Bedürfnisse von Anwohnern und Nutzern prallen aufeinander
Private Tanzgruppe ärgert sich über die Polizei - "Als wären wir Kriminelle"

Von Sarah Hinney
Heidelberg. Für die einen ist sie beliebte Freizeitfläche zum Entspannen, Sporttreiben, Spielen, Grillen und Feiern, für die anderen eine permanente Lärmquelle – teils bis tief in die Nacht direkt vor der Haustür: die Neckarwiese. Vor allem am Wochenende zieht es in lauen Nächten viele Menschen auf Heidelbergs längste Grünfläche zwischen Theodor-Heuss- und Ernst-Walz-Brücke. Auch am Samstagabend trafen sich wieder hunderte Menschen am Fluss zum Spielen, Musizieren und auch zum Tanzen. Viele hatten kleine Lautsprecherboxen dabei und hörten Musik.
Wenn so viele Menschen an einem Ort zusammenkommen, ist ein gewisser Geräuschpegel nicht zu vermeiden. Am Samstagabend gegen 22 Uhr war es dennoch recht friedlich. Später wurde es aber offenbar zu laut. Der Polizei wurden mehrere Ruhestörungen gemeldet. Daraufhin haben die Beamten gemeinsam mit dem Kommunalen Ordnungsdienst am frühen Sonntagmorgen gegen 1 Uhr die Wiese geräumt. Nicht zum ersten Mal, auch am Wochenende zuvor hatte die Polizei in der Nacht von Samstag auf Sonntag für Ruhe gesorgt und die Menschen gebeten, nach Hause zu gehen, damit die Anwohner schlafen können.
Franziska Lipp hat Verständnis für die Anwohner. Wenig Verständnis hat sie allerdings für das, was sie und ihre Freunde am vergangenen Dienstagabend erlebt haben – und deshalb hat sie sich an die RNZ gewandt. "Wir sind eine Gruppe junger Menschen, die gern Salsa und Bachata tanzen", berichtet Lipp. Da zurzeit keine Tanzveranstaltungen in geschlossenen Räumen stattfinden dürfen, "haben wir nach Alternativen gesucht".
Die Wahl fiel auf die Wendeplatte unter der Ernst-Walz-Brücke hinter dem Skaterpark. "Wir haben den Ort extra ausgewählt, weil da niemand in der Nähe wohnt, sodass auch niemand gestört werden kann", begründet Lipp die Entscheidung. Ein paar Tage lang ging das gut. "Wir haben uns dort schon mehrfach getroffen, um zu tanzen und die Polizei, die an der Neckarwiese bis zum Skaterpark regelmäßig ihre Runden zieht, hat nie etwas zu uns gesagt." Am Dienstagabend dann schon. "Wir waren sechs Leute und als wir gerade gehen wollten, kamen drei Polizisten auf uns zu und nahmen direkt unsere Personalien auf, um ein Bußgeldverfahren einzuleiten", berichtet die junge Frau.
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Die Begründung: Laut Polizeiverordnung ist das Verwenden von Lautsprechern auf öffentlichen Plätzen verboten. Polizeisprecher Norbert Schätzle bestätigt das und weiß auch von dem Vorfall: Die Kollegen seien im vorderen Bereich der Neckarwiese unterwegs gewesen, als sie darauf aufmerksam wurden, dass an der Brücke einiges los war, schildert Schätzle die Sicht der Polizei. Dabei sei es wohl nicht allein um die Tanzgruppe gegangen. Dort standen auch einige "aufgemotzte Fahrzeuge mit lauter Musik", so Schätzle.
Lipp und ihre Freunde wussten nicht, dass Lautsprecher verboten sind, zumal auf der Neckarwiese und an der Skateranlage tagtäglich zahlreiche Menschen Musik hören – auch aus Boxen. Die junge Frau weiß, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt, was sie aber maßlos ärgert, ist, dass die Polizei sie bei früheren Gelegenheiten nie auf das Verbot hingewiesen habe, sondern die Tanzgruppe gewähren ließ. "Dabei waren wir bei einigen Treffen sogar deutlich mehr Personen.", so Lipp. Empört ist sie außerdem darüber, dass die Beamten direkt sämtliche Personalien aufgenommen haben, anstatt erst einmal nur eine Verwarnung auszusprechen. "Einer der Polizisten war in Zivil und hat gesagt, er habe uns schon eine Dreiviertelstunde beobachtet. Warum hat er uns nicht einfach angesprochen?", fragt sich Lipp. "Dann wären wir doch gegangen."
Die junge Frau ist sich sicher, dass sie an jenem Abend niemanden gestört habe – im Gegenteil: "Die Musik war nicht sonderlich laut, die Skater sind naturgemäß viel lauter. Viele Spaziergänger haben eine Weile haltgemacht und zugeschaut und einige Kinder sogar mitgetanzt."
Selbst die Polizisten hätten ihr bestätigt, dass es keinerlei Beschwerden gegeben habe. Trotzdem "hat man uns behandelt, als wären wir Kriminelle", ärgert sich Lipp und sagt auch: "Ich denke, die Polizei verhindert mit solchen Maßnahmen jegliche kulturelle Aktivität in Heidelberg und das aus reinem Formalismus."



