Heidelberg

Viele leere Jugendherbergs-Betten - dennoch großer Aufwand

Geschäft der Jugendherberge im Neuenheimer Feld läuft langsam wieder an - 60.000 Übernachtungen könnten Ende des Jahres fehlen

05.07.2020 UPDATE: 06.07.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 11 Sekunden

An der Rezeption sollen schwarz-gelbe Bänder die Gäste leiten – sofern sie kommen. Die Jugendherberge kämpft wegen der Coronapandemie mit stark gesunkenen Übernachtungszahlen. Foto: Philipp Rothe

Von Arnd Janssen

Heidelberg. Der große Eingangsbereich ist nahezu menschenleer, das Bistro geschlossen, lediglich drei Mitarbeiterinnen warten am Empfangstresen auf die Rückkehr der Gäste zum Abend. "Normalerweise würden heute hunderte Leute einchecken, im Juni und Juli ist unsere Hochsaison", sagt Martina Rihm, Leiterin der Jugendherberge Heidelberg International im Neuenheimer Feld. Rihm, die die Herberge mit ihrem Mann seit 2004 leitet, spürt wie alle Hotel- und Gaststättenbetreiber die Folgen der Corona-Krise enorm – auch wenn der Betrieb am 1. Juni für die Gäste wieder geöffnet werden konnte. Weit über zwei Monate, nämlich seit dem 19. März, war die Unterkunft geschlossen. "Das war schrecklich – Storno, Storno, Storno…", erinnert sie sich.

Nachdem die Information vom Landesverband der Jugendherbergen kam, unverzüglich zu schließen und alle Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken, war man noch einige Tage damit beschäftigt, die hohe Zahl der Buchungsstornierungen zu bearbeiten. "Dann mussten wir uns fragen: Wie kann man die Fixkosten reduzieren, wenn wir keine Einnahmen haben?", erinnert sich Rihm. Fast alle Mitarbeiter mussten ihre Stundenzahl auf "null Prozent" reduzieren, nur die Herbergsleitung, Hausmeister und eine Handvoll Angestellte konnten mit 30 Prozent Arbeitszeit weitermachen. Zwischenzeitlich war es möglich, Angehörige von Corona-Patienten aus dem nahegelegenen Universitätsklinikum aufzunehmen, sowie die großzügigen Räumlichkeiten der Herberge als Ausweichunterbringung für städtische Ämter im möglichen Falle eines dortigen Ausbruchs zu nutzen. Dies wurde aber kaum in Anspruch genommen, so Rihm.

Erste Rückkehrer: 40 bis 70 Gäste nächtigen derzeit in der Jugendherberge im Neuenheimer Feld. Foto: Rothe

Am ersten Tag nach der Schließung lud Rihm alle Mitarbeiter zu einer Austauschrunde ein und versuchte, sie zu beruhigen: "Wir haben versucht, alle in die Schließung mitzunehmen und die Mitarbeiter haben es gut aufgenommen", erklärt Rihm. Während einige Leitungskollegen verwaltungstechnische Aufgaben von zu Hause wahrnehmen konnten, war Rihm stets vor Ort, um nach dem Rechten zu sehen: "Es war merkwürdig, alles so leer zu sehen, das Unkraut kam auf den Terrassen schon raus." Kleinere Reparaturarbeiten im Sanitärbereich konnten gemacht werden, für größere Renovierungen fehlten die Mittel. Hilfen vom Land kamen erst spät.

Im Laufe des Mai kam Entwarnung: Am Pfingstmontag, 1. Juni, dürfe man wieder öffnen. Allerdings: Viele Auflagen mussten beachtet, die Bettenkapazität um 50 Prozent reduziert werden. "Alle automatisierten Arbeitsabläufe gingen plötzlich nicht mehr: Zweimal täglich müssen sämtliche Tür- und Fenstergriffe, Handläufe sowie Tische und Stühle nach jedem Gast desinfiziert werden." Die Reinigungskräfte stöhnten: "Wie sollen wir das schaffen?"

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Der Betrieb lief eher schleppend an, auch wenn am Pfingstwochenende direkt 190 Gäste übernachteten. Zurzeit seien es eher 40 bis 70 Gäste pro Nacht, anfangs nur Familien und Geschäftsreisende, mittlerweile auch wieder Gruppen. Doch der Betrieb geht für die 35 Mitarbeiter vor allem bei den Mahlzeiten mit Organisationsaufwand einher: Jeder Gast ist einem bestimmten Tisch zugewiesen, eine Vermischung darf nicht stattfinden. "Es ist noch sehr ruhig. Wir hoffen, dass das Wetter im Laufe des Juli beständiger wird und wir 3000 Übernachtungen haben werden". Selbst die halbe Kapazität ist noch längst nicht ausgereizt – Gemeinschaftsräume und Gänge sind wie ausgestorben.

"Die Gäste machen toll mit und halten sich an alle Vorgaben", freut sich Martina Rihm. Sogar Spenden hat die Jugendherberge erhalten, um die schwierige Lage besser zu überstehen. "Ich bin immer optimistisch", bekräftigt Rihm. Die Buchungszahlen für Spätsommer und Frühherbst machen ihr etwas Hoffnung, obgleich alle größeren Gruppen wie Schulklassen für dieses Jahr stornieren. Fest steht: "Einen weiteren Lockdown würden wir nicht überstehen", resümiert sie. Aller Voraussicht nach werden von normalerweise rund 80.000 Übernachtungen dieses Jahr rund 60.000 – und damit drei Viertel – fehlen.

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