nicht nur reduziere, sondern diesen vollumfänglich subventionieren könne.
"Einfach einsteigen, so sehen wir die Zukunft des Nahverkehrs in Walldorf. Wir sind überzeugt, dass es aus sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Gründen einer Verkehrswende bedarf, deren größte Anstrengung die Stärkung des Nahverkehrs sein muss", erklärte der SPD-Fraktionsvorsitzende Manfred Zuber. Seit 2004 kämpfe seine Fraktion für das kostenlose Busfahren in Walldorf. Nach der ablehnenden Haltung des VRN beim ersten Vorstoß habe man bei den Arbeiten für das Leitbild der Stadt, das im Januar 2020 beschlossen wurde, die Wiederaufnahme des Antrags beschlossen.
"Busfahren ist auch wichtiger Baustein des Mobilitätspaktes Walldorf-Wiesloch. Wir erwarten durch das kostenlose Busfahren eine deutliche Reduzierung der Autofahrten von und zur Stadtmitte, zum Bahnhof, ins Industriegebiet sowie zum Sport- und Freizeitzentrum", sagte Zuber. Zudem erhofft man sich einen Rückgang der Eltern-Taxen. Um den Autoverkehr in Walldorf aber generell zu reduzieren, reiche es nicht aus, den Busverkehr nur für Walldorferinnen und Walldorfer kostenlos zu machen: "Das Busfahren muss für alle Fahrgäste innerhalb unserer Gemarkung und bis zum Bahnhof kostenlos sein."
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Grundlegende Veränderungen hin zu einer umweltfreundlicheren und auch sozialeren Mobilität seien ohne Einbeziehung des öffentlichen Nahverkehrs undenkbar, erklärte Mathias Pütz, Fraktionsvorsitzender der CDU. "Datenerhebungen zeigen, dass wesentliche und kritische Faktoren für die Bewertung der Fortbewegungsmittel Bus und Bahn die verbesserungswürdige Flexibilität, aber auch die Preisgestaltung sind", so Pütz. Aus Gründen der Umsetzung des Antrages habe die CDU dem Vorhaben zum Teil skeptisch gegenüber gestanden, auch wenn der Ansatz durchaus auf Zustimmung stieß. "Die heutige Vorlage zeigt auf, inwiefern beispielsweise die Veränderung der Tarifberechnung beim VRN dem Ansinnen kostenlosen Busfahrens nach einem etwas längeren Zeitraum von gut zwei Jahren entgegenkommt", so Pütz. Deshalb stimme man dem Antrag zu. "Das kostenlose Busfahren in Walldorf ist ein wesentlicher Schritt und zugleich selbstbewusster Versuch, das entsprechende Angebot attraktiver zu gestalten. Neben der prinzipiellen Förderung der Maßnahme im Sinne der Bevölkerung entsprechen wir auch den besonderen Bedürfnissen unserer Stadt als überdurchschnittlich stark vom innerörtlichen Verkehr belasteten Kommune", sagte Pütz. Sofern man einen nachweislich positiven Effekt erzielen könne, halte die CDU die angelegten Finanzmittel für richtig investiert. "Eine erneute kritisch-fundierte Bewertung der Maßnahme nach gegebener Zeit wäre natürlich unerlässlich", so Pütz.
Wilfried Weisbrod, Fraktionschef der Grünen, lobte den Antrag als sehr sinnvoll: "Wenn die Busse tatsächlich kostenlos angeboten werden, dann wird es eine Verkehrsverlagerung geben. Das erwarten und das hoffen wir", erklärte Weisbrod. Er mahnte aber an, dass das neue Angebot auch beworben werden müsse, damit die Bürger es mitbekommen. Wie Pütz sprach sich auch Weisbrod für eine Evaluation aus: "Wir müssen wissen, ob tatsächlich eine Erhöhung der Fahrgastzahlen stattfand." Er sei überzeugt, dass das Angebot langfristig ein Weg sei, mit dem man etwas erreichen könne.
"Der Nahverkehr birgt eine große Hoffnung im Kampf gegen den Klimawandel und für bessere Luft in unseren Städten", sagte Günter Lukey (FDP). Der Ausbau der Buslinien, eine engere Vertaktung und eine rege Bürgerbeteiligung, in der die Wünsche und Anregungen der Bürger berücksichtigt würden, hält seine Fraktion für eine grundlegende Voraussetzung für das Gelingen der Verkehrswende. "Ziel sollte sein, alle Mitbürger davon zu überzeugen, für Fahrten unter 15 Kilometer das eigene Auto in der Garage zu lassen und den Nahverkehr zu benutzen", sagte Lukey. Wie Weisbrod verwies er auf die Stadt Monheim in Nordrhein-Westfalen, in der seit April 2020 ein Modellversuch mit kostenlosem Busfahren läuft. Im bayerischen Pfaffenhofen gibt es diesen bereits ebenfalls: "Dort hat sich seit Dezember 2020 die Zahl der täglichen Fahrgäste mehr als verdoppelt." In Augsburg sei man bereits einen Schritt weiter: "Dort überlegt man, eine Mobil-Flatrate einzuführen. Also ein Paket zum geringen Festpreis für Carsharing, Leihfahrrad und E-Scooter." So weit denke man in Walldorf momentan noch nicht. "Nach einem erfolgreichen Testlauf könnte sich die FDP-Fraktion auch die Einbindung von Jahres- und Zeitfahrkarten für Pendler vorstellen", so Lukey.
Petra Wahl (SPD), die in ihrem Bürgermeisterwahlkampf das Thema kostenloses Busfahren oben auf der Agenda hatte, sagte abschließend: "Es macht mich froh und glücklich, dass es hier vorangeht. Das ist ein Meilenstein in der Mobilitätswende, ein Vorbild für die ganze Region."



