Eckart Würzner ist von der Standort-Kritik Grünen "irritiert"
Der Oberbürgermeister reagiert mit einem Offenen Brief auf die Kritik und verteidigt die Wolfsgärten als aktuell einzig möglichen Standort.

Von Denis Schnur
Heidelberg. Es war ein Paukenschlag: Im Gespräch mit der RNZ bezweifelten die Grünen, dass im Gewann Wolfsgärten bei Wieblingen überhaupt ein Ankunftszentrum entstehen kann – und stellten so die Gemeinderatsentscheidung in Frage, die sie überhaupt erst möglich gemacht hatten. Ihre Zweifel verbanden sie mit deutlicher Kritik an Oberbürgermeister Eckart Würzner und Innenminister Thomas Strobl (CDU). Das sorgt in der Heidelberger Kommunalpolitik (siehe Artikel links) für Unverständnis und Spott – und auch bei den beiden heftig Attackierten.
Hintergrund
Parteien ärgern sich über die Grünen
Nachdem die Grünen in der RNZ Zweifel an den Wolfsgärten als Standort für das Ankunftszentrum geäußert haben, meldeten sich gleich vier Gemeinderatsfraktionen und -gruppierungen mit Stellungnahmen. Und sie alle üben
Parteien ärgern sich über die Grünen
Nachdem die Grünen in der RNZ Zweifel an den Wolfsgärten als Standort für das Ankunftszentrum geäußert haben, meldeten sich gleich vier Gemeinderatsfraktionen und -gruppierungen mit Stellungnahmen. Und sie alle üben heftige Kritik an der größten Gemeinderatsfraktion:
> Die SPD-Fraktion zeigt sich irritiert, dass die Grünen jetzt erst zur Einsicht gelangt seien, dass die Wolfsgärten zu klein sind. Innenminister Strobl habe bereits im Juni darauf hingewiesen, dass dort eine dichte Bebauung notwendig sei und kein Platz für Freiflächen zur Verfügung stehe. "Die Grüne Fraktion soll bitte nicht so tun, als ob sich an der Situation jetzt etwas geändert hätte." Die Fraktionsvorsitzende Anke Schuster vermutet hinter der "Rolle rückwärts" andere Gründe – nämlich die Erkenntnis, dass ein Bürgerentscheid immer wahrscheinlicher wird: "Dummerweise stehen die Grünen aber auf der falschen Seite", so Schuster. "Ich hätte mir von Brantner, Bauer und der Grünen Fraktion mehr Mut gewünscht. Statt im Wahlkampfmodus einfach auf den Regierungspartner und den Oberbürgermeister draufzuschlagen, hätte ein einfaches ‚Wir haben uns geirrt!‘ gereicht."
> "Die Linke" betont, dass keines der von den Grünen vorgebrachten Argumente sonderlich neu sei. "Es gab schon seit Ende Mai Veröffentlichungen des Kompetenzzentrums Public Health, die sagten: In Ankunftszentren muss es deutlich mehr Raum geben, wenn dort ernsthaft Infektionsschutz betrieben werden soll", so Sprecherin Michèle Pfister. Die Grünen reagierten nur "opportunistisch" auf das Bürgerbegehren. Würden sie sich ernsthaft für das Wohl der Geflüchteten interessieren, hätten sie die Wolfsgärten gar nicht erst in Erwägung gezogen, so die Partei.
> Für "Heidelberg in Bewegung" sei dagegen schon lange klar, "dass die Mehrheit der Grünwähler in Heidelberg für ein Ankunftszentrum in PHV und gegen eines in den Wolfsgärten ist". Wenn die Grünen wirklich eine Lösung wollten, müssten sie gegen ihre eigene Entscheidung vom Juni und für den Standort PHV stimmen.
> Die CDU-Fraktion übt ebenfalls heftige Kritik an den Grünen "für ihr durchschaubares Manöver", wie sie es nennt. Schließlich hätten die Grünen selbst dafür gesorgt, dass die Wolfsgärten ausgewählt wurden, und dafür gestimmt, dass das Ankunftszentrum unabhängig vom Standort nicht mehr als acht Hektar Fläche bekommen soll. "Die Stellungnahme der Grünen ist vor diesem Hintergrund vor allem eins: peinlich und feige." Die Grünen hätten offenbar nicht das Verantwortungsbewusstsein, Entscheidungen zu tragen, wenn es schwierig wird, so Fraktionschef Jan Gradel. "Sie wollen Regierung und Opposition in einem sein." (dns)
Würzner reagiert auf den Vorstoß mit einem Offenen Brief an die Grünen – und der hat es in sich. "Mit großem Befremden habe ich in der Presse gelesen, dass die Fraktion der Grünen Zweifel am Standort für den Neubau des Ankunftszentrums im Wieblinger Gewann Wolfsgärten äußert", beginnt er das Schreiben, "und das, obwohl Sie selbst den Gemeinderatsbeschluss für diesen Standort wesentlich mitgetragen haben." Im Folgenden macht Würzner deutlich, wie sehr ihn dieses Vorgehen nervt: "Als Stadtoberhaupt bin ich in diesen für uns alle schwierigen Zeiten an vielen anderen Stellen gefordert, um eine Pandemie und deren Auswirkungen in den Griff zu bekommen." Dass die Grünen den Beschluss vom Juni infrage stellten, sei ärgerlich: "Das zeugt von einer Wankelmütigkeit, die weder den Bürgerinnen und Bürgern noch der Verwaltung dient. Was wir gerade in diesen Zeiten benötigen, ist Verlässlichkeit – und die vermisse ich an dieser Stelle bei Ihnen."
Doch nicht nur den Stil der Grünen findet er unangebracht – auch die Kritik: "Bauherr des Ankunftszentrums ist das Land Baden-Württemberg. Die Heidelberger Grünen-Abgeordnete Theresia Bauer ist als Ministerin Mitglied dieser Regierung." Es irritiere ihn daher, dass Bauer via Presse mitteile, ihr lägen nicht alle Fakten vor. "Es ist sicherlich nicht meine Aufgabe, eine Landesministerin über ein Projekt des Landes zu informieren", so Würzner.
Inhaltlich betont er nochmal, dass die Wolfsgärten aktuell der einzige Standort seien, auf dem eine dauerhafte und zeitnah realisierbare Lösung für das Ankunftszentrum möglich sei. "Heidelberg ist die einzige Kommune im Land, die ein Grundstück anbietet. Einen Verbleib des Ankunftszentrums auf Patrick-Henry-Village haben Stadt und Gemeinderat hingegen immer abgelehnt."
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Das Stadtoberhaupt sei noch immer sicher, "dass auf den Wolfsgärten eine bundesweit vorbildhafte Einrichtung für die Erstaufnahme entstehen kann". Bis zu 2000 Geflüchtete könnten dort unterkommen. "Das ist die Größenordnung, die wir als Maximalgröße dem Land immer genannt hatten. Wenn das Land nun weitere Kapazitäten für 1500 Personen braucht, muss sie diese außerhalb von Heidelberg finden." Wenn die Wolfsgärten aber als zu klein betrachtet würden, dann, so Würzner, "muss das Land eben auf mehrere dezentrale Einheiten setzen. Dabei ist Heidelberg gerne weiter EIN verlässlicher Partner unter anderen. Aber wir können nicht der Problemlöser für alle Fragen der Erstaufnahme sein." Jedoch stehe Heidelberg zu seiner Verantwortung, sagt Würzner – und teilt nochmal gegen die Grünen aus: "Verlässlichkeit ist die Voraussetzung dafür, dass wir ihr auch gerecht werden. Bitte erinnern Sie sich daran!"
Zurückhaltender äußert sich dagegen Landesinnenminister Thomas Strobl. "Das Land hält an seiner Zusage an die Stadt Heidelberg fest, das Gelände im Patrick-Henry-Village schnellstmöglich an die Stadt Heidelberg freizugeben", schreibt er an die RNZ. Mit der Entscheidung des Gemeinderats vom Juni gebe es eine Grundlage, um mit der Detailplanung zu beginnen. "Selbstverständlich werden in diesem Planungsprozess die jeweils geltenden Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts zum Infektionsschutz und auch die Fragen zu Sport- oder Freizeitflächen berücksichtigt", betont der Minister – ohne jedoch konkret auf die Fragen der Grünen einzugehen. "Das Ankunftszentrum Heidelberg war und ist in der Flüchtlingsaufnahme bundesweites Vorbild – und wird es auch in Zukunft bleiben."