Hilfe für den bedrohten Schlossgarten
Experten reaktivieren ehemalige Baumschule in Schwetzingen - Jungbäume sollen resistenter werden gegen den Klimawandel

Von Anna Manceron
Schwetzingen. Gerade einmal kniehoch ist die kleine Buche, auf deren zarten, hellgrünen Blättern zwei Marienkäfer herumturnen. Ein Stab aus Bambus dient ihr als Stütze, um dem Sonnenlicht entgegen zu wachsen. Wenn alles gut geht, wird sie später einmal einen jener gestandenen, alten Bäume im Schwetzinger Schlossgarten ersetzen, die die vergangenen Jahre nicht überlebt haben. Die berühmte historische Gartenanlage ist massiv vom Klimawandel bedroht – vor allem seit dem Hitzesommer 2018. Die anhaltende Trockenheit setzt die Pflanzen unter Stress und hat dafür gesorgt, dass ein Teil der Bäume bereits abgestorben ist. Davon betroffen sind vor allem die großen, alten Bäume, die teilweise mehr als 200 Jahre alt sind.
Für Hartmut Troll steht deshalb fest: "Wir müssen Bäume finden, die das veränderte Klima aushalten." Der gebürtige Österreicher arbeitet für die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg und leitet dort den Bereich Historische Gärten. Um den Schwetzinger Schlossgarten zu retten, wollen er und seine Kollegen die ehemalige Baumschule am Rande des Schlossgartens wiederbeleben. Dort sollen Bäume gezogen werden, die "bei Trockenheit nicht gleich erschrecken", wie Troll sagt. Die Hoffnung der Gartenbauexperten: Wenn die Bäume in Schwetzingen gezogen werden, passen sie sich von Anfang an den dortigen Bedingungen an.
Mit der Wiederbelebung der Baumschule schließe man aber auch an eine alte Tradition an, betont der Gartenkonservator. Über Generationen hinweg gehörte die Baumschule zum Schlossgarten, ihre Existenz wurde erstmals im 18. Jahrhundert nachgewiesen. Damals diente sie vor allem dazu, den großflächigen Schlossgarten mit Bäumen zu versorgen. Viele Gehölze, die heute noch dort stehen, stammen aus der ehemaligen Baumschule. Darüber hinaus war sie eine Art Versuchslabor für die Ansiedelung ausländischer Baumarten, zum Beispiel aus Amerika und Asien. "Die Baumschulen waren damals schon so etwas wie eine Klimaanpassungsstation", erklärt Troll. Mit dem kleinen Unterschied, dass man die Bäume aus der Ferne damals an das kühle Klima in Deutschland gewöhnen wollte. Heute ist es umgekehrt.
Troll ist davon überzeugt, dass das der richtige Weg ist, um den Schlossgarten als Kunstwerk nachhaltig vor seiner Zerstörung zu bewahren. "Nur so haben wir eine Chance, den Garten unter den sich ändernden klimatischen Bedingungen nachhaltig zu bewahren", sagt er. Außerdem entspreche diese Form der Baumpflege einem alten gärtnerischen Handwerk – und sei damit selbst ein Teil des Denkmals. Das Areal der früheren Baumschule ist heute eine Wiese. Zunächst soll nur ein kleiner Teil des Geländes reaktiviert werden. Er wird zurzeit noch untersucht und für die Rekultivierung vorbereitet. Auf einer kleinen Fläche ganz in der Nähe haben die Gärtner in den vergangenen Monaten bereits mit der Aufzucht einiger Jungpflanzen begonnen – sozusagen als Vorstufe für die eigentliche Baumschule.
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Auf dem etwa 1000 Quadratmeter großen Areal wachsen unter anderem Setzlinge von Buchen, Eichen, Birken, Erlen, Säulenpappeln, Walnussbäumen, Tannen und Lärchen. Vor allem die Rotbuche ist typisch für den Schwetzinger Schlossgarten. Von ihr werden nun Jungpflanzen aus verschiedenen Regionen getestet. Sie kommen aus dem Oberrheingraben, dem Fränkischen, dem Rheinischen, dem Saarpfälzer Bergland oder aus Nordspanien. Einige Setzlinge stammen sogar aus dem Schlossgarten selbst. "Dafür sammeln wir zum Beispiel junge Eichentriebe und die Eckern der schönsten Buchen. Oder wir schneiden Äste ab und lassen sie bewurzeln", erklärt Troll. Im Fachjargon nennt man diese Methode Naturverjüngung.
Weiter mit dem alten Baumbestand zu arbeiten, ist Troll sehr wichtig. "Die Originalität der Bäume hat für uns einen hohen Wert. Deshalb sollte man sie nicht vorschnell durch andere Arten ersetzen", sagt er. Aber: "Wir müssen unsere Pflegetechnik anpassen und weiterentwickeln." Deshalb probieren die Experten auch neue Anbaumethoden mit verschiedenen Substraten aus – zum Beispiel mit Pflanzenkohle oder bestimmten Kompostarten. Troll und seine Kollegen hoffen, dass der sandige Schwetzinger Boden dadurch besser Wasser und Nährstoffe speichern kann.
Die Erkenntnisse dieser Arbeit könnten auch über den Schlossgarten hinaus von Interesse sein. "Wir glauben, dass wir dabei auch wissenschaftliche und gärtnerische Methoden entwickeln können, die in der Fläche von Nutzen sein können", sagt Troll. Die Baumschule helfe außerdem, die Funktion historischer Gärten als genetische Ressource für die Gesellschaft zu stärken. Das heißt: Man will bestimmte Arten bewahren, die es sonst später vielleicht nicht mehr geben würde. Und sie ist eine Gelegenheit, um aus dem Schlossgarten verschwundene Arten wieder anzubauen. Zurzeit kümmern sich eine Arboristikerin und ein externer Baumschulspezialist um das bepflanzte Areal. "Ich hoffe, dass wir bald auch einen eigenen Baumschulgärtner einstellen können", sagt Troll. Für die Einrichtung und Betreuung des Projekts stellt das Land mit einem Sonderprogramm für die Klimafolgenanpassung im Schlossgarten über zwei Jahre hinweg jeweils 150.000 Euro zur Verfügung.



