RNV-Streik am Dienstag

Manchen ging erst am Bahnsteig ein Licht auf (Update/Fotogalerie)

Der Warnstreik bei dem Verkehrsunternehmen soll den ganzen Tag andauern. Auch der Schülerverkehr ist davon betroffen.

25.09.2020 UPDATE: 29.09.2020 18:52 Uhr 12 Minuten, 39 Sekunden
Streik: Leere Bahnsteige am Dossenheimer OEG-Bahnhof Foto: Miltner

Region Heidelberg. (mün/kaf/bmi/shy/lsw/cm/cab) Streik im Nahverkehr der Rhein-Neckar-Region. Seit Betriebsbeginn am Dienstagmorgen stehen alle Busse und Bahnen, die die RNV betreibt, still. Konkret bedeutet das, dass alle ein- und zweistelligen Straßenbahn- und Buslinien in Heidelberg, Mannheim und in der Region rund um die Städte nicht fahren. Rund 250 Arbeitnehmer der RNV versammelten sich unter anderem vor dem Betriebshof in Mannheim.

Zu chaotischen Szenen an den Haltestellen kam es jedoch nach den Worten einer RNV-Sprecherin bislang nicht. "Die Fahrgäste waren vorinformiert, wir haben eine relativ stille Situation im Moment", sagte sie.

Ein Polizeisprecher berichtet zwar von deutlich mehr Verkehr auf den Straßen, vor allem auf den Einfallstraßen in die großen Städte gebe es mehr Verkehrsaufkommen. Auch er kann jedoch von keiner dramatischen Entwicklung oder einem Verkehrschaos berichten.

Bei der Gewerkschaft Verdi, die zu der Arbeitsniederlegung aufgerufen hatte, ist man mit dem Streikverlauf zufrieden. "Die Stimmung ist gut, die Streikbereitschaft ist gegeben", sagte Andreas Schackert, Verhandlungsführer von Verdi. Am frühen Morgen seien an allen Standorten der RNV mit Streikposten sichergestellt worden, dass die Arbeit nicht aufgenommen werde. Auch in den Werkstätten und der Verwaltung werde gestreikt. "Die Kollegen sagen, es wird Zeit, dass der Arbeitgeber was tut", sagte Schackert.

Der Überblick:

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> In Heidelberg sind die Bahnsteige wie leergefegt, die Straßen und Parkhäuser voller als sonst um diese Jahreszeit und viele Taxis, die unterwegs sind: Die Auswirkungen des Warnstreiks sind an diesem Dienstag überall in der Stadt zu sehen. Das befürchtete Verkehrschaos bleibt aber aus. Da das Verkehrsunternehmen bereits am Freitag über den bevorstehenden Stillstand bei Bussen und Bahnen informierte, konnten sich Arbeitgeber und -nehmer, aber auch Schüler und Eltern darauf einstellen. So bleiben auch in den Klassenzimmern nur wenige Plätze frei.

Es ist kurz nach 8 Uhr. Die Männer am Taxistand am Mönchhofplatz in Neuenheim sind enttäuscht. Taxi Nummer 44 und Nummer 112 hatten jeweils erst eine Fahrt an diesem Morgen. Zu diesem Zeitpunkt haben sie sich mehr erhofft, beide stehen seit zwei Stunden hier und warten. "Ich habe nicht gut geschlafen, ich dachte, heute wäre richtig was los wegen des Streiks", sagt einer der Männer. Sein Kollege ergänzt: "Aber die Leute fahren alle mit dem Auto in die Stadt." Er weist mit der Hand in Richtung B 3. Tatsächlich ist viel Verkehr, aber er rollt.

Beide Taxifahrer vermuten, dass viele Arbeitnehmer an diesem Tag einfach im Homeoffice bleiben. Später, im Laufe des Tages, werden die beiden glücklicher sein. Gegen 17 Uhr sagt Reza Ramezani, Vorstand der Heidelberger Taxizentrale: "Heute ist richtig was los." Er muss schon den ganzen Tag den Disponenten unterstützen, der Aufträge an die freien Fahrer vergibt. Statt normalerweise 80 Taxis stehen der Vermittlung heute 109 zur Verfügung. Ramezani berichtet von einem Fahrgastaufkommen wie normalerweise an drei oder vier Werktagen zusammen.

8.30 Uhr am Hauptbahnhof: Die Steige an der neuen Straßenbahnhaltestelle sind verwaist. "Bundesweiter ÖPNV-Streik" steht auf den Displays. Hin und wieder schaut ein Möchtegern-Fahrgast vorbei, nach einem Blick auf die Anzeigetafel geht er verdutzt weiter. E-Tretroller sind zu diesem Zeitpunkt auf dem Bahnhofsvorplatz Mangelware. Pascal Ziegler hat sich nur für heute extra bei "VRN-Nextbike" angemeldet. "Um noch rechtzeitig zur Uni kommen, war es mir das wert", meint er, bevor er auf seinem Leihrad davon fährt. Manche, die an diesem Morgen zur Arbeit müssen, sind auch richtig kreativ. Robin Berchert hat sein altes Skateboard ausgepackt: "Das ist auch mal wieder lustig!"

Zu diesem Zeitpunkt steht ein einsamer Junge mit Maske an der Haltestelle Blumenthalstraße. Als ein Auto angefahren kommt, winkt er. Die Fahrerin gestikuliert, fährt in eine Nebenstraße und sammelt das Kind auf. Hier, in Handschuhsheim und Neuenheim gibt es keinen E-Scooter-Mangel: Zwischen Kapellenweg und Theodor-Heuss-Brücke stehen mindestens 20. Ana überlegt am Bismarckplatz, ob sie spontan eines dieser Gefährte ausprobieren soll. "Eigentlich wollte ich das immer mal machen, aber jetzt habe ich so viele Taschen dabei." Als eine der wenigen hat die 38-Jährige im Vorfeld nichts vom Streik mitbekommen. "Das ist meine Schuld", sagt sie zerknirscht, nimmt es aber mit Humor. Eigentlich müsste sie um 9 Uhr in Kirchheim bei einer Besprechung sein. "Das schaffe ich nicht mehr." Aber die VRN-App zeigt ihr Alternativen an. Mit dem Bus und dann mit der S-Bahn. "Es ist sehr kompliziert." Einen Hinweis auf den Streik sucht sie in der App vergeblich.

11.49 Uhr, zurück am Hauptbahnhof: Hier wirkt um die Mittagszeit alles wie immer. Die S-Bahnen fahren pünktlich, sind nicht voller als sonst. Sogar die digitale Anzeige in der Bahnhofshalle ist im Normalbetrieb und kündigt Busse und Straßenbahnen der RNV für die nächsten Minuten an. Draußen an der Nahverkehrshaltestelle ist es dagegen ungewöhnlich ruhig. Alle zwei bis drei Minuten kommen Menschen und warten auf Busse, die nicht kommen. Erst nach einem Blick auf die Infotafel erkennen sie, dass gestreikt wird. So geht es auch Saskia Welters. Sie ist mit der S-Bahn aus Bruchsal gekommen, weil sie einen Termin in der Uniklinik hat. "Ich hab vollstes Verständnis für den Streik", betont sie. Gerade in der Corona-Krise hätten die Fahrer viel geleistet. "Aber für mich ist das natürlich blöd." Sie werde sich ein Taxi nehmen müssen.

13 Uhr, Bunsen-Gymnasium: Mittagspause – oder Unterrichtsschluss. Auch die Schüler haben mit dem Streik so ihre Probleme:. "Heute war bei uns in der Oberstufe Bücherabgabe vom letzten Schuljahr – wir mussten daher noch viel mehr mittragen als sonst", meint Josefine Enke. Fahrradfahren war nur schwer möglich. Sie musste mit dem Auto gefahren werden.

Nils aus der Unterstufe sind ein paar mehr Fahrräder als sonst aufgefallen, auch in seiner Klasse haben Mitschüler gefehlt. "Vielleicht war ihnen das zu kompliziert, hierher zu kommen", überlegt er. Doch sowohl in dem Neuenheimer Gymnasium wie auch am Hölderlin in der Altstadt heißt es später, dass nur ganz vereinzelt Schüler gefehlt hätten. Sehr viele kommen in diesen Corona-Zeiten ohnehin mit dem Rad.

Ähnliche Beobachtungen hat Doris Rübsam-Brodkorb, Sprecherin des Universitätsklinikums gemacht. Mit 13.000 Beschäftigten ist es der größte Arbeitgeber in Heidelberg. Sicher seien hier und da vereinzelte Personen zu spät gekommen. Einigen Verwaltungsangestellten habe man angeboten, von Zuhause aus zu arbeiten. "Die RNV hat uns rechtzeitig informiert", zeigt sie sich zufrieden: "Die Leute haben sich organisiert."

> Weitgehend verwaiste Bahnsteige in der Region rund um Heidelberg, Busse, die in ihren Depots blieben und auf der anderen Seite volle S-Bahnen sowie Taxiunternehmen, die sich über deutlich mehr Fahrgäste freuten als an gewöhnlichen Wochentagen. Wie sich das auf die Region rund um Heidelberg auswirkte, zeigt ein chronologischer Abriss des Dienstagvormittags.

6.08 Uhr: Heiligkreuzsteinach, Marktplatz: Kurz nach 6 Uhr ist es noch still in Heiligkreuzsteinach, geschäftiges Treiben herrscht nur im Schlachthaus der Metzgerei und auch beim Bäcker brennt schon Licht. An der Bushaltestelle Marktplatz sind noch keine Fahrgäste zu sehen. Offenbar haben sich die Pendler auf den Streik gut eingestellt. Dann taucht doch eine junge Frau auf, die gegenüber der RNZ erzählt, nichts von dem Streik gewusst zu haben. Eigentlich muss sie zur Arbeit nach Altneudorf. Ihre Lösung des Problems: "Ich gehe jetzt nach Hause und wecke meine Mutter, dass sie mich fährt".

Auch Amelie Kiahon und ihre Mutter Monika aus Eiterbach kommen kurz darauf zur Haltestelle. Sie haben zwar von dem Streik gehört, "wir wollten aber zuerst schauen, ob der Bus wirklich nicht kommt", sagen sie. Sie weichen aufs Auto aus. Ein paar Schüler hingegen nehmen den Bus der Linie 735 um 6.36 Uhr: Diese Linie wird von einem privaten Busunternehmen bedient, dessen Fahrer sich nicht am Streik beteiligen. Bis Heidelberg Hauptbahnhof fährt der Bus über Schönau, Neckarsteinach und Neckargemünd – dort mit Anschluss an die S-Bahn. Doch, dass die Linie 735 nicht bestreikt wird, haben offenbar viele nicht gewusst. Eine Schülerin, die auf den "735er" nach Neckarsteinach wartet, meint: "Sonst ist hier alles voll."

7.58 Uhr, Dossenheim, OEG-Bahnhof: Die Haltestellen der Straßenbahnlinie 5 geben ein zur eigentlichen Stoßzeit seltenes Bild ab. Die beiden Gleise sind verwaist. Wo sonst jeden Morgen vor allem viele Schüler und Berufspendler auf ihre Mitfahrt warten, herrscht nun gähnende Leere. Auf der direkt angrenzenden Bundesstraße B 3 ist da schon deutlich mehr los. Die Bewohner der Bergstraßengemeinde sind hier Staus in Richtung Heidelberg gewohnt – sie bleiben an diesem Morgen aber aus.

Zwar fahren gerade in Richtung Schriesheim mehr Autos als üblich, aber der Verkehr rollt problemlos. Auch, weil scheinbar noch mehr Dossenheimer als ohnehin schon auf zwei Räder umgestiegen sind, wie der gut frequentierte Radweg an der B 3 beweist. "Bis ins Bunsen-Gymnasium ist es ja nicht weit", sehen zwei Schüler das Radeln entspannt und treten kräftig in die Pedale, als die Ampel für sie auf Grün umschlägt.

Foto: Alex

8.25 Uhr, Wilhelmsfeld, Autohalle: Um diese Zeit wabert noch ganz gewaltig der Nebel im Luftkurort. An der Haltestelle Autohalle herrscht gähnende Leere. Keiner verirrt sich zu diesem Standort, man hat wohl gewusst, dass die rnv streikt und daher die Linie 34 nicht fährt. Ein wenig weiter oben bei der Station Café Junghans sieht es da schon etwas anders aus. Dort warten doch ein paar Pendler, die insgeheim hoffen, dass es eine Möglichkeit gibt, mit dem Bus nach Heidelberg zu kommen.

Die Alternative mit dem blauen Boliden der Linie 628 kommt fast auf die Minute pünktlich um 8.32 Uhr. "Wir streiken nicht", ruft der junge Busfahrer den Fahrgästen entgegen, macht allerdings gleich darauf aufmerksam, dass es über Altenbach und Schriesheim geht. "Dort fährt die Linie 5 auch nicht", warnt er vorausschauend. Es ist unwahrscheinlich, dass die Möglichkeit über Ladenburg mit der Regionalbahn nach Heidelberg zu gelangen viele Nutzer fand ...

Dafür rollt verstärkt der motorisierte Individualverkehr über die Johann-Wilhelm-Straße, wie unschwer zu erkennen ist. Auch ein Motorroller mit zwei jungen Menschen düst den Buckel hoch, um wohl in die nahe Stadt zu gelangen. "Am Mittwoch ist der Spuk wieder vorbei", sagt eine Passantin, die sich genau über den Streik erkundigt hat.

10 Uhr, Neckargemünd, Bahnhof: Züge halten am Gleis und fahren wieder ab, Busse stoppen an ihren Haltepunkten und einige wenige Pendler huschen von A nach B. So weit, so normal sieht die Situation am Dienstagvormittag am Neckargemünder Bahnhof aus. Das befürchtete Chaos in Folge des rnv-Streiks bleibt zum Zeitpunkt des RNZ-Besuchs aus. Das dürfte einerseits daran liegen, dass die wenigen von der Bestreikung der Buslinie 35 abhängigen Pendler vor Ort über den Streik informiert sind und sich um entsprechende Alternativen in Sachen Fortbewegung gekümmert haben. Andererseits gibt es hier in Neckargemünd gute Alternativen: Sowohl die S-Bahnen und Regionalzüge als auch die Buslinien 735, 752, 754 und 755 verkehren auf ihren gewohnten Strecken.

11.30 Uhr, Leimen, Haltestelle Kurpfalz-Centrum: An der zentralen Straßenbahnhaltestelle der Großen Kreisstadt herrscht gähnende Leere. Wo zurzeit wegen der Baustelle in der Römerstraße die Straßenbahnen enden und sonst im Zehn-Minuten-Takt Richtung Heidelberg abfahren, ist am Dienstag Stillstand angesagt. Offenbar sind die Leimener gut informiert. Denn wie auch die Inhaber der Ladengeschäfte im Kurpfalz-Centrum der RNZ bestätigen, warten den ganzen Vormittag über keine Fahrgäste vergeblich auf Straßenbahnen. Dafür sei am Morgen an den Bushaltestellen deutlich mehr los gewesen als sonst. Besonders gefragt war die Linie 757, die Heidelberg anfährt.

Ebenfalls mehr zu tun hatte Michael Keller. Der Inhaber von "Taxi Keller" berichtet, dass er einige Extra-Fahrten wegen des rnv-Streiks absolvierte. "Es waren aber weniger als beim letzten Streik", erinnert sich Keller. Dafür seien die Straßen Richtung Heidelberg voll gewesen. Für die Strecke von sonst um die 15 Minuten habe er nun eine halbe Stunde benötigt. Unter den Fahrgästen seien auch Kinder gewesen, die in eine Heidelberger Schule mussten. Manche Eltern hätten schon am Vortag reserviert, andere meldeten sich auch erst am Dienstagmorgen ...

11.54 Uhr, Eppelheim, Haltestelle Kirchheimer Straße: Einen Hinweis auf den seit den Morgenstunden laufenden ganztägigen rnv-Streik sucht man hier vergeblich. Eine digitale Anzeige gibt es hier ebenso wenig wie an den anderen beiden Eppelheimer Haltestellen Rathaus und Jakobsgasse. Die Folge ist, dass an allen drei Haltestellen immer wieder vereinzelt Bahnpendler eintrudeln, die auf die Linie 22 in Richtung Heidelberg warten – doch die Bahn kommt nicht. Die Dame um die 50, die Frau mit dem Handy in der Hand, der junge Mann mit den Stöpseln im Ohr: Sie alle erfahren erst auf Ansprache der RNZ von dem Streik und zeigen sich dankbar für die Info. Der 33-jährige Mehdi Nejati etwa befindet sich auf dem Weg zu seinem Deutschkurs an der Sprachschule in Heidelberg. Diesen wird er verpassen. Er entfernt sich zu Fuß; die Möglichkeit wie viele andere an diesem Tag kurzfristig aufs Auto umzusteigen hat er nicht.

> In Weinheim und Schriesheim waren die Meinungen zum Warnstreik bei der RNV geteilt, die Reaktionen betroffener Fahrgäste entsprechend unterschiedlich. Sie reichten von vollstem Verständnis für das Personal der Linie 5 fünf bis hin zum Vorwurf, die Streikenden verhielten sich rücksichtslos. Die RNZ hat sich am Alten OEG-Bahnhof in Weinheim und am Bahnhof in Schriesheim umgehört.

Zwar kam der Weinheimer Yannick Erasmus am Dienstagmittag nicht mit der RNV-Linie 5 weiter, sauer war er deshalb aber nicht. So wie ihm ist es gestern gar nicht so wenigen Fahrgästen gegangen: Erst an der Haltestelle fiel ihnen wieder ein, dass ein Warnstreik im Öffentlichen Dienst angekündigt war. "Die wollen mehr Lohn. Da bin ich dafür", sagte Erasmus zu den Forderungen der Streikenden. Er sei zwar auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen, aber wegen des Streiks sei er nicht aufgebracht. Die Fahrer würden nicht besonders gut bezahlt. Das habe er von einem Bekannten erfahren, der entsprechend beschäftigt ist.

"Ich kann die Streikenden verstehen", sagte auch Sofie Jäckisch. Auch sie stand an der Weinheimer Haltestelle und wartete vergebens auf die Bahn nach Viernheim. Am Morgen war sie noch im Auto mitgenommen worden und hatte gehofft, dass um die Mittagszeit auch die RNV-Bahnen wieder fahren. Sie pendle täglich von der hessischen Nachbarkommune nach Weinheim und sei auf die Linie 5 angewiesen. Trotzdem wolle sie den Streikenden keinen Vorwurf machen.

"Ich finde das in Corona-Zeiten nicht so sinnig", meinte dagegen ein in Weinheim wartender Fahrgast aus Rimbach, der eigentlich nach Mannheim wollte: "Die hätten doch warten können, bis das vorbei ist." Dass er nicht weiterkam, ärgerte ihn. Ebenso wie seine Vorrednerin hatte er sich davon täuschen lassen, dass die Züge der (Bundes-)Bahn regulär verkehrten. Die Beschäftigten der Bahn hatten nichts zu tun mit dem Warnstreik. "Jetzt nehm’ ich halt doch das Motorrad", meinte er achselzuckend und verließ die Haltestelle. "Die haben sicher ihre Gründe. Ich finde es aber auch ein bisschen egoistisch", artikulierte John Hoffmann eine abwägende Meinung, als er mit seiner Mutter am Alten OEG-Bahnhof wartete. Die beiden seien von dem Streik völlig überrascht worden, so der Schüler.

Am Bahnhof in Schriesheim sah das Bild am späten Vormittag ähnlich aus wie später in Weinheim. Zu den etwa parallel liegenden Abfahrtszeiten der Züge gen Heidelberg und Weinheim kamen vereinzelt Fahrgäste. Auch zwei Frauen, die ihre Namen nicht in der Zeitung lesen wollen, erfuhren erst an der Haltestelle von dem Streik. Beide waren unterwegs zu einem Arzttermin. Eine von ihnen musste sich von einem Umstehenden ein Handy ausleihen, um den Termin abzusagen. "Ich bin auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen", so eine der beiden auf die Frage, ob sie Verständnis für die Streikenden habe. Das Gegenteil ist der Fall: Sie finde den Ausstand "eher rücksichtslos".

Völlig überrascht kam auch der 18 Jahre alte Dominik Föse am Bahnhof an. "Ich bin gestern erst hierhergezogen", sagte der angehende Student und lachte. Die Frage, ob auch er den Warnstreik vergessen hatte, war damit beantwortet. "Ich habe ein Auto", meinte er. Er habe zwar keine Lust, damit nach Heidelberg zu fahren: "Aber jetzt bleibt mir nichts anderes übrig."

> Knapp 200 beschäftigte Frauen und Männer der RNV standen vor dem Betriebshof in Mannheim. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatte bereits nach zwei Verhandlungsrunden für die Angestellten im Öffentlichen Dienst zum Warnstreik aufgerufen. "Wir sind es wert", unterstrichen Bus- und Straßenbahnfahrer sowie die Mitarbeiter der Verwaltung und der Werkstätten ihre Forderungen.

"Es geht uns nicht allein um faire Löhne", betonte Stephan Fuhrmann, Betriebsratsvorsitzender der RNV. Obwohl er weiß, dass die Entlohnung nach dem Haustarifvertrag des länderübergreifenden Verkehrsunternehmens deutlich unter den Zahlen des Spartentarifvertrages in Baden-Württemberg liegen und Fahrer beispielsweise in Karlsruhe deutlich mehr verdienen können als in Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen. "Es geht uns aber vor allem um die Arbeitsbedingungen."

Foto: Gerold

So fordert die Gewerkschaft, dass beispielsweise die Rückfahrt nach Dienstschluss nach Hause ebenfalls zur Arbeitszeit gerechnet wird. "Wenn ein Fahrerkollege hier am Betriebshof seinen Dienst antritt und das Dienstende meinetwegen in Käfertal liegt, dann ist er noch mindestens eine halbe Stunde unterwegs." Forderungen, auf welche die Arbeitgeber noch nicht einmal eingegangen seien, zürnte der Gewerkschaftler, der außerdem an die große Verantwortung der Fahrer erinnerte, die täglich Tausende Kunden transportieren. "Und ich möchte einmal sagen, dass weder der Verkehr in den letzten 20 Jahren weniger wurde noch die Passagiere entspannter", so Fuhrmann.

Immerhin: Diese Fahrgäste waren auch in Mannheim und Ludwigshafen nur relativ wenig betroffen. "Die meisten hatten sich offensichtlich auf den frühzeitig angekündigten Warnstreik eingerichtet", erklärte Fuhrmann nach einer kurzen Stippvisite am Mannheimer Hauptbahnhof und auf dem Berliner Platz in Ludwigshafen, den großen Drehscheiben des Nahverkehrs beider Städte.

Andreas Schackert, Verdi-Landesfachbereichsleiter Verkehr, richtete vor dem geschlossenen RNV-Betriebshof konkrete Forderungen an die Arbeitgeber: "Eine notwendige Mobilitätswende kann nur mit einem gestärkten ÖPNV gelingen. Und ohne Fahrerinnen und Fahrer sind weder Busse noch Bahnen unterwegs. Wir wollen ein gemeinsames Signal für eine Verkehrswende setzen", rief er den RNV-Beschäftigten zu und verwies auf die Unterstützung der Umweltorganisationen, die sich für eine Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs aussprechen und auch den Warnstreik unterstützten.

Aber das gehe über den reinen Fahrdienst hinaus, verdeutlichte Fuhrmann. "Weil es in Heidelberg nicht genügend Platz gibt, kommen die Busse von dort zur Wartung alle nach Mannheim." Unnötige Leerfahrten – zu Lasten des Unternehmensgeldbeutels und zu Lasten der Umwelt. Eine Verbesserung habe das Nein des Heidelberger Stadtrates gegen einen neuen Betriebshof mittelfristig verhindert.

Überhaupt: Die Werkstätten treiben Stefan Fuhrmann besonders um. "Wir kaufen immer modernere Fahrzeuge, aber dafür müssen wir auch die Handwerker einlernen." Die aktuelle Belegschaft sei deutlich überaltert. Und bei der Konkurrenz von Fahrzeugherstellern wie John Deere oder auch Daimler im Umkreis, die ähnliche Qualifikationen einfordern, werde die RNV für künftige Fachkräfte immer unattraktiver, so seine Befürchtung.

Bei diesem eintägigen Warnstreik bleibe es vorerst, erklärte Verhandlungsführer Schackert. "Vor dem 7. Oktober sind keine weiteren Aktionen geplant." Die nächsten Verhandlungsrunden sind für den 7. und 27. Oktober vorgesehen. "Wir wollen abwarten, ob sich die Arbeitgeber bis dahin bewegen." Viel Hoffnung hat er dabei aber nicht. "Zu unseren Forderungen nach Urlaubsgeld und Entlastungstagen haben sie bis jetzt klar Nein gesagt. Wir müssen sehen, ob wir da noch vorankommen." Er glaubt also, dass vor allem die Arbeitgeber noch viele Hausaufgaben vor sich haben.

Diese reagierten auf den angekündigten Warnstreik in Mannheim zunächst einmal mit einer Betriebsschließung. Ein Notfallfahrplan mit dann überfüllten Fahrzeugen hätte gerade in Zeiten der Corona-Pandemie keinen Sinn ergeben und sei nicht vorstellbar gewesen, so die Auskunft des Unternehmens. RNV-Sprecher Moritz Feier sagte dazu auf RNZ-Anfrage: "Wir wissen im Vorfeld eines Streiks nicht, wie viele Kolleginnen und Kollegen die Arbeit nieder legen. Hierbei geht es nicht nur um den Fahrdienst, sondern auch um viele andere kritische Bereiche wie die Werkstätten oder die Betriebszentrale. Unter diesen Umständen ist ein Notbetrieb, auf den sich die Kunden auch verlassen können, nicht planbar. Aufgrund von Corona sind zudem die Bedingungen für Fahrgäste wie auch Fahrpersonal teilweise ohnehin schwierig." So blieben am Dienstag rund 190 Bahnen und 200 Busse in den Depots. Insgesamt hat die RNV gut 2200 Beschäftigte, davon etwa 1200 im Fahrbetrieb.

Feier erinnerte daran, dass das Unternehmen bereits am vergangenen Freitag "auf allen uns zur Verfügung stehenden Kanälen" über den Streik informiert und die Kunden "vorgewarnt" hatte. "Wir hoffen, dass dadurch möglichst viele Menschen die Möglichkeit hatten, sich auf die Situation einzustellen." Jedenfalls sei die Zahl der Beschwerden "überschaubar" gewesen. Viele stiegen aufs Auto um.

Auf den Straßen brach aber nicht das große Chaos aus. Zwar seien die "Einfallstraßen" in Mannheim und Heidelberg stark belastet gewesen, und es sei nicht ganz so entspannt gelaufen wie sonst, so Polizeisprecher Norbert Schätzle auf RNZ-Anfrage. Zusammengebrochen sei der Verkehr aber nicht. Gleiches galt auch für die B3 zwischen Heidelberg und Weinheim.

Update: Dienstag, 29. September 2020, 19.39 Uhr

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