Großes Potenzial, aber noch viel zu tun
So lautet das Fazit zur Situation für Radler in Leimen - Bei Umfrage des ADFC weit hinten gelandet - RNZ-Serie startet

Von Benjamin Miltner
Leimen. Planungen für Radschnellwege und weitere Projekte, leer gefegte Läden, lange Wartezeiten bei Einzelteilen und Reparaturen: Radfahren ist gefragt wie nie. Anlässlich der "RNZ-Radwochen" wird die Situation für Radfahrer in den vier größten Städten der Region rund um Heidelberg beleuchtet: Leimen, Eppelheim, Sandhausen und Neckargemünd. Die RNZ hat in den vier Rathäusern nachgefragt und greift auf die Ergebnisse des vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) durchgeführten Fahrradklima-Test 2020 zurück. Heute: Leimen.
> Das ist das Ergebnis des ADFC-Tests: Leimen hat die Gesamtnote 4,35 erhalten, ist landesweit bei den Kommunen von 20.000 bis 50.000 Einwohnern auf Platz 62 von 66 gelandet, bundesweit auf Rang 371 von 415. Unter den sechs großen Kreisstädten im Rhein-Neckar-Kreis belegt der südliche Nachbar Heidelbergs den letzten Platz – hier liegt Schwetzingen (Note 3,48) vorne.
> Das sagen die Radler: Das Radeln in Leimen ist nicht auf spezielle Gruppen beschränkt: Die Aussage "Jung und Alt fahren Rad" hat mit der Note 3,5 neben der Wegweisung für Radler die beste Note erhalten. Ansonsten gehen aus den insgesamt 77 ausgefüllten Fragebogen die Erreichbarkeit des Stadtzentrums (3,6), das zügige Vorankommen ohne Umwege (3,7) und der Spaßfaktor (3,7) als eher positive Bewertungen hervor. Den Negativrekord mit 5,5 heimst die Zugänglichkeit öffentlicher Leihräder ein. Während es etwa das Angebot "VRN Nextbike" in Heidelberg und beim nördlichen Nachbarn Dossenheim gibt, ist an der Stadtgrenze nach Leimen Schluss. Ebenfalls die Note "mangelhaft" gibt es für die Breite der Radwege und die Kontrolle von Falschparkern. Auch die Führung an Baustellen und Ampelschaltungen (je 4,9) werden kritisiert. "In Leimen bleibt noch sehr sehr viel zu tun", so das Fazit des ADFC.
Hintergrund
> Der Radklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) ist nach Angaben des Vereins "die größte Befragung zur Zufriedenheit der Radfahrenden weltweit". Der Test fand von September bis November 2020 bereits zum neunten Mal statt, wird alle zwei Jahre durchgeführt
> Der Radklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) ist nach Angaben des Vereins "die größte Befragung zur Zufriedenheit der Radfahrenden weltweit". Der Test fand von September bis November 2020 bereits zum neunten Mal statt, wird alle zwei Jahre durchgeführt und vom Bundesverkehrsministerium unterstützt. Rund 230.000 Radfahrer haben diesmal abgestimmt und 1024 Städte und Gemeinden bewertet, darunter 164 in Baden-Württemberg und 16 im Rhein-Neckar-Kreis. Erstmals haben es auch vier Orte aus dem direkten Heidelberger Umland in die Wertung geschafft: Leimen bei den großen Kreisstädten (20.000 bis 50.000 Einwohner) sowie Neckargemünd, Eppelheim und Sandhausen bei den Kommunen bis 20.000 Einwohnern. Für den ADFC-Pressebeauftragten Bert-Olaf Rieck der Beweis für das zunehmende Interesse am Radfahren und dem Fahrradklimatest. Pro Ort müssen mindestens 50 Abstimmungsergebnisse vorliegen, die vor allem per Internet abgegeben werden. Der ADFC weist den Ergebnissen seines Tests "durch die breite Bürgerbeteiligung hohe Aussagekraft" zu. "Es schafft überhaupt erst ein Bewusstsein für das Thema und durch die Schulnoten sieht man sehr schön, wo der Schuh drückt", meint Rieck. Bei den 32 Fragen schätzen die Teilnehmer auf einer Skala von eins bis sechs etwa ein, ob man sich auf dem Rad sicher fühlt, wie gut die Radwege sind und ob die Stadt in Corona-Zeiten das Radeln besonders fördert. bmi
> Das sagt die Stadt: "Wir haben großes Potenzial und noch viel zu tun", bestätigt Michael Sauerzapf aus dem Bauamt. Er bewertet die Umfrage als sehr wichtig, da sie die Probleme der Nutzer des Radnetzes zeigt. Wie bei allen "Meckerkästen" sieht Sauerzapf das Problem, dass dabei Fehler, Probleme und individuelle Wünsche im Vordergrund stehen. "Wenn’s gut läuft, hat man weniger Antrieb, an so einem Test teilzunehmen." Der Radbeauftragte der Stadt sieht die Situation für Radler naturgemäß positiver: Leimen liege "im guten Durchschnitt für eine Kommune unserer Größe und in diesem Ballungsraum." Neben der Optimierung des Radnetzes werde die Radinfrastruktur etwa mit Abstellanlagen, Fahrradboxen am Bahnhof, Radservicestationen und Beschilderungen gestärkt. Die Stadt geht mit vielen Angeboten für ihre Mitarbeiter voran und wurde beim ADFC als "fahrradfreundlicher Arbeitgeber" zertifiziert.
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> Das sind die Schwachpunkte: "Wir haben noch Lücken im Netz, die geschlossen werden sollen", gibt Sauerzapf zu. Als ein Schwachpunkt ist etwa der Norden der Rohrbacher Straße ausgemacht. Die Stadt arbeite an einer Verbesserung der Verkehrssituation an der Nord-Süd-Verbindung von der Gemarkungsgrenze Heidelbergs bis in die Stadtmitte. "Schwierigkeiten dabei sind oft die Platzverhältnisse", betont Sauerzapf. Er plädiert dafür, bei der Verkehrsplanung das einseitige Denken ans Auto mit "Mobilität" zu ersetzen und lobt: "Der Gemeinderat ist sehr offen, was den Ausbau der Radinfrastruktur angeht."
> Das ist geplant: Am S-Bahnhof St. Ilgen-Sandhausen sind in Kooperation mit der Nachbargemeinde neue Radabstellanlagen geplant. In Richtung Süden ist zusammen mit der Stadt Walldorf und mit Unterstützung des Rhein-Neckar-Kreises der Ausbau eines Feldweges angedacht. Das Ziel: eine Radverbindung von Sandhausen oder St.Ilgen nach Wiesloch etwa zur dortigen Berufsschule – und zwar "weitgehend querungsarm und abseits von Autostraßen." Zudem dreht Leimen mit am großen Rad: Die Stadt beteiligt sich laut Sauerzapf an der Vorplanung und Diskussion eines Radschnellwegs von Heidelberg nach Walldorf-Wiesloch – oder auch darüber hinaus.



