Der Klimaschutzaktionsplan bringt deutlich weniger als erhofft
Das Gutachten des Institutes für Energie- und Umweltforschung attestiert den meisten Maßnahmen der Stadt, dass sie nur einen geringen Effekt auf den CO2-Ausstoß haben.

Von Denis Schnur
Heidelberg. Als der Gemeinderat 2019 den "Klimaschutzaktionsplan" beschlossen hatte, feierten sich die Verwaltung und das Stadtparlament selbst für das ambitionierte 30-Punkte-Programm. Sogar von anwesenden "Fridays for Future"-Aktivisten gab es Applaus. Doch nun, gut eineinhalb Jahre später, zeigt ein Gutachten, dass die beschlossenen Maßnahmen deutlich weniger CO2-Ersparnis bringen, als viele gehofft hatten – und als nötig wäre, um Heidelberg bis 2030 klimaneutral zu machen, wie es OB Eckart Würzner als Ziel formulierte.
Für das Gutachten untersuchten Forscher des Institutes für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) all jene Maßnahmen unter den 30 Punkten, deren Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß sich berechnen lassen. Denn im Aktionsplan finden sich auch Punkte – etwa die Einführung eines Klima-Ausschusses – die sich nur indirekt auf die Emissionen auswirken.
Zudem blieb im Gutachten der komplette Verkehrsbereich erst mal außen vor, da dem Ifeu dafür laut Stadtverwaltung die Kapazitäten fehlten. Damit untersuchten die Forscher insgesamt elf Maßnahmen – darunter zwei, von denen man sich eigentlich einen hohen Nutzen für den Klimaschutz verspricht: Eine ambitionierte Sanierung alter Gebäude und eine Umstellung der Fernwärme auf erneuerbare Energien. Hinzu kommen Punkte wie der massive Ausbau der Solarenergie, die Erhöhung des Bio-Anteils beim Essen in Schulen und Kantinen, die Pflanzung von 3000 zusätzlichen Bäumen in "Klimawäldchen" sowie eine nachhaltigere Gestaltung öffentlicher Veranstaltungen.
Doch all diese Punkte sorgen selbst im optimistischsten Szenario für eine Reduktion der Treibhausgase im Vergleich zu 2017 von gerade mal 14 Prozent, im pessimistischen Szenario sind es nur sechs Prozent. Den größten Nutzen attestieren die Forscher der Gebäudesanierung. Die müsste jedoch sofort auf jährlich 2,5 Prozent der Heidelberger Bauten verdoppelt werden, damit man dort eine CO2-Ersparnis von 7,6 Prozent erzielt. Der zweite große Punkt ist die Umstellung auf "grüne" Fernwärme. Wenn die Hälfte des Wärmebedarfs aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt und in absehbarer Zeit auf Steinkohle verzichtet werde, könne man in diesem Bereich bis zu fünf Prozent CO2 einsparen. Der geplante Ausbau der Solarenergie um 25 Megawatt würde immerhin eine Ersparnis von einem weiteren Prozent beisteuern. Alle anderen Maßnahmen wirken dagegen marginal: Die "Klimawäldchen" reduzieren den CO2-Ausstoß etwa um 0,001 Prozent, das Bio-Essen in den Kantinen um 0,01 Prozent.
Auch interessant
Während die Wissenschaftler diese Erkenntnisse in ihrem Gutachten sachlich aufzählen und am Ende auf weitere Maßnahmen mit hohem Einsparpotenzial hinweisen wie die Ausweitung der Fernwärme oder die Sanierung der Uni-Gebäude in der Stadt, sorgte das Papier bereits für heftigen Streit in der Kommunalpolitik. Die Grünen argumentierten mit dem damals noch vertraulichen Dokument, als sie vergangene Woche in den Haushaltsverhandlungen mehr Eigenkapital für die Stadtwerke forderten, damit diese etwa in den Ausbau der Fernwärme investieren könne – sehr zum Ärger von OB Würzner (die RNZ berichtete).
Und auch die Klimaschutz-Bewegung "Fridays for Future" zeigt sich enttäuscht von den bisherigen Bemühungen der Stadt: "14 Prozent Reduktion sind ein Armutszeugnis für die ,Klimahauptstadt’ Heidelberg", erklärt Sprecherin Nadine Theisen der RNZ. Selbst für die Maßnahmen mit dem größten Einsparpotenziel – die Fernwärmeumstellung und die Verdopplung der Sanierungsrate – seien im Haushaltsentwurf, über den der Gemeinderat am Donnerstag (16 Uhr, Live-Übertragung im Rathaus) abstimmt, zu wenig Mittel vorgesehen. "Jeden Tag verlieren Menschen wegen der Klimakrise ihre Lebensgrundlage, während wir über Bionudeln und Klimawäldchen diskutieren", so Theisen.
Deshalb will die Bewegung mit einer Kundgebung vor der Sitzung nochmal Druck auf den Gemeinderat machen und ruft für den 9. Juli wieder zu einer Großdemonstration auf: "Solange Klimagerechtigkeit nicht in den Haushalt kommt, bringen wir sie auf die Straße!"