Auto-Tuner wollen sich von Poser-Szene differenzieren (plus Video)
"Nicht alle über einen Kamm scheren" - Mit schönen Autos muss man nicht rasen

Von Noemi Girgla
Neckar-Odenwald-Kreis. Nicht nur der Polizei sind sie ein Dorn im Auge, auch der Autoszene selbst – die Poser. "Die Poserszene wirft ein schlechtes Bild auf uns", stellt Lars Henrik Hirth fest.
Er ist einer der "Carbuddys", eine Gruppe von Freunden, die einfach Spaß an Autos haben. Das Verhalten der Poser finden sie alle "komplett fehl am Platz".
"Wir treffen uns extra an Orten, an denen wir niemanden stören und an denen die Poser nicht sind. Nicht, weil wir Angst vor Kontrollen haben, wir machen ja nichts, sondern weil wir mit denen nicht in Verbindung gebracht werden wollen", erklärt Bastian Balog, der das PS-stärkste Auto der Gruppe fährt.
"Trotz der vielen PS sind alle der Meinung, ich würde im Verkehr schleichen", schmunzelt Balog, "aber ich komme lieber sicher zu Hause an, als ein bisschen früher."
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Den Freunden geht es nicht ums Angeben oder gar Rasen. Im Gegenteil, die eigenen Autos sind ihnen viel zu schade, um sie voll auszufahren. "Wenn man zeigen will, was man selbst oder das Auto kann, gehört man nicht auf die Autobahn, sondern auf die Rennstrecke", sagt Ralph van Nieuwenhoven, der die Gruppe ins Leben gerufen hat.
Er selbst würde aber nie mit seinem Auto auf den Ring gehen, höchstens eins dafür mieten. "Sonst kann man sich ja gleich einen neuen Satz Reifen holen", meint er und grinst.
Für van Nieuwenhoven sind die Carbuddys mehr als nur ein Haufen gleichgesinnter Autoliebhaber. "Wir sind familiär sehr zusammengewachsen", berichtet er, "während Corona konnte ich meine Familie in den Niederlanden nicht besuchen, da hat die Gruppe mich aufgefangen."
Van Nieuwenhoven ist der einzige, der ein niederländisches Kennzeichen an seinem Auto hat. Jeder aus der Gruppe hat etwas an seinem Auto verändert, ganz legal und in den Papieren eingetragen.
Auch van Nieuwenhoven – allerdings in Rotterdam. Da in den Niederlanden aber andere Richtlinien für die Zulassung herrschen, bekommt er keine deutsche Zulassung für seinen Renault Megane.
"Ich habe nichts zu verbergen", sagt van Nieuwenhoven, "aber das Auto fällt eben auf, und ich werde deshalb auch sehr häufig von der Polizei kontrolliert. Natürlich geht das meist recht schnell und viele Beamte kennen mich – und vor allem das Auto – auch schon."
Für eine deutsche Zulassung müsste er den Renault für viel Geld wieder umbauen lassen. Geld, das er lieber in Auto-Pflegeprodukte investiert. Geschätzt über 2000 Euro gibt er im Jahr dafür aus. "Mein Auto ist meine Visitenkarte", erklärt der gelernte Automobilkaufmann. Die meiste Zeit geht auch nicht fürs Schrauben, sondern für die Autopflege drauf.
Davon können auch Selina Heintz, Anna Adelsberger, Jannis Becker und Jennifer Jenc-Behl ein Lied singen. Extra für den RNZ-Termin wurden die Autos noch einmal im Schnitt drei Stunden lang auf Hochglanz poliert. "Als ich am Treffpunkt ankam, war das Auto schon wieder dreckig", erzählt Jenc-Behl – sie habe dann noch einmal nachpoliert.
Schon lange sei Auto-Tuning keine Männerdomäne mehr, berichten die drei Frauen aus der Gruppe. Heintz ist gelernte KFZ-Mechanikerin und hat somit die besten Voraussetzungen, um an ihrem VW Golf auch mal zu schrauben. Es sei gar nicht einfach gewesen, als Frau einen Ausbildungsplatz für den Job zu bekommen, resümiert sie.
Oft fehle es den Werkstätten an separaten Sanitärräumen für Frauen. Diese seien aber Voraussetzung, um weibliche Azubis aufnehmen zu können. Jenc-Behl gehört der Tuningszene schon an, seit sie drei Jahre alt ist. Damals hatte ihr Schwager sie bereits zu den Treffen mitgenommen. Diese Begeisterung möchte sie nun auch so weitergeben.
Der Gruppe ist es wichtig, auch ihre Familien in das Hobby zu integrieren. Kinder sind ausdrücklich erwünscht. Anna Adelsberger hat ihren Dreijährigen dabei. "Wenn wir was am Auto machen, schraubt er schon mit", erzählt sie.
Die Carbuddys wollen ihre Kinder verantwortungsvoll an Autos heranführen. "Kinder sind die Zukunft, sie sollen sehen, was wir machen, und es richtig lernen", unterstreicht Hirth. "Besser sie stecken ihr Geld später in Autos als in Drogen", fügt er noch hinzu.
Von den Posern wollen sich die Freunde jedenfalls deutlich differenzieren, und van Nieuwenhoven fasst zusammen: "Man kann nicht einfach alle über einen Kamm scheren. So wenig, wie alle Holländer kiffen, Holzschuhe tragen oder Wohnmobil fahren, so wenig sind alle Tuner Raser."
In den Augen der Carbuddys sollen Autos schön und gepflegt sein, dadurch positiv auffallen. "Aber es gibt eben auffallen und auffallen", meint Hirth. "Unsere Autos sind Hingucker, aber die Poser fallen durch ihr Verhalten negativ auf. Die Frage ist da nicht, ob etwas passiert, sondern lediglich wann."