Region Heidelberg

Verwandte einer Familie von der Explosion in Beirut betroffen

Wohnungen wurden völlig zerstört - "Wir waren wie gelähmt"

11.08.2020 UPDATE: 12.08.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden
Minerva Jeronutti (r.) und Natalie Zantopp sind erleichtert, dass ihre Verwandten nicht sehr schwer verletzt wurden. Foto: Alex

Von Christoph Moll

Neckargemünd/Neckarsteinach. Das Entsetzen über die schwere Explosion in der libanesischen Hauptstadt Beirut mit mindestens 160 Toten und mehr als 6000 Verletzten ist groß – und es reicht bis in die Region rund um Heidelberg. Denn in Neckargemünd und Neckarsteinach leben Minerva Jeronutti und ihre Tochter Natalie Zantopp. Sie haben Verwandte in Beirut, die von dem Unglück betroffen sind. Entsprechend groß war die Sorge bei ihnen in den vergangenen Tagen.

"Meine Tochter hat von der Explosion im Internet gelesen und mich gleich informiert", erzählt Minerva Jeronutti. "Wir waren zunächst schockiert und wie gelähmt." Erste Versuche, mit ihrer Schwester und ihrem Neffen in Beirut Kontakt aufzunehmen, seien gescheitert. "Wir hatten große Angst um sie", erzählt die Neckargemünderin, die mit ihrem Mann Karl-Heinz früher in Mauer lebte und auch durch ihn im Alter von 21 Jahren nach Deutschland kam. Doch dann kam die erlösende Nachricht: "Mein Neffe hat sich gemeldet", erzählt Jeronutti. "Alle standen völlig unter Schock."

Zerstörung wohin man blickt: Bei der schweren Explosion im Hafen von Beirut wurden die Wohnungen von Verwandten der Neckargemünder Familie schwer beschädigt. Foto: privat

Kein Wunder. Denn obwohl die Schwester und der Neffe rund sieben Kilometer vom Ort der Explosion am Hafen entfernt leben, wurde ihre ganze Wohnung in einem Hochhaus durch die Druckwelle schwer beschädigt. "Meine Schwester war mit ihrem Sohn auf der Terrasse, als es zu der Explosion kam", erzählt Jeronutti. "Sie sind dann schnell reingegangen." Obwohl es die Fensterscheiben in die Wohnung drückte und auch die Haustür aus der Verankerung riss, blieben sie unverletzt. "Sie haben erst einmal keine Bewegung mehr gemacht", erzählt die 62-Jährige. "Um sie herum haben viele Menschen geschrien und um Hilfe gerufen." Zunächst sei nämlich völlig unklar gewesen, ob es sich um ein Erdbeben oder einen Anschlag handelte. Oder ob es sogar der Beginn eines Krieges war.

Die Schwester und der Neffe von Minerva Jeronutti hatten – wenn man das in diesem Fall überhaupt sagen kann – zumindest noch ein bisschen Glück im Unglück. Denn eine Nichte der Neckargemünderin lebt noch näher am Hafen, ihre Wohnung wurde völlig zerstört. Deren Tochter wiederum wurde von Glassplittern an der Hand verletzt und musste in einer Klinik behandelt werden. Auch noch eine weitere Nichte von Jeronutti wurde verletzt. "Alle stehen bis heute unter Schock", erzählt die Neckargemünderin.

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Zerstörung wohin man blickt: Bei der schweren Explosion im Hafen von Beirut wurden die Wohnungen von Verwandten der Neckargemünder Familie schwer beschädigt. Foto: privat

Inzwischen hat Minerva Jeronutti täglich Kontakt zu ihrer Schwester und zu ihrem Neffen. So wissen sie, dass diese wieder in ihre Wohnung zurückgekehrt sind und diese so weit wie möglich hergerichtet haben. Die zerstörten Fenster haben sie abgehängt, die Haustür notdürftig repariert. Denn es besteht die Gefahr von Plünderungen und Einbrüchen. "Es ist sehr gefährlich", so Jeronutti.

Doch die Solidarität in Beirut sei groß: "Jeder hilft dem anderen", erzählt die Neckargemünderin. Die Aufräumarbeiten würden in großem Stil laufen. Die Sorgen um das Finanzielle stünden nicht im Vordergrund, sind aber da. Viele Manschen hätten ihre Existenz verloren, Gebäudeversicherungen wie in Deutschland gebe es nicht. Man stehe aber zusammen. So würden Handwerker nicht sofort Geld verlangen.

"Wir sitzen da und können nicht helfen", bedauert auch Minerva Jeronutti, die in der mobilen Pflege arbeitet. Ihre Tochter Natalie ergänzt: "Wir haben überlegt, wie wir unsere Familie zumindest finanziell unterstützen können." Der Neffe ihrer Mutter, also ihr Cousin, habe früher in einer Bank gearbeitet. Damals sei dies noch einfach gewesen. Nun arbeitet er in der Verwaltung einer Klinik, die ebenfalls beschädigt wurde. Viele Libanesen seien skeptisch, ob Hilfsgeld über den Staat wirklich bei ihnen ankommt. "Wir bräuchten einen Privatjet, um selbst hinzufliegen", sagt Zantopp. Normale Flüge seien wegen der Corona-Pandemie problematisch. "Wir würden gerne irgendetwas tun – sei es, auch nur für unsere Familie da zu sein", so Zantopp. "Oder ihnen eben eine Waschmaschine zu kaufen." Nun müsse man hoffen, dass Hilfsaktionen erfolgreich seien.

Auch der Glaube an Gott helfe ihrer Familie, so Jeronutti. "In den ersten Tagen waren alle sehr traurig", erzählt sie. "Aber jetzt schauen sie nach vorne."

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