Heidelberg/Mannheim

Unikliniken wollen gemeinsam an die Weltspitze (Update)

Die Kliniken und die Universität Heidelberg stellten ihr Konzept vor und wünschen sich eine rasche Grundsatzentscheidung des Landes.

05.10.2020 UPDATE: 09.10.2020 14:28 Uhr 4 Minuten, 36 Sekunden
Foto: Riemer

Von Sebastian Riemer

Mannheim. Das gibt es nicht oft, dass bei einer Pressekonferenz beinahe so viele Menschen auf dem Podium sitzen wie Journalisten davor. Doch der Termin am Freitagnachmittag im Rosengarten war alles andere als alltäglich. Einträchtig wie nie zuvor saßen sie da: Heidelbergs Unirektor Bernhard Eitel, Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz, die Chefs der beiden Unikliniken Ingo Autenrieth (Heidelberg) und Hans-Jürgen Hennes (Mannheim), die Dekane der beiden Medizin-Fakultäten – und noch dazu die Vertreter von vier außeruniversitären Forschungseinrichtungen.

Und dann stellten sie – nur so strotzend vor Selbstbewusstsein – ein Konzept vor, mit dem sie die Rhein-Neckar-Region zu einem weltweiten Spitzenstandort in Sachen Medizin und Lebenswissenschaften machen wollen. Auch die Voraussetzung dafür machten sie unmissverständlich klar: volle Unterstützung – und vor allem sehr viel Geld – vom Land Baden-Württemberg.

Das Konzept hat einen Kern und einen ihn umgebenden Ring. Der Kern: Die beiden Unikliniken wollen zum 1. Januar 2022 zu "einer vereinten Universitätsmedizin mit einem Campus Mannheim und einem Campus Heidelberg" fusionieren. Auch die Medizin-Fakultäten in den beiden Städten sollen zusammengehen, aber langsamer: Zunächst sollen sie ab 2022 unter das gemeinsame Dach einer "Gesamtfakultät" und binnen einer Übergangsphase von fünf Jahren komplett verschmelzen.

Als Ring um diesen Kern schlagen sie eine Forschungsallianz vor, zu der außer der Universitätsmedizin auch aus Heidelberg das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) das Max-Planck-Institut für medizinische Forschung (MPI) sowie aus Mannheim das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) gehören sollen. Der noch sehr sperrige Arbeitstitel: "Heidelberg Mannheim Health and Life Science Alliance".

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Hintergrund

Universitätsklinikum Heidelberg

> Träger: Land Baden-Württemberg

> Mitarbeiter: 13.732

> Betten: 1.991

> Voll- und teilstationäre Patienten: 79.195

> Ambulante Patienten: 243.527

> Umsatz:

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Universitätsklinikum Heidelberg

> Träger: Land Baden-Württemberg

> Mitarbeiter: 13.732

> Betten: 1.991

> Voll- und teilstationäre Patienten: 79.195

> Ambulante Patienten: 243.527

> Umsatz: 919.864.800 Euro

> Jahresergebnis: – 2,93 Millionen Euro

* alle Zahlen aus 2018, da die Bilanz für das vergangene Jahr noch nicht vorliegt

Universitätsklinikum Mannheim

> Träger: Stadt Mannheim

> Mitarbeiter: 4933 (davon 871 an der Medizinischen Fakultät des Universitätsklinikums Heidelberg)

> Betten: circa 1400

> Voll- und teilstationäre Patienten: 49.144

> Ambulante Patienten: 180.136

> Umsatz: 344.879.000 Euro

> Jahresergebnis:– 40,2 Millionen Euro

* Quelle: Geschäftsbericht 2019

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Dabei kann es Eitel, Kurz, Autenrieth, Hennes und Co. gar nicht schnell genug gehen. "Wir hoffen auf eine politische Grundsatzentscheidung in den nächsten Wochen", sagte Mannheims OB, und sollte das Land dem Vorschlag folgen, dann sei dies "eine historische Entscheidung". Eitel sekundierte: "Wir sind bereit. Und wir brauchen jetzt ein Signal: Will das Land dieses Konzept, oder will das Land dieses Konzept nicht?"

Denn das Ganze ist ein Vorschlag aus der Region nach Stuttgart – eingefordert und erbeten von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne), nachdem die Mannheimer im Sommer in ihrer finanziellen Not einen Bittbrief an die Landesregierung geschickt hatten (siehe Bericht unten).

Bauer indes war, obwohl angekündigt, gar nicht dabei im Rosengarten. Das hatte sie kurzfristig entschieden, um "zu verdeutlichen, dass die Wissenschaftsministerin nicht Autorin des Konzepts ist, und Parlament und Regierung noch keine Entscheidung gefällt haben", so Bauer in einer bei der Pressekonferenz verlesenen Grußbotschaft.

Nächste Woche geht das Konzept ganz offiziell nach Stuttgart. Dann ist die Politik am Zug. Und die Autoren des Papiers hoffen, dass dieses nicht im politischen Klein-Klein zerredet wird. "Das ist ein wichtiges Projekt für das Land, das keine Farbe trägt", sagte Peter Kurz. "Wir hoffen, dass nicht nur die Regierung den Entwurf positiv bewertet, sondern auch andere Parteien."

Die Vertreter von Unimedizin und Forschungseinrichtungen ließen keinen Zweifel daran, wie sehr sie an das von ihnen erarbeitete Konzept glauben. Das Wort "historisch" fiel im Minutentakt. "Wenn wir das umsetzen, können wir damit für Jahrzehnte, ja, vielleicht Jahrhunderte die Region und das Land prägen", sagte Heidelbergs Klinikchef Ingo Autenrieth. Es gebe gerade jetzt die "historische Möglichkeit" – und es sei "höchste Eisenbahn, dieses Konzept auf die Spur zu bringen". Auch internationale Experten hätten in ersten Stellungnahmen die Güte des Konzepts bescheinigt. Man wolle nicht nur München und Berlin, nein, auch global führenden Standorten wie Boston und Toronto Konkurrenz machen, erklärte Eitel. "Wir bauen hier einen Motor, wie es ihn in Deutschland nicht noch einmal gibt", so der Unirektor. "Wir bieten dem Land damit an, eine weltweite Leuchtturmregion in den Lebens- und Gesundheitswissenschaften zu schaffen."

Der Mannheimer Klinikchef Hans-Jürgen Hennes machte klar: "Das ist eine einmalige Chance, nicht nur die Probleme hier in Mannheim zu lösen", der Plan liege im Interesse der Patienten und des ganzen Landes. Die Medizin spezialisiere sich immer mehr, durch die Fusion habe man die Chance, die vorhanden Stärken in den beiden Städten weiter voranzubringen. DKFZ-Chef Michael Baumann erklärte, für die Krebsforschung benötige man eine große Anzahl an Patienten, und dafür wiederum "die beste Universitätsmedizin der Welt". Das nun vorgelegte Konzept sei dafür zukunftsweisend.

Heidelbergs Uniklinik-Chef Ingo Autenrieth war es, der erklärte, dass ein gutes Konzept noch keinen automatischen Erfolg garantiere: "Natürlich gibt es bei so einem Prozess immer Chancen und Risiken." Das zeige die Fusion der Kliniken in Marburg und Gießen. Damit der Weg zum weltweiten Top-Standort frei wird, braucht es laut Autenrieth dreierlei: zum einen eine gute "Governance", also die richtigen Führungs- und Managementstrukturen. Zudem müsse man die Mitarbeiter mitnehmen. "Die müssen das auch wollen", so Autenrieth. Und schließlich, drittens, "eine entsprechende Finanzierung". Auch auf mehrfache Nachfrage nannte am Freitag keiner auf dem Podium Zahlen. Aber die Botschaft war klar: Mit einmalig ein paar Hundert Millionen Euro kommt man nicht an die Weltspitze.

Update: Freitag, 9. Oktober 2020, 20 Uhr


Heidelberg. (rie) Die Universität Heidelberg lädt am Freitag zu einer Pressekonferenz ein – in Mannheim. Das verspricht Spannung. Denn auch wenn sich die Beteiligten noch relativ bedeckt halten, ist klar: Es ist der nächste Schritt auf dem Weg zu einer Fusion der Unikliniken Heidelberg und Mannheim. Auf der Pressekonferenz werden erstmals die Spitzen beider Unikliniken gemeinsam öffentlich über die Pläne sprechen.

Auf RNZ-Nachfrage will der Leitende Ärztliche Direktor der Uniklinik Heidelberg, Ingo Autenrieth, dem Termin nicht vorgreifen. Er verrät aber schon, dass es um das "wissenschaftliche und medizinische Konzept einer Fusion sowie eine breite Forschungsallianz der Lebenswissenschaften in der Region" gehen wird.

Die beiden Uniklinika und Fakultäten haben in den letzten Wochen gemeinsam mit der Universität Heidelberg, externen Experten sowie Vertretern des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) und des Max-Planck-Instituts für medizinische Forschung ein entsprechendes Konzeptpapier erarbeitet. "Die beteiligten Akteure sehen große Potenziale in dem Konzept", so Autenrieth. Voraussetzung für das Gelingen sei zum einen, dass die Finanzierung des Konzepts sichergestellt werde. Und zum anderen brauche es eine "straffe Organisationsform, vergleichbar in etwa mit jener der Charité".

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) will der Pressekonferenz am Freitag ebenfalls nicht vorgreifen. Auf RNZ-Nachfrage sagt sie aber so viel: "Ich bin sehr optimistisch, dass da ein großer Wurf gelungen ist." Bauer, die immer wieder Sympathien für eine Fusion geäußert hat, hatte den Prozess angestoßen.

Das Ganze ist als ultimativer Befreiungsschlag gedacht: Auf einen Streich soll die Not des Mannheimer Klinikums beendet werden und zugleich der Startschuss für eine regionale Forschungsallianz fallen, die den Gesundheitsstandort Rhein-Neckar auf Weltniveau katapultieren soll.

Hintergrund: Das Universitätsklinikum in Heidelbergs Nachbarstadt wird nicht vom Land, sondern von der Stadt Mannheim getragen, häuft seit vielen Jahren Schulden an – und hat mittlerweile einen Investitionsstau von mehreren Hundert Millionen Euro. Im Rahmen einer Fusion könnte die Stadt aussteigen, und das Land würde die Finanzierung des neuen Großklinikums komplett übernehmen. Das alles wird sehr, sehr teuer, denn nicht nur müsste am Standort Mannheim kräftig investiert werden, auch der Aufbau eines städteübergreifenden Großklinikums selbst sowie einer schlagkräftigen Forschungsallianz kostet viel Geld.

Spannend bei einer Fusion der Uniklinika werden die Details; etwa die Frage, ob und unter welchen Bedingungen auch die beiden Medizin-Fakultäten zusammengehen. Und schließlich braucht das neue Riesenbaby noch einen Namen. Nach RNZ-Informationen läuft alles darauf hinaus, dass Heidelberg Namensgeber ist. In Mannheim würde dann an der Pforte stehen: "Universitätsklinikum Heidelberg – Campus Mannheim."

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