"Merkel hat sich von ihren eigenen Leuten reinreiten lassen"
Der Grünen-Obmann Danyal Bayaz sieht im milliardenschweren Wirecard-Skandal keine Zufälle am Werk.

Von Alexander Rechner
Berlin. Bundestagsabgeordneter Danyal Bayaz (37) vertritt die Grünen als Obmann im Wirecard-Untersuchungsschuss.
Herr Bayaz, der U-Ausschuss soll Licht ins Dunkel bringen in einem der größten Wirtschaftsskandale der jüngeren deutschen Geschichte. Wer trägt politisch die Verantwortung dafür?
Eine rein politische Bewertung der Verantwortung wäre zu verengt. Erstens gab es eine hohe kriminelle Energie im Management von Wirecard. Zweitens haben wir es mit einer kollektiven Verantwortungslosigkeit aller Institutionen, vor allem von Finanzaufsicht und Wirtschaftsprüfern zu tun. Und drittens gab es ein Netzwerk von Beratern und Lobbyisten, die Politik und Behörden mit dem Mythos des Technologiepioniers blendeten.
Die Münchner Staatsanwaltschaft geht von "gewerbsmäßigem Bandenbetrug" seit 2015 aus. Was ist während dieser Zeit in der Finanzaufsicht Bafin schiefgelaufen?
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Die Staatsanwaltschaft hat selbst lange zu zögerlich gehandelt. Hinweisen gegen Wirecard ist sie selbst kaum nachgegangen. 2019 hat sie eine Verschwörung über eine angebliche Erpressung Wirecards durch eine Nachrichtenagentur direkt zur Finanzaufsicht übermittelt. Die Bafin hat auf Basis dieser hanebüchenen Geschichte Spekulationen gegen Wirecard, sogenannte Leerverkäufe, verboten und Anzeige gegen Journalisten erstattet, die kritisch berichtet hatten. Für viele Anleger war das ein Gütesiegel für Wirecard.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat eine Mitschuld am milliardenschweren Wirecard-Skandal weit von sich gewiesen. Ist das denn glaubwürdig?
Der Finanzminister hat nie erklärt, wie sein Ministerium und die Finanzaufsicht derart scheitern konnten. Scholz tut bis heute so, als sei der Skandal auf eine Verkettung unglücklicher Zufälle zurückzuführen. Doch da waren keine Zufälle am Werk. Erst durch Fehler der Aufsicht konnte der Skandal so groß werden. Wenn der zuständige Finanzminister keine Verantwortung für die ihm unterstellte Finanzaufsicht und darüber, was am Finanzplatz Deutschland passiert, übernimmt, wer soll es dann? Im Ausschuss hat Scholz den Wasserhahn gar nicht zu bekommen, so oft wie er seine Hände in Unschuld gebadet hat. Der Mangel an Fehlerkultur und Lernfähigkeit ist doch genau das, was solche Skandale auch in Zukunft möglich macht.
Der Ausschuss hat Kanzlerin Angela Merkel auch zu ihrer China-Reise 2019 befragt, bei der sie sich für Wirecard eingesetzt haben soll. Konnte die Kanzlerin Sie mit ihrer Aussage überzeugen?
Merkel hat sich da von ihren eigenen Leuten reinreiten lassen. Im Kanzleramt hatte man nicht die nötige Distanz und Sensibilität für das Thema erkannt, obwohl sich die kritischen Berichte über Wirecard häuften. Dazu kommt der hemmungslose Lobbyismus von Karl-Theodor zu Guttenberg, der bei seiner Ex-Chefin für Wirecard lobbyierte. Frau Merkel hätte sich aber auch selbst fragen müssen, ob ausgerechnet Ratschläge ihres ehemaligen Ministers vertrauenswürdig sind.
Wie viele Aufklärung versprechen Sie sich vom Untersuchungsausschuss?
Wir haben fraktionsübergreifend viel zur Aufklärung beigetragen. Drei Behördenleiter haben ihren Posten verloren. Der Anfang zur Reform der Finanzaufsicht wurde durch den Druck des Ausschusses gemacht. Durch unsere Arbeit haben die Anwälte der geschädigten Anleger Ansatzpunkte, wo sie vor Gericht für mögliche Schadensersatzansprüche ansetzen können. Darüber zu entscheiden ist allerdings Sache der Gerichte.