Klare Mehrheit für Änderung des Regionalplans
Nur GAL und FDP lehnten Aufhebung von Restriktionen an einigen Siedlungsrädern ab.

Weinheim. (web) Die Lokalpolitiker debattierten hart. Aber am Ende stand ein eindeutiges Meinungsbild: Gegen die Stimmen von GAL und FDP hat der Ausschuss für Technik, Umwelt und Stadtentwicklung (ATUS) am Mittwoch empfohlen, 26,4 Hektar Fläche an Weinheims Siedlungsrändern von bislang gültigen Restriktionen befreien zu lassen. Doris Falter (Freie Wähler) enthielt sich ihrer Stimme. Die endgültige Entscheidung fällt am Mittwoch, 16. Juni, im Gemeinderat. Zuvor werden die Ortschaftsräte in Lützelsachsen, Sulzbach und Hohensachsen angehört. Die "Befreiung" der bisher unbebauten Flächen müsste dann der Regionalverband vornehmen. Landwirte und Umweltverbände haben bereits 1000 Einwendungen dagegen eingereicht.
> Die betroffenen Flächen: Es handelt sich um die Flächen "Zwischen Sulzbach-West und Sulzbach – nördlicher Teilbereich" (7,5 Hektar), "Südlich Lützelsachsen-Ebene" (acht Hektar), "Hohensachsen West III" (4,8 Hektar) und "Hohensachsen Hinter den Zäunen" (3,7 Hektar). Hinzu kommt die Fläche "Südlich von Sulzbach": Letztere wollen Verwaltung und ATUS-Mehrheit ebenfalls als "Ausweisung ohne Nutzungsvorrang vorsehen, obwohl die Metropolregion Rhein-Neckar vorschlägt, die Fläche als potenzielles "Siedlungsgebiet Wohnen" einzutragen.
> Der Hintergrund auf regionaler Ebene: Der derzeit gültige Regionalplan umfasst Gebiete in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen. Gegenstand des laufenden Änderungsverfahrens sind "Wohnen" und "Gewerbe". Die Metropolregion, in deren Verbandsversammlung auch die Stadt Weinheim vertreten ist, geht hier wie dort von einem starken Wachstum aus: Allein im gewerblichen Bereich sind es rund 500 Hektar bis zum Jahr 2035.
Eines der Ziele besteht indes darin, Menschen mit niedrigeren Einkommen mit Wohnungen zu versorgen. Auch das funktioniert aus Sicht der Regionalplaner nicht ohne Neubesiedelungen. Neben allgemeinen Entwicklungszielen weisen die Planer den einzelnen Kommunen Schwerpunkte zu. Weinheim firmiert unter der Funktionszuweisung "Siedlungsbereich Wohnen". Damit wird der Stadt alle fünf Jahre ein zusätzlicher Bedarf an Wohnungen in Höhe von 2,8 Prozent zugestanden.
> Der Hintergrund auf lokaler Ebene: Auch ohne die besagten Flächen in Hohen- und Lützelsachsen sowie in Sulzbach verfügt Weinheim über ein Entwicklungspotenzial von 73 Hektar (33 Hektar für Wohnungen, 40 Hektar für Gewerbe). Während die potenziellen Gewerbeareale als ausreichend angesehen werden, tut sich beim Wohnen eine Lücke auf. Denn wenn Weinheim so wächst wie von den Regionalplanern prognostiziert, liegt der Flächenbedarf für Wohnungen bis 2040 bei 64 Hektar, womit 31 Hektar fehlen.
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Weinheim steckt nun in einem Dilemma: Denn über die Frage, ob die Stadt überhaupt weiterwachsen soll (und wenn ja, wie?), wollten OB Manuel Just und die große Mehrheit des Gemeinderats eigentlich mit den Bürgern entscheiden: in der Zukunftswerkstatt. Doch die hat sich verzögert, wegen Corona. Die Stadt muss der Metropolregion jedoch bis zum 29. Juni eine Rückmeldung übermitteln. Der Ausweg: Die Stadt lässt immerhin 26,4 Hektar Fläche zunächst von Restriktionen befreien, aber eben nicht gleich als potenzielle Wohnbaufläche ausweisen. Damit wird die Zukunftswerkstatt nicht vorweggenommen, sondern erhält Spielraum. So jedenfalls sieht es die Verwaltungsspitze.
> Was die Skeptiker sagen: Aus Sicht von Uli Sckerl (GAL) atmet der regionalplanerische Änderungsentwurf den Geist der 1990er. In Zeiten des bedrohten Weltklimas könne man nicht mit einem Flächenverbrauch von insgesamt 800 Hektar planen. Darüber hinaus sei "Wohnungsnot nicht über die grüne Wiese zu lindern", vielmehr sei es Zeit für Alternativen. Die GAL wolle welche vorschlagen. Zudem bewiesen die Auseinandersetzungen um die gewerbliche Entwicklung in der Hinteren Mult und die Ersatzflächen für dortige Landwirte, dass die Bauern längst in der Defensive seien, so der Grüne.
Wolfgang Wetzel (FDP) führte unter anderem an, dass es an Wohnungen mit verträglichen Preisen fehlt. Die fünf vorgeschlagenen Flächen lägen aber in der Nachbarschaft eher teurer Gegenden. Matthias Hördt (Linke) trug den Verwaltungsvorschlag zwar mit, wehrte sich aber gegen die Prämisse, dass neue Einwohner zwangsläufig Geld in die Kassen spülen.
> Was die Befürworter entgegnen: Monika Springer (Freie Wähler) nahm die Verwaltung in Schutz: Wenn man berücksichtige, dass die aktuellen Potenzialflächen für Wohnungen nur noch zehn Jahre reichen, sei man mit den zusätzlichen 26,4 Hektar ohne Restriktionen noch sparsam. Wer weitere Siedlungsfläche ablehne, nehme soziale Spannungen in Kauf. Zuwanderung und Zuzug seien nicht zu stoppen. Außerdem müssten Mitarbeiter prosperierender Betriebe irgendwo leben.
Heiko Fändrich (CDU) ergänzte, dass Weinheim eine Infrastruktur für 60.000 Menschen vorhalte, die gern aus der eigenen Stadt kommen dürfen. Neue Bewohner seien die große Chance für Handel und Gastronomie. Weinheim habe seine Außenflächen bislang nicht überbeansprucht, sondern zum Beispiel bisherige Freudenbergareale in Wohnungen umgewandelt. Daniel Schwöbel (SDP) forderte die GAL auf, die Alternativen auf den Tisch zu legen. Schließlich hätten sich die Grünen in der Vergangenheit schon gegen allzu massive Nachverdichtungen positioniert. Gegen die neuen Erhaltungs- und Gestaltungssatzungen in der Innenstadt sei dagegen kaum einer aufgestanden, obwohl diese die Innenentwicklung beschneiden. Er hätte sich auch beim Regionalplan einen mutigen Schritt pro Wohnbebauung gewünscht, trage die Vorschläge der Stadt aber mit.