Südwest

Friedrich Merz, Psychologen und Eltern fordern schnelle Schulöffnungen

Rückenwind für die "mutige" Ministerin - Entscheidung vermutlich am 5. Januar

01.01.2021 UPDATE: 02.01.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 31 Sekunden
„Sie hat den Mut, etwas Richtiges zu sagen“, lobt Merz (l.) seine Parteifreundin Eisenmann (r.). Fotos: dpa

Von Sören S. Sgries

Stuttgart/Heidelberg. Als die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) unmittelbar nach den Weihnachtsfeiertagen ankündigte, sie "gehe davon aus und werbe sehr dafür, dass wir Kitas und Grundschulen in jedem Fall wieder in Präsenz öffnen", sah sie sich heftiger Kritik ausgesetzt. Besonders der Nachsatz "unabhängig von den Inzidenzzahlen" stieß auf Unverständnis – nicht nur in den Sozialen Medien, wo unter dem Hashtag "#EisenmannRücktritt" ordentlich Frust abgeladen wurde.

"Da fliegt jedem das Dach weg, der nur im Entferntesten mit Medizin oder Bildung zu tun hat", schimpfte beispielsweise auch SPD-Landeschef Andreas Stoch. Der Parteinachwuchs ging noch einen Schritt weiter: "Diese Kultusministerin hat jedes Gespür für die Anliegen der Schülerinnen, Lehrkräfte und Eltern verloren", erklärte die Juso-Landeschefin Lara Herter. "Einen solchen Totalausfall im Kultusministerium darf es in unserem Bundesland nicht länger geben", forderte sie den Rücktritt der CDU-Politikerin.

Und auch aus dem Schulbereich gab es ein paar Unmutsäußerungen. Matthias Wagner-Uhl, Vorsitzender des Vereins für Gemeinschaftsschulen, beklagte "aktionistisches Vorpreschen". GEW-Landeschefin Monika Stein bat etwas diplomatischer: "Wechselunterricht dürfen wir nicht verteufeln, das muss für hohe Inzidenzzahlen das Mittel der Wahl seien."

Inzwischen aber dreht sich die Stimmung ein wenig. Über den Jahreswechsel sprangen einige Verbände Eisenmann bei – und auch einer aus dem Kreis der Kandidaten für den CDU-Vorsitz stellte sich offensiv hinter die 56-Jährige. "Susanne Eisenmann hat den Mut, etwas Richtiges zu sagen, dass nämlich die Schulen so schnell wie möglich wieder geöffnet werden müssen", sagte Friedrich Merz in einem Interview mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Und es ist ja auch der politische Wille aller Beteiligten, je nach Inzidenzlage in diese Richtung zu gehen." Am meisten bewege ihn derzeit nicht der ökonomische Schaden durch den Lockdown, "sondern der massive Schaden in der Bildung unserer Kinder durch die geschlossenen Schulen". Darunter litten vor allem die Kinder aus sozial schwachen und bildungsfernen Familien. "Das ist meines Erachtens die größte Herausforderung in und nach der Pandemie", so der 65-Jährige.

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„Sie hat den Mut, etwas Richtiges zu sagen“, lobt Merz (l.) seine Parteifreundin Eisenmann (r.). Fotos: dpa

In Baden-Württemberg stellten sich die Schulpsychologen hinter die Kultusministerin und forderten eine rasche Öffnung der Bildungseinrichtungen. "Den Kurs von Ministerin Eisenmann, die Schüler schnell wieder an die Schulen zu holen, finde ich absolut richtig und mutig", sagte die Vorsitzende des Verbandes, Nina Großmann. Sie berichtete von einer "dramatischen Zunahme" der Fälle von Schulverweigerung: Schüler aller Altersgruppen gewöhnten sich während der Pandemie zu Hause an das Nichtstun, vernachlässigten ihre Aufgaben und fühlten sich bei der Rückkehr auf die Schulbank überfordert.

Ein Sprecher Eisenmanns sagte dazu, man sehe sich durch die Aussagen bestätigt. "Gerade kleinere Kinder aus nicht so stabilen sozialen Verhältnissen dürfen wir in diesen schwierigen Zeiten nicht aus dem Blick verlieren", betonte er.

Eine schnelle Wiederöffnung wird aber nicht nur für den schulischen Bereich gefordert. Auch die Landeselternvertretung baden-württembergischer Kindertageseinrichtungen (LEBK-BW) macht sich für eine Rückkehr in den Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen ab dem 11. Januar stark. "Kinder brauchen zu ihrer Entwicklung geregelte und verlässliche Strukturen", heißt es in der Pressemittelung der Eltern. Wichtig sei es, differenziert auf die Altersgruppen zu schauen und nicht nur pauschal über alle Minderjährigen von 0 bis 18 Jahren zu sprechen. Gerade in aktuellen Studien zur Rolle von Kindern bei der Ausbreitung der Pandemie könne man "keine Begründung für eine strikte Schließung der Kindertageseinrichtung erkennen".

Die Forderung der Kita-Eltern: Mit passendem Hygienekonzept sollen die Einrichtungen flächendeckend wieder öffnen dürfen. Schließungen seien nur lokal sinnvoll, wenn eine Kita tatsächlich im Ausbruchsgeschehen eine Rolle spiele – ein Ausbruch in einem Altenheim rechtfertige das nicht, auch wenn die Inzidenzzahlen dadurch hochschnellten.

Eine Entscheidung, wie es mit dem Lockdown weitergeht, wird in der Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel am 5. Januar erwartet. Am Vortag wollen sich die Kultusminister der Länder abstimmen. Das Staatsministerium von Winfried Kretschmann hatte bereits signalisiert, Ziel sei es, "schnellstmöglich wieder irgendeine Form Präsenzunterricht" für die Jüngeren zu ermöglichen. Allerdings schränkte man – anders als Eisenmann – ein: "Auch im Schulbereich hängen sämtliche Maßnahmen vom Infektionsgeschehen ab.

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