Nicht jeder wird einen Nachfolger finden
Im Kreis sind 36 Prozent der Hausärzte über 60 Jahre alt - In der Zukunft werden größere Zentren mehrere Gemeinden versorgen

Von Tanja Radan
Neckar-Odenwald-Kreis. Da es junge Mediziner häufig in die Ballungszentren zieht, ist es für viele Hausärzte, die auf dem Land praktizieren, schwierig geworden, einen Nachfolger zu finden. Mit dem Landarzt-Stipendium will der Neckar-Odenwald-Kreis junge Ärzte in unsere ländliche Region locken. Im RNZ-Interview erklärt Kreisentwicklerin Lisa-Marie Bundschuh, wie drohende Versorgungslücken geschlossen werden sollen.
Der Neckar-Odenwald-Kreis geht die Herausforderung "Landarztmangel" offensiv an. Welche Entwicklung hinsichtlich der medizinischen Versorgung würden Sie sich für die nächsten fünf bis zehn Jahre wünschen?
Wir werden auf jeden Fall die ambulanten ärztlichen Versorgungsstrukturen im Kreis an die Anforderungen der nachkommenden Mediziner anpassen müssen. Das heißt, es werden vermehrt gemeinschaftliche Praxisstrukturen aufzubauen sein, in denen man zum einen übergreifende medizinische Angebote schafft, es aber auch genügend Mitarbeiter gibt, um für jeden Einzelnen einen echten Ausgleich zwischen Berufs- und Privatleben zu schaffen. Ein erster Meilenstein wurde bereits mit unserem Medizin(er)-Netzwerk "Wir für Medizin(er)" gelegt, in dem wir junge Mediziner, Medizinstudierende und die, die es noch werden wollen, ansprechen. Über das Netzwerk erhalten diese die Möglichkeit, die praktischen Teile des Studiums sowie ihre Weiterbildung im Kreis zu absolvieren. Und wer sich niederlassen will, den unterstützen wir natürlich nach Kräften.

Wie engmaschig ist das Netz der Hausarztpraxen aktuell? Gibt es Gemeinden, in denen die Bürger weite Wege in Kauf nehmen müssen, weil es in ihrer Nähe keine Praxis gibt?
Auch interessant
Die aktuelle Verteilung der Hausarztpraxen in unserem Landkreis ist noch auf einem guten Niveau, auch die Distanzen zwischen Wohnort und Praxis sind noch gut zu bewältigen. In Zukunft wird die Verteilung der Praxen jedoch eine enorme Rolle spielen, da viele Hausärzte in absehbarer Zeit in Ruhestand gehen werden und nicht für jede Praxis einen Nachfolger gefunden werden kann. Daraus folgt, dass größere Zentren entstehen werden, die mehrere Gemeinden gleichzeitig versorgen.
Bilden sich Versorgungslücken?
Ja, konkret sind 36 Prozent der Hausärzte im Kreis derzeit über 60 Jahre. Weitere Engpässe sind zudem bei allen Facharztgruppen abzusehen. Es werden sich also unweigerlich Versorgungslücken bilden. Diese versuchen wir gerade über unser Netzwerk zu schließen. Parallel muss man darüber nachdenken, wie man nichtärztliches Fachpersonal durch zusätzliche Qualifikationen aus- und weiterbildet, um die Ärzte im Rahmen des Möglichen zu entlasten. Vergessen darf man aber nicht, dass beim medizinischen Personal generell schon jetzt ein Fachkräftemangel herrscht.
Wie ist die Situation an den Neckar-Odenwald-Kliniken? Gibt es genügend junge Ärzte, die dort arbeiten wollen?
Mit dem Medizin(er)-Netzwerk wurde eine gemeinsame Plattform gegründet, das sowohl das ambulante als auch das stationäre Feld ansprechen soll. Hiermit möchten wir junge Ärzte für beide Felder gewinnen und durch eine gute Betreuung vor, während und nach dem Studium für die Netzwerkteilnehmer da sein. Unabhängig davon, für welchen Bereich sich die jungen Mediziner dann entscheiden: Jede Ärztin und jeder Arzt ist ein Gewinn für den Landkreis.
Das Stipendium soll Ärzte in den Landkreis locken. Was macht das Landarzt-Stipendium für Medizinstudenten attraktiv?
Wir unterstützen bewusst junge Medizinstudierende, da wir wissen, dass ein Studium nicht nur eine große geistige Herausforderung ist, sondern auch eine finanzielle. Deshalb vergeben wir jährlich bis zu vier Landarzt-Stipendien in Höhe von 500 Euro monatlich für eine Förderdauer von maximal vier Jahren. Zudem möchten wir den Studierenden die Chance bieten, verschiedene Praktika während des Studiums sowie auch ihre Weiterbildung bei uns im Kreis zu absolvieren. Ein Rundum-Sorglos-Paket sozusagen. Und wir sind uns sicher, dass sich die zugegebenermaßen große Investition lohnen wird.
Wer kann sich für das Stipendium bewerben? Was sollte derjenige oder diejenige mitbringen?
Bewerben können sich Medizinstudierende aus dem Kreis oder mit einem besonderen Bezug hierher. Das Medizinstudium sollte an einer deutschen Universität oder in einem Mitgliedsland der EU, dessen Approbationen in Deutschland anerkannt werden, absolviert werden, und der erste Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nach der Approbationsordnung für Ärzte sollte bestanden sein. Zudem sollten die Medizinstudierenden ein späteres Leben und Arbeiten im Neckar-Odenwald-Kreis anstreben.
Viele Mediziner drängen in die Metropolen, während auf dem Land Praxen leer stehen. Was würden Sie jungen Medizinern sagen, die gerade auf gepackten Koffern sitzen?
Gerade durch die Corona-Pandemie hat sich doch gezeigt, dass das Leben auf dem Land auch viele Vorteile hat. Mehr menschliche Verbundenheit, weniger Anonymität, Gemeinschaft und eine weitgehend intakte Natur sollten genauso ein Argument sein wie noch bezahlbare Immobilienpreise. Und die medizinische Arbeit ist in vielen Teilen mindestens so anspruchsvoll wie in städtischen Strukturen.
Info: Weitere Informationen gibt es unter www.gesundheit-nok.de.



