Heidelberg

Nachverdichtung im Ochsenkopf unter Vorbehalt

Bezahlbare Wohnungen wichtiger als große Gärten - Kein Bebauungsplan für den Ochsenkopf - Gemeinderäte wollen aber mitreden

19.11.2020 UPDATE: 20.11.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 29 Sekunden
Die Steine des Anstoßes: Im Osten des Ochsenkopfes wird gerade eines der alten Siedlungshäuser abgerissen. Es macht Platz für einen Neubau mit insgesamt 21 günstigen Wohnungen. Dafür werden jedoch auch die angrenzenden Gärten verkleinert. Foto: Rothe

Von Denis Schnur

Heidelberg. Am Ende war das Ergebnis eindeutig. Nur Stadtrat Arnulf Weiler-Lorentz (Bunte Linke) stimmte im Bauausschuss dafür, einen Bebauungsplan für die Siedlung Ochsenkopf in Angriff zu nehmen. Elf seiner Kollegen sprachen sich dagegen aus. Und doch war der Entscheidung eine fast einstündige Debatte vorausgegangen, bei der viele Gemeinderäte auch mit sich selbst haderten.

"Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust", brachte Judith Marggraf (Grün-Alternative Liste) auf den Punkt, was viele Ausschussmitglieder dachten. Denn während sie formal über einen Bebauungsplan für das Wieblinger Quartier diskutierten, ging es eigentlich um die Frage, ob dort langfristig mehr Wohnungen gebaut werden sollen – und damit um das große Thema, wie viel Nachverdichtung man in Heidelberg will.

Und da gibt es nun mal für beide Seiten nachvollziehbare Argumente. So hat der Ochsenkopf als Eisenbahnersiedlung im Stil einer Gartenstadt eine ganz eigene Struktur. Die rund 100 Jahre alten Siedlungshäuser sind innen relativ eng, verfügen aber über große Gärten. Und die Bewohner wollen die natürlich erhalten. "Sie haben eine enorme soziale, bioklimatische und ökologische Bedeutung", betonte Christina Kreckel-Arslan, Bezirksbeirätin in Wieblingen und selbst Ochsenkopf-Bewohnerin. "Sie gleichen vor allem für Familien die geringen Wohnflächen aus."

Auf der anderen Seite liegt die Siedlung jedoch in einem "gar nicht so zentralen Bereich der Stadt", wie Baubürgermeister Jürgen Odszuck erklärte. Und sie ist dafür vergleichsweise locker bebaut. Dort Wohnraum zu schaffen, sei im Interesse der Stadt. Schließlich habe man sich auf die Formel "Innenentwicklung vor Außenentwicklung" geeinigt. Natürlich müsse das behutsam geschehen und dabei darauf geachtet werden, dass nicht zu viele Flächen versiegelt werden. Aber ausschließen könne man es nicht. "Das ist ein Konflikt, den wir noch öfter haben werden", ist sich auch Manuel Steinbrenner (Grüne) sicher. Natürlich sei es wichtig, erhaltenswerte Strukturen – wie die des Ochsenkopfes – zu schützen. "Aber wir haben auch das Anliegen, im Innenbereich nach Nachverdichtungspotenzial zu suchen."

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Zwar fordern die Siedlungsgemeinschaft Ochsenkopf und der Wieblinger Bezirksbeirat bereits seit Jahren einen Bebauungsplan. Doch der Anlass für die jetzige Debatte war ein eigentlich relativ unstrittiges Bauprojekt. Die Baugenossenschaft Neu Heidelberg – ihr gehören die meisten Grundstücke im Ochsenkopf – lässt gerade ein altes Haus im Wieblinger Weg abreißen. Wo bislang acht Wohnungen waren, werden insgesamt 21 barrierefreie Sozialwohnungen entstehen. "Es ist eigentlich ein Vorhaben, gegen das man kaum sein kann", betonte Odszuck. Jedoch wird die Grundfläche des Hauses größer – und damit die angrenzenden Gärten kleiner. Zwar bleibe der Grünanteil immer noch größer als in anderen Teilen des Quartiers, wie der Bürgermeister betonte. Doch die Ochsenköpfler sorgen sich um den Charakter ihrer Siedlung. "Das war nicht das erste Mal, dass Gärten verkleinert wurden", so Kreckel-Arslan. Und die Baugenossenschaft macht sich bereits Gedanken darüber, ob auch an anderen Stellen im Ochsenkopf etwas größere Gebäude entstehen können. Deshalb sieht die Bezirksbeirätin dringenden Handlungsdruck: "Wenn Neu-Heidelberg Baugenehmigungen beantragt, bleibt keine Zeit mehr, im Gremienlauf tätig zu werden."

Doch bei aller Sympathie für das Anliegen sprachen sich die meisten Stadträte doch dagegen aus. "Wir reden so oft über bezahlbaren Wohnraum. Da können wir bei einem solchen Projekt nicht sagen, dass wir das verhindern wollen", erklärte etwa Bernd Zieger (Linke). Stattdessen will der Ausschuss auch der Genossenschaft die Möglichkeit geben, die Siedlung weiterzuentwickeln.

Um aber die Kontrolle nicht ganz aus der Hand zu geben, haben die Räte die Stadt aufgefordert, sie zu informieren, sobald Bauvorhaben im Ochsenkopf geplant werden. "Wir halten der Genossenschaft die Möglichkeit offen, neuen Wohnraum zu schaffen, aber wir halten gleichzeitig die Finger drauf", so Steinbrenner. Judith Marggraf bat die Verwaltung zudem, die Geschäftsführung der Genossenschaft einzuladen, damit diese den Räten die Pläne für die Siedlung erläutern kann. "Das Ergebnis ist natürlich immer schwarz oder weiß", fasste Wolfgang Lachenauer (Heidelberger) die lange Debatte am Ende zusammen. "Aber wir haben hier eine sehr behutsame Abwägung getroffen – in diesem Fall für den Ausbau der Wohnversorgung."

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