Heidelberg

Gastronomie-Öffnung - wie ein Tag Urlaub im Lockdown (plus Fotogalerie)

Die Gastronomie in Heidelberg ist wieder offen. Das sorgte am Samstag eine volle Innenstadt. Großen Andrang gab es auch aus dem Umland.

15.05.2021 UPDATE: 16.05.2021 19:00 Uhr 3 Minuten, 11 Sekunden
Foto: Rothe

Von Arnd Janssen

Heidelberg. Das Ende des (harten) Lockdowns nach sechseinhalb Monaten: Das wollten sich am Wochenende viele nicht entgehen lassen. Erstmals seit 1. November 2020 durften in Heidelberg Restaurants, Bars und Cafés wieder Gäste empfangen. Und so strömten Tausende Heidelberger und Auswärtige in die Altstadt, wo es so voll war wie seit Monaten nicht. Trotz gerade mal 14 Grad blieben schon am frühen Nachmittag nur wenige Tische in den Straßencafés frei.

Dass der Andrang groß werden würde, war schon am Samstagmorgen klar, als sich Schlangen an den Testzentren an Bismarckplatz, Anatomiegarten, Uni- und Marktplatz bildeten. Denn ein negativer Schnelltest ist Voraussetzung für den Besuch der Gastbetriebe – alternativ geht auch ein Impf- oder Genesenen-Nachweis. Eine konstante Inzidenz unter 100 hatte die "Öffnungsstufe 1" in Heidelberg am Samstag möglich gemacht. Und weil die Stadt damit (noch) eine Insel im Meer der Notbremsen-Kreise ist, kamen viele Menschen aus den Nachbarstädten und von weiter weg, um sich einen Tag Urlaub vom Lockdown zu gönnen.

Das Café Schafheutle in der Hauptstraße öffnet um 11 Uhr. "Um halb 11 standen die Stammkunden schon da und wollten sich hinsetzen", freut sich Julian Kübel, Co-Geschäftsführer des Traditionshauses. Das Testkonzept geht auf, die Gäste sind vorbereitet. Nachmittags sind auch drinnen fast alle Tische – die natürlich mit mehr Abstand als üblich stehen – besetzt. "Das ist mein Lieblingscafé", sagt Nina Halgarth, Erasmus-Studentin aus England. Sie ist seit Oktober hier und kennt das Café fast nur geschlossen. "Das ist der beste Tag seit Langem!", freut sich ihre Freundin Isabel Dunce. "Wir haben wir so viel Geld gespart, jetzt geben wir alles aus", lacht sie. Einem weiteren Gast fehlte das Gesellige besonders: "Es ist ein Kommunikationszentrum, man kennt seine Leute und das fehlt dann", sagt der Stammgast Heinz Reutlinger.

Nicht alle, aber überraschend viele Gastbetriebe haben schon am Samstag offen – obwohl die genauen Bestimmungen erst am Freitag kamen. Die Regeln sorgen manchmal für Ärger: Vor dem Restaurant Garibaldi im Innenhof des Kurpfälzischen Museums werden zwei Männer abgewiesen, da sie keinen Test haben – sie rauschen verärgert ab. Richard Bauer dagegen sitzt mit seiner Frau glücklich an einem Tisch. Sie sind vom Bodensee angereist, in ihrem Heimatkreis ist noch alles geschlossen: "Es ist sehr befreiend, es fühlt sich an wie früher."

Im Café Romantic findet die Inhaberin den Eröffnungstag "etwas chaotisch". Jasmin Brandstätter konnte nur öffnen, weil ihre einzige verbliebene Mitarbeiterin, eine studentische Aushilfe, spontan konnte. "Es ist, als ob man einen neuen Laden aufmacht", sagt Brandstätter. Der Einkauf ließ sich nicht so schnell machen, deshalb gibt es erst mal ein kleineres Speisenangebot.

Vor dem Coyote Café trinkt ein Ehepaar aus Hessen das erste kühle Bier in einer Gaststätte seit Langem. "Es ist die Normalität, das fühlt sich großartig an", sagt der Mann aus dem Kreis Offenbach. Seine Frau erklärt: "Wir sind heute früh los, haben einfach geschaut, wo das schon wieder geht – und sind nach Heidelberg gefahren." Jetzt geht es den beiden so gut, dass sie spontan über Nacht bleiben – denn auch die Heidelberger Hotels dürfen endlich wieder Touristen beherbergen.

Im "Holländer Hof" an der Alten Brücke gibt es für das Wochenende allerdings noch keine Buchungen von Touristen, berichtet Nora Grohmann-Fey von der Geschäftsleitung: "Wir hoffen, dass im Laufe der Woche Buchungen reinkommen, vielleicht geht es am Pfingstwochenende richtig los."

Auch für die Geschäfte ändern sich am Samstag die Regeln, denn sie haben nun die Wahl: Sie können mit negativem Corona-Test zwei Personen auf 40 m² einlassen, oder weiter ohne Test – aber dafür mit Termin – nur eine Person auf 40 m². Die meisten bleiben bisher bei der Variante ohne Test. Im "Strandhaus Adenauer" machen es Corinne Marschall und ihr Team anders: "Wir lassen ohne Termin, aber mit Negativtest oder Impfbescheinigung ein", erklärt sie.

Ab und zu nieselt es am Samstag, warm ist es auch nicht – und doch sitzen die Leute in den Gassen und auf den Plätzen wie im Sommer. Recht hoch her geht es schon wieder in der Unteren Straße. Am frühen Abend steht man vor der Destille Schlange – manche warten über eine Stunde. Zwei 21-Jährige haben einen der Tische im Küchengässchen ergattert. "Die Destille ist für uns eines der ersten Ziele", sagt Valentin Himmelmann aus Dossenheim. Sein Kumpel Adrian Draxler aus Schriesheim würde lieber drinnen sitzen, wo aber kein Platz mehr ist: "Normalerweise würde ich drinnen Mädels kennenlernen", lacht er.

Drei Physik-Studenten warten noch auf Einlass. Sie sind im zweiten Semester – und das heißt: "Wir waren seit Anfang unseres Studiums noch nie in der Bar", klagt Julia Meissner. Ihr Kommilitone Eldin Schmitt sieht die Besucher aus umliegenden Städten kritisch. "Hoffentlich bleibt trotz des Andrangs alles offen", sagt der 18-Jährige. Jutta Stendel von der Destille jedenfalls ist richtig glücklich: "Die Leute sind total lieb, unsere Stammgäste standen um 12 Uhr schon da und wollten uns umarmen."

Um 21 Uhr ist der erste halbwegs normale Tag in der Heidelberger Altstadt seit über einem halben Jahr dann zu Ende: Denn um diese Uhrzeit müssen die Bars und Restaurants schließen – es ist eben doch noch nicht alles normal.

Update: Sonntag, 16. Mai 2021, 19.00 Uhr

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