Keiner will die Erweiterung der Sammlung Prinzhorn bauen
IBA-Prestigeprojekt in Gefahr: Die Uniklinik lehnt die Verantwortung für die Erweiterung der Sammlung Prinzhorn ab. Die Stadt hält das für "mehr als kurios".

Von Anica Edinger
Heidelberg. Nicht erst seit dem Ankauf des Nachlasses der von den Nazis im Euthanasie-Programm ermordeten Künstlerin Elfriede Lohser-Wächtler ist klar: Die Heidelberger Sammlung Prinzhorn beherbergt einen weltweit einzigarten Fundus von "Outsider Art". Der Ankauf im Februar war ein Meilenstein für das Museum. Ein Meilenstein für Heidelberg. Doch die Sammlung platzt aus allen Nähten. Die Ausstellungsfläche beträgt gerade einmal 360 Quadratmeter, sodass stets nur ein Bruchteil der inzwischen weit über 24.000 Werke gezeigt werden kann. Ein Erweiterungsbau soll die Platzproblematik beheben.
Seit 2015 ist dieses Vorhaben offiziell ein Projekt der Internationalen Bauausstellung (IBA). Und inzwischen steht auch die Finanzierung: Der Verein "Freunde der Sammlung Prinzhorn" um den emsigen Vorsitzenden Jochen Tröger sowie Sammlungsleiter Thomas Röske konnten zehn Millionen Euro für die Erweiterung einwerben: Fünf Millionen übernimmt der Bund, weitere 2,5 Millionen die Hector-Stiftung, auch die Stadt Heidelberg will eine Million Euro beisteuern, im Doppelhaushalt 2021/2022, der erst vor wenigen Tagen im Gemeinderat eingebracht wurde, ist die Million bereits eingestellt. Den Rest übernehme das Land, erklärt Tröger. Er bekräftigt: "Wir haben das Geld, das wollen wir jetzt verbauen."
Nur: Keiner will die Bauherrschaft übernehmen. Kürzlich sprach das Michael Braum, IBA-Direktor, im Kulturausschuss an: Das Universitätsklinikum Heidelberg, Träger des Museums und damit natürlicher Bauherr für das Vorhaben, habe abgelehnt.
Und tatsächlich bestätigt die Uniklinik auf RNZ-Anfrage: "Es ist korrekt, dass wir nicht die Bauherrschaft für den Erweiterungsbau der Sammlung Prinzhorn übernehmen möchten." Zum einen gebe es am Uniklinikum keine Expertise für Museumsbauten. Zum anderen seien mit den diversen Bauprojekten auf dem Campus im Neuenheimer Feld – wie etwa das Herzzentrum oder die Generalsanierung der Kopfklinik – die personellen Kapazitäten, die für die Planung und Betreuung eines solchen Projektes benötigt werden, limitiert. Zudem fürchtet die Uniklinik, dass es eben nicht bei den veranschlagten zehn Millionen Euro für den Bau bleibt. "Erfahrungen am Universitätsklinikum zeigen, dass Baumaßnahmen, insbesondere im denkmalgeschützten Bestand, oft mit hoher Kostensteigerung einhergehen." Dieses Risiko müsste das Klinikum bei Übernahme der Bauherrschaft tragen.
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Die IBA und der Freundeskreis der Sammlung taten ihr Bestes, diese Bedenken auszuräumen. Die Prinzhorn-Erweiterung sollte in unterschiedliche Bauphasen untergliedert werden, dadurch würde immer nur ein Teil des Geldes ausgegeben, so Tröger. Merke man beim Bau, dass die Kosten explodierten, könne man einen Teil des Baus weglassen. Doch die Mühen waren vergebens. Das Klinikum blieb bei seiner Absage.
Auf RNZ-Anfrage heißt es aus dem Rathaus: "Die Tatsache, dass sich vor diesem Hintergrund kein Bauherr findet, ist mehr als kurios und hoffentlich nicht das finale Ergebnis des bisherigen Prozesses." Auch bei der IBA herrscht Unverständnis. "Die Erweiterung der Sammlung Prinzhorn ist ein zentrales Projekt der IBA", sagt Braum. Eine solche Situation, dass die Finanzierung steht, doch niemand die Verantwortung für die bauliche Umsetzung übernehmen will, habe er noch nie erlebt, nicht bei der IBA, nicht in seiner restlichen Karriere. "Das ist doch absurd – fast schon kafkaesk."
Als er sich vor neun Jahren erstmals mit der Sammlung beschäftigt habe, habe sie ihn sofort "in ihren Bann gezogen". "Diese Bilder haben eine wahnsinnige Ausdrucksstärke, so etwas schaffen nur Menschen mit Grenzerfahrungen." Und so steckte die IBA in den zurückliegenden Jahren viel Herzblut und Arbeit in die Qualifizierung des Projekts – und nicht zuletzt Geld. So wurde eine Machbarkeitsstudie für die Erweiterung in Auftrag gegeben, die IBA hat verschiedene Workshops finanziert – und das Museumscafé wurde zur IBA-Zwischenpräsentation im Mai 2018 völlig neu gestaltet.
Doch das allein sei nicht der springende Punkt. Die Sammlung repräsentiert laut Braum wie kein zweites IBA-Projekt das IBA-Motto "Wissen schafft Stadt". "Sie ist eine produktive Zumutung, die uns daran erinnert, wie fließend die Grenzen zwischen Normalität und abweichendem Verhalten verlaufen", sagt Braum. Wenn das Projekt nun nicht final realisiert werden könne, dann müsse wenigstens ein Architektenwettbewerb ausgelobt werden. Doch ein solcher Wettbewerb ohne endgültigen Bauherrn? "Das geht grundsätzlich, wäre lediglich ungewöhnlich", so Braum.
Den Architektenwettbewerb auf den Weg zu bringen, ist auch Trögers erklärtes Ziel. Denn: "Wir wollen den IBA-Status unter keinen Umständen verlieren." Neun Jahre lang habe die IBA das Projekt ideell und finanziell unterstützt – jetzt, so kurz vor dem Ziel zu scheitern, den langjährigen Partner zu verlieren: "Das würde wahnsinnig weh tun", so Tröger. Unermüdlich arbeite man deshalb daran, Lösungen für die Bauherren-Problematik zu finden.
Eine davon wäre in der Museumswelt nicht ungewöhnlich: eine Stiftung gründen, die zum Träger der Sammlung wird und damit auch zum Bauherren werden könnte. Geht es nach Tröger, wird diese Stiftung auf breite Schultern gestellt – mit Beteiligung von Stadt, Land und Uniklinikum. Denn Tröger ist überzeugt: "Für das Uniklinikum ist diese Sammlung ein Imagegewinn."
Die Uniklinik selbst erklärt ebenso: "Die Sammlung ist ein Juwel in unserer Stadt." Deshalb befinde man sich in Gesprächen mit "verschiedenen Stakeholdern, um gemeinsam über die Zukunft der Sammlung Prinzhorn zu beraten und eine tragfähige, der Sammlung angemessenen Lösung für die Zukunft zu finden". Landeswissenschaftsministerin Theresia Bauer lehnt eine Stellungnahme zum jetzigen Zeitpunkt ab. Mit der Stadt sei man in Sachen Stiftung in produktiven Gesprächen, so Tröger.
Mit Blick auf das nahende Ende der IBA resümiert Braum: "So, wie es sich momentan darstellt, werden wir in unserer Abschlussausstellung acht Projekte zeigen, die fertig sind, einige, die sich in der Planung befinden, und möglicherweise drei Projekte, die wir auf der Strecke verloren haben." Eines davon könnte der Erweiterungsbau der Sammlung Prinzhorn sein. "Keine schöne Vorstellung", so Braum, "weder für das Klinikum, noch für das Land oder die Stadt und auch nicht für die IBA."



