Hoffenheim gegen Schalke

Ohne Worte

Nach der 0:4-Pleite auf Schalke tut man sich in Hoffenheim mit Erklärungen schwer. Dietmar Hopp stärkt Trainer Sebastian Hoeneß derweil den Rücken.

10.01.2021 UPDATE: 11.01.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 5 Sekunden
Schalke jubelt, „Hoffe“ hat das Nachsehen: Matthew Hoppe (vorne) feiert seinen Treffer zum zwischenzeitlichen 2:0, während Oliver Baumann geschlagen am Boden liegt und Stefan Posch noch versucht zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Foto: APF

Von Nikolas Beck

Heidelberg/Gelsenkirchen. Es war 17.09 Uhr am Samstagnachmittag, als Sebastian Hoeneß in den Fokus rückte. In Nahaufnahme und Zeitlupe flimmerte Hoffenheims Trainer beim Bezahlsender über die Mattscheibe, nachdem seine Elf auf Schalke gerade den finalen Dolchstoß versetzt bekommen hatte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht blies er die Backen auf. Der Wimpernschlag in Slow Motion hatte etwas Theatralisches. Sein eisiger Atem wirkte symbolisch.

Nullvier bei S04: Nach der Pleite beim Pleitenklub wird die Luft für Hoeneß immer dünner.

Hängende Schultern: Sebastian Hoeneß gerät immer mehr in die Kritik. Foto: APF

Die Partie in Gelsenkirchen sei kein Endspiel für den 38-Jährigen, hatte Sportdirektor Alexander Rosen bereits im Vorfeld klargestellt. Und nach Abpfiff wiederholt. "Ich muss keine Lanze brechen für den Trainer, denn da wurde ein Thema aufgemacht, was überhaupt nicht der Wahrheit entspricht", ärgerte sich Rosen über einen Bericht vom Boulevard, nach dem Dietmar Hopp das Vertrauen in den Cheftrainer verloren habe. "Völliger Blödsinn", so Rosen, der von "großer Geschlossenheit in unseren Reihen" sprach. Auch TSG-Gesellschafter Dietmar Hopp sah sich am Sonntag zu einer Stellungnahme gezwungen: "Mit einigem Erstaunen habe ich gelesen, dass ich aufgrund der aktuellen Situation Fristen gesetzt und zum Rapport gebeten habe. Das ist nicht der Fall", so Hopp. Klar sei, "dass wir in dieser Saison auch aufgrund vieler außergewöhnlicher Ereignisse noch nicht wie erhofft in Schwung gekommen sind", so der 80-Jährige weiter: "Ich habe Vertrauen in die handelnden Personen, diese Lage zu meistern und habe ihnen das auch persönlich mitgeteilt."

Freilich wissen auch die Entscheider in Hoffenheim, dass man sich aktuell in einer Situation befindet, in der die Fragen nach dem Trainer nur noch mit Erfolgen, nicht mit Treueschwüren verstummen. Gegen das historisch schwache Schalke, das "Tasmania der Herzen", setzte es die fünfte Niederlage in den vergangenen sechs Pflichtspielen. Zu Null gespielt wurde in der Liga bislang noch überhaupt nicht, im Schnitt kassiert "Hoffe" zwei Gegentreffer pro Partie, was in der Summe 15 Punkte und Rang 14 bedeutet.

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Dabei spielte die TSG beim bisherigen Schlusslicht sogar eine starke erste Hälfe. Ishak Belfodil (23. Minute) und Andrej Kramaric (30.) hätten die Führung erzielen können, vielleicht müssen. Stattdessen traf Schalkes Matthew Hoppe aus dem Nichts zum 1:0-Halbzeitstand (42.). "Ein skurriler Zwischenstand", fand Hoeneß, dessen Team nach dem Seitenwechsel dann aber eine unentschuldbare Leistung zeigte.

"Es ist unerklärlich, wie die zweite Hälfte verläuft", haderte Keeper Oliver Baumann mit den "einfachen Gegentoren" durch zwei weitere Male Hoppe (57./63.) und Harit (80). Der Ersatzkapitän räumte ein: "Es ist schwierig, sachlich zu bleiben."

"Hoffes" Fans geht es genauso. Der Frust, der sich sonst im Stadion entlädt, ist heuer in den Sozialen Medien nachzulesen. "Ohne Worte", hatte die TSG-Medienabteilung geschrieben, als sie den Endstand mit ihrer virtuellen Folgschaft teilte. Die Anhänger hatten dafür umso mehr Redebedarf. Fast tausend Kommentare sammelten sich bis zum Abend – mit klarem Tenor. In der Kurve hat Hoeneß praktisch keinen Kredit mehr.

"Am Ende des Tages kümmere ich mich um die Dinge, die ich kontrollieren kann, das ist die Arbeit mit der Mannschaft", versuchte Hoeneß das Thema auszublenden. Er wolle "vorne weggehen" und sich "nicht wegducken". Wie sehr ihm der ausbleibende Erfolg zusetzt, war auf dem Podium aber nicht zu übersehen. Hoeneß wirkte aufgewühlt, nervöser als sonst, als er sein Credo wiederholte: Weiterarbeiten im Training, um es künftig besser zu machen.

Alleine: Bislang sind kaum Verbesserungen zu sehen. Immer wieder spielt seine Elf nur eine von zwei Hälften ordentlich, belohnt sich dafür aber viel zu selten. In den anderen 45 Minuten schlägt dann der Gegner eiskalt zu – oder wird zum Tore schießen förmlich eingeladen. Gegen Schalke haben die Kraichgauer zwar nie aufgesteckt, sind aber regelrecht auseinandergefallen.

Hoeneß erklärt es sich mit der besonderen Drucksituation, unter der seine Schützlinge aufgrund einer kompletten verletzten Mannschaft (vor der Partie mussten kurzfristig auch noch Robert Skov und Ryan Sessegnon mit muskulären Problemen passen) und zwei U 19-Spielern auf dem Platz aktuell leiden. Hoeneß: "Heute waren wir dieser Situation mental nicht gewachsen."

Ob die Situation allerdings für den Gegner einfacher gewesen war? Mit einer brutalen Effektivität und großem Selbstvertrauen spielten jedenfalls nur die Gastgeber. Angesichts des Uralt-Negativrekords von 31 Ligaspielen hintereinander ohne Sieg von Tasmania Berlin, den Schalke hätte einstellen können, durchaus bemerkenswert. Bei "Hoffe" hingegen patzen vor allem die Etablierten regelmäßig. Der katastrophale Fehlpass von Kevin Vogt vor dem 0:4 sei hier beispielhaft erwähnt.

Zusammengefasst: Das, was Hoeneß seit Wochen vehement einfordert, geht seiner Elf derzeit in allen Bereichen ab – Stabilität. "Die Ergebnisse, aber auch die Leistungen müssen sich schleunigst ändern", findet daher auch Verteidiger Stefan Posch.

Nach dem Spiel änderte sich zunächst mal nur eine Kleinigkeit: das Titelbild des Hoffenheimer Facebook-Accounts. Dort ist nun die heimische Prezero Arena zu sehen – und der Spott ließ nicht lange auf sich warten. "Zero (null) Ergebnisse, zero Spannung", war zu lesen, vom "Zweitliga-Stadion" die Rede. Die Bitte wurde formuliert, statt dem Bild lieber den Trainer zu wechseln. Wahrlich keine leichte Aufgabe ist die Arbeit in Hoffenheim derzeit für Social-Media-Redakteure.

Für Sebastian Hoeneß gilt das gleichermaßen.

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