"Gewaltiges Rückschlagpotenzial"
Vor dem neuen Lockdown hatten sich viele Unternehmen der Region gerade von ihrem Tiefpunkt erholt.

Von Matthias Kros
Mannheim. Viele Unternehmen im Bezirk der IHK Rhein-Neckar haben den Tiefpunkt der Corona-Krise im Frühjahr hinter sich gelassen. Das ist ein wichtiges Ergebnis der Herbstumfrage unter 531 IHK-Mitgliedsunternehmen. Der Konjunkturklimaindex sei im Vergleich zur Juni-Umfrage um 16 Punkte auf 95 Zähler angestiegen, erläuterte IHK-Hauptgeschäftsführer Axel Nitschke am Donnerstag bei der Vorstellung der Umfrage in Mannheim. Vom Vorkrisenniveau seien sie jedoch noch weit entfernt.
Zudem fand die Umfrage bereits vor rund vier Wochen statt, in einer Zeit also, als die Sorge vor einem erneuten Lockdown noch nicht so groß war: "Angesichts der allerjüngsten Entwicklungen ist das Rückschlagpotenzial gewaltig", warnte deshalb Nitschke mit Blick auf die steigenden Infektionszahlen und die jüngste Reaktion der Politik darauf. Dies gelte vor allem für Unternehmen, die vom ersten Lockdown stark betroffen gewesen seien und im Sommer wieder Tritt fassen konnten. Sie sähen sich neuen Beschränkungen oder gar Schließungen gegenüber. Nitschke denkt dabei vor allem an die Gastronomie, Reisebüros, Mode-Einzelhändler oder den Messebau mit ihren jeweiligen Zuliefern.
"Viele Unternehmen hatten gerade gelernt, mit der Situation umzugehen und gute Hygiene-Konzepte umgesetzt", bedauerte Nitschke. Trotzdem kämen nun erneut erhebliche Unsicherheiten auf sie zu. Zwar erkenne man grundsätzlich an, dass ein Handeln seitens der Politik erforderlich war. "Unsere Wirtschaft kann schließlich nur dann funktionieren, wenn die Infektions-Zahlen im Griff sind". Allerdings bezweifelte er, dass die jetzt beschlossenen Maßnahmen angemessen und die betroffenen Unternehmen tatsächlich die Problemversucher seien. Gerade in der Gastronomie seien viele Betriebe "nicht unbedingt Corona-Hotspot-verdächtig" gewesen, findet der Wirtschaftsvertreter.
Die Hilfsmaßnahmen der Regierung lobte Nitschke dagegen: Mit der geplanten Erstattung eines Großteils der Umsatzausfälle habe die Bundesregierung gegenüber den Hilfen aus dem ersten Lockdown eine "Kurskorrektur vorgenommen", sagte er. Das sei "nachvollziehbar und ein richtiger Schritt". Allerdings mache er sich Sorgen um die jetzt anstehende Verteilung der Hilfen. In der Vergangenheit habe es dabei jedenfalls eine regelrechtes "Förder-Tohuwabohu" gegeben, bemängelte er. "Viele Unternehmen blickten einfach nicht durch, welches die richtige Hilfe für sie sein könnte", so Nitschke. Auf diese Weise erkläre man sich auch die bislang so niedrige Anzahl an gestellten Hilfsanträgen. "Das neue Programm verspricht nun einfacher zu werden", lobte der Hauptgeschäftsführer.
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Auf der anderen Seite mache man sich aber auch Gedanken, ob die umfangreichen Hilfen den Staat irgendwann überfordern könnten. Es müsse daher die Strategie sein, "so viele Unternehmen offen zu halten, dass wir uns die Hilfen volkswirtschaftlich leisten können", so Nitschke.
Immerhin profitiere die Metropolregion Rhein-Neckar wie schon in früheren Krisen von ihrer breit gefächerten Branchenaufstellung, so Nitschke. Andere Regionen, die etwa stark auf den Automobil- oder Maschinenbau fokussiert seien, hätten es gerade wesentlich schwerer. Laut der Umfrage schätzt aktuell gut ein Viertel der Unternehmen ihre Lage als gut ein, 46 Prozent als befriedigend und 29 Prozent als schlecht. Zum Vergleich: Im Herbst vergangenen Jahres berichtete nur elf Prozent der Unternehmen von einer schlechten Lage.
Nach wie vor bestehen erhebliche Unsicherheiten bei den Investitions- und Beschäftigungsplänen der Unternehmen. "Die Betriebe stellen sowohl ihre Investitionen als auch ihre Belegschaftsgröße auf den Prüfstand. Die Kurzarbeit hilft zwar den Unternehmen, Entlassungen zu vermeiden, doch mehr als ein Fünftel der Betriebe geht per Saldo von sinkenden Beschäftigtenzahlen in den kommenden zwölf Monaten aus. In der Industrie nimmt mehr als jedes dritte Unternehmen seine Beschäftigungspläne zurück", so Nitschke.