So hält es die Region mit der Mehrwertsteuer-Senkung
Nicht überall kommt die Senkung beim Kunden an. Einige Händler verzichteten auf neue Preise und fanden kreative Lösungen.

Von Sabrina Lehr, Nicolas Lewe und Lukas Werthenbach
Region Heidelberg. Seit dem gestrigen Mittwoch gilt für das restliche Jahr die Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent, der ermäßigte Satz sinkt von 7 auf 5 Prozent. Spart dadurch seit dem 1. Juli auch der Kunde? Oder bleiben die Preise gleich, sodass letztlich die Einnahmen der Anbieter steigen? Die RNZ hat bei Einzelhändlern und anderen Gewerbetreibenden in der Region nachgehakt, wie sie es mit der neuen Mehrwertsteuer halten.
Bäckereien in Meckesheim und Schönau-Altneudorf senken ihre Preise nicht. "Die Umstellung der Kasse würde viel zu viel Aufwand bedeuten", sagt etwa Birgit Kapfer von der Bäckerei Dussinger. Den gleichen Grund nennt auch Karl Bernauer von der gleichnamigen Bäckerei. "Stattdessen geben wir unseren Stammkunden lieber ein sechstes Brötchen gratis hinzu, wenn sie zum Beispiel fünf Brötchen kaufen", so Bernauer, der nach eigenen Angaben einen Anteil von etwa 90 Prozent Stammkundschaft hat.
Die Metzgerei Meister in Spechbach hat gestern all ihre Preise an die Steuersenkung angepasst, wie Fachkraft Timo Hausner berichtet: "Wir haben unsere Kasse vom Fachmann der Firma extra umprogrammieren lassen." Ob allein die Ausgaben für diese Dienstleistung bis Jahresende durch höhere Einnahmen im Fleischverkauf zumindest ausgeglichen werden, bezweifelt er indes. "Aber es war für uns gleich klar, dass wir die Senkung an die Kunden weitergeben", so Hausner. Bei dem ganzen Aufwand gehe es zwar meist nur um Cent-Beträge. "Aber dafür haben wir hier mit den Kunden noch mehr als sonst zu lachen", sagt er schmunzelnd, "nach dem Motto: noch mal ein bisschen gespart!"
Das Restaurant "Zum Schiff" in Neckarsteinach bleibt bei seinen alten Preisen. "Für die paar Cents einen so hohen Aufwand zu betreiben, ist nicht machbar", sagt Juniorchef Kevin Zantopp. Schließlich müsste er sonst alle Gerichte dem Steuersatz von fünf sowie alle Getränke dem Satz von 16 Prozent anpassen, Preise neu berechnen und neue Speisekarten produzieren lassen – und dasselbe Spiel in einem halben Jahr rückgängig machen. Die Entscheidung habe das "Schiff" gemeinsam mit anderen südhessischen Gaststättenbetreibern gefasst. Zantopp rechtfertigt den Entschluss noch mit einem anderen Faktor: "Wir hatten dieses Jahr aufgrund der Corona-Pause so wenige Einnahmen und jetzt aufgrund der Hygienebestimmungen höhere Ausgaben. Es ist ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber die Steuersenkung bringt uns zumindest etwas Erleichterung."
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Müller Lebensraum Garten in Mauer steht ebenfalls vor dem Problem, es mit zwei verschiedenen Umsatzsteuersätzen zu tun zu haben. Auf Pflanzen gelten normalerweise sieben Prozent, auf alles andere wie Dünger oder Accessoires aber 19 Prozent. "Alles in allem ist das nicht ganz einfach", fasst Juniorchef Christian Müller dieses Dilemma zusammen. An der Kasse sei die seit gestern geltende Mehrwertsteuersenkung daher nicht beziehungsweise nur mit sehr hohem Aufwand umsetzbar. Müller Lebensraum biete seinen Kunden als Ausgleich Wertgutscheine an, die sie dann beim nächsten Einkauf einlösen können.
Die Supermarkt-Kette Rewe mit Filialen unter anderem in Neckargemünd, Mauer, Bammental und Sandhausen gibt nach Angaben eines Pressesprechers die Steuersenkung bei über 5.000 Artikeln vollständig und bundesweit an die Kunden weiter. Doch diese nur "geringen Einsparungen" für den Verbraucher seien "zu wenig" für die Kette. "Deshalb senkt Rewe die Preise bundesweit bei vielen Warengruppen und Artikeln deutlich und dauerhaft über die Mehrwertsteuersätze hinaus", so der Sprecher weiter.
Das Miele-Center Schneider in Sandhausen reicht die Mehrwertsteuer "auf den Cent genau" an seine Kunden weiter, wie Geschäftsführer Boris Schneider betont. Seit gestern können sich die Kunden beim Kauf neuer Haushaltsgeräte also über drei Prozent Mehrwertsteuerersparnis freuen. Die Umstellung des Kassensystems ging Schneider zufolge "auf Knopfdruck". Ganz im Gegenteil zur Auszeichnung der Produkte: Für das Gespräch mit der RNZ hatte Schneider nur wenig Zeit – schließlich mussten die Etiketten aller Produkte im Sortiment geändert werden.
In der Helmin-Apotheke in Dossenheim hängt die Preisgestaltung von der Art der Ware ab, wie Inhaber Julian Schoch erklärt. "Zum Beispiel bei verschreibungspflichtigen Medikamenten wird der Preis vom Hersteller vorgegeben." Bei Artikeln mit "frei kalkulierbaren Preisen" hingegen gebe die Apotheke die Senkung an die Kunden weiter. "Das läuft bei uns per Software und bedeutet daher kaum Aufwand", so Schoch. Zwar seien die meisten Waren per Aufkleber noch mit dem alten Preis versehen. Aber dann gebe es beim Scannen an der Kasse eben eine angenehme Überraschung für die Kunden, sagt der Apotheker.
Die Armin Schmitt Haustechnik GmbH in Eppelheim winkt die Mehrwertsteuersenkung komplett an ihre Kunden durch. "So wie es der Gesetzgeber vorgeschlagen hat", betont Firmenchef Armin Schmitt. Dabei gelte als Tag der Abrechnung das Leistungsdatum. Ab 1. Juli 16 Prozent, alles davor 19 Prozent. Allerdings hätte sich Schmitt von Behördenseite eine klarere Vorgabe gewünscht, "etwas mit Hand und Fuß". Die meisten Infos rund um die Mehrwertsteuersenkung habe er der Berichterstattung der RNZ entnommen.