Bammental ärgert sich über Neckargemünd und Gaiberg
"Werden in die Zange genommen" - Gutachten als Bestätigung

Von Benjamin Miltner
Bammental/Neckargemünd. "Der Bammentaler Aufstand ist beendet", frohlockte Manfred Rothe (Freie Wähler). Genugtuung war im Neckargemünder Gemeinderat bei der Aussprache über die Fortschreibung des Einzelhandelsgutachtens für den Gemeindeverwaltungsverband Neckargemünd (GVV) zu spüren. Das Schriftstück zeigt auf, dass die Stadt am Neckar bei Nahrungsmitteln nicht überversorgt ist. Doch auch wenn Bürgermeister Frank Volk ("Wir wollen Bammental nicht den Krieg erklären") noch zu beschwichtigen versuchte: Ganz so einfach ist die Sache dann doch nicht, wie sich wenig später im Bammentaler Gemeinderat zeigte.
Denn naturgemäß betrachteten die dortigen Bürgervertreter das Thema in Vorbereitung auf die heutige GVV-Sitzung aus ihrer Warte – und die war naturgemäß eine ganz andere. Das wurde aus den Kommentaren und Rückfragen der Gemeinderäte deutlich, die sich an den Vortrag von Jürgen Mühlbacher von der "LBBW Immobilien Kommunalentwicklung" anschlossen. Mühlbacher hatte für die GVV-Mitgliedskommunen Neckargemünd, Bammental, Wiesenbach und Gaiberg die Lage des Einzelhandels analysiert.
Hintergrund
Expertise nimmt Situation inGVV-Orten unter die Lupe
Müssen die Bammentaler Supermärkte unter den geplanten Erweiterungen und Neubauten der Einkaufsmärkte in der Nachbarstadt Neckargemünd leiden? Das war die Ausgangsfrage, als der
Expertise nimmt Situation inGVV-Orten unter die Lupe
Müssen die Bammentaler Supermärkte unter den geplanten Erweiterungen und Neubauten der Einkaufsmärkte in der Nachbarstadt Neckargemünd leiden? Das war die Ausgangsfrage, als der Gemeindeverwaltungsverband Neckargemünd (GVV) die rund 10.000 Euro teure Fortschreibung der im Jahr 2011 erstellten "Einzelhandelskonzeption" für die vier Mitgliedsgemeinden Neckargemünd, Bammental, Wiesenbach und Gaiberg in Auftrag gab. Nun liegt das 36-seitige Werk der "LBBW Immobilien Kommunalentwicklung" aus Stuttgart mit Stand 2019 vor,
Die Expertise beschäftigt sich mit den Rahmenbedingungen wie der Entwicklung und Vorhersage der Einwohnerzahlen sowie der Kaufkraft und den Umsätzen. Anschließend wird die Situation des Einzelhandels in allen vier Orten analysiert. Abschließend werden Entwicklungspotenziale und -perspektiven aufgezeigt.
Interessante Erkenntnisse sind zum Beispiel, dass zwei Drittel des Einzelhandelsumsatzes aller vier Gemeinden in Neckargemünd realisiert wird. Die Umsätze je Einwohner sind allerdings in Bammental mit 5242 Euro am größten, da es hier verhältnismäßig viele Märkte gibt. In Neckargemünd sind es 4364 Euro je Einwohner, in Wiesenbach 1702 und in Gaiberg – hier gibt es nur noch einen Bäcker – nur rund 100 Euro. In Neckargemünd bleiben 65 Prozent der Kaufkraft am Ort, in Bammental 79 Prozent, in Wiesenbach 27 Prozent und in Gaiberg sind es nur zwei Prozent. Von den 130 Einzelhandelsbetrieben in allen vier Orten im Jahr 2011 sind noch 101 übrig. 57,5 Prozent der Verkaufsfläche liegt in Neckargemünd, 40 Prozent in Bammental.
Für Neckargemünd sieht das Gutachten noch ein Potenzial für weitere 1700 Quadratmeter Verkaufsfläche bei Nahrungs- und Genussmitteln. In Bammental seien noch 300 Quadratmeter möglich. Für Wiesenbach sieht die Expertise "keine Entwicklungsperspektiven". In Gaiberg wird ein Potenzial von 1000 Quadratmetern gesehen, was durch den geplanten Penny-Markt ausgefüllt wäre.
In Neckargemünd ist eine Erweiterung des Aldi-Marktes um 300 Quadratmeter geplant. Der Neubau des Rewe-Marktes und der Umbau des bisherigen Marktes zum Getränkemarkt würde ein Plus von 1000 Quadratmetern bedeuten. Hinzu kommen 1300 Quadratmeter durch den neuen Edeka-Markt. Auf Nahrungs- und Genussmittel reduziert, ergibt sich ein Zuwachs von 2300 Quadratmetern. Da aber der etwa 600 Quadratmeter große "nah und gut"-Markt im Wiesenbacher Tal Ende dieses Jahres schließen soll, wäre das Potenzial für Neckargemünd von 1700 Quadratmetern genau ausgeschöpft.
Das Gutachten schließt mit der Erkenntnis und beantwortet die Ausgangsfrage: "Von spürbaren Verdrängungseffekten im Einzelhandel zwischen den Gemeinden ist daher nicht auszugehen." (cm)
Die gute Nachricht für Bammental: Bei Nahrungs- und Genussmitteln gebe es laut Mühlbacher Potenzial für weitere rund 300 Quadratmeter Verkaufsfläche, was der geplanten Verlagerung und Erweiterung des heutigen Netto-Marktes entspräche. Sorge bereitete den Räten dagegen der geplante Bau eines Penny-Marktes in Gaiberg und die Neueröffnungen und Erweiterungen in Neckargemünd, insbesondere des neuen Edeka-Marktes an der Bundesstraße B45.
"Ich sehe die ganze Entwicklung kritisch", meinte Andrea Frank (SPD). Bammental werde durch die geplanten Supermärkte an Kaufkraft verlieren, auch wenn Mühlbacher den Penny-Neubau in Gaiberg als für Bammental "unschädlich" einstufte und das "Anrecht" der Gaiberger auf einen eigenen Nahversorger betonte. "Wir werden mit zwei neuen Märkten in die Zange genommen", sprach Dirk Nebelung (UWB) Klartext. Den Edeka-Neubau bezeichnete er als "einen Frontalangriff, den wir nicht abblocken können." Dieser werde für das Klientel im Wiesenbacher Tal nie und nimmer den dortigen "Nah-und-Gut"-Markt ersetzen, mit solch einer Annahme betrieben die Neckargemünder Selbstbetrug, so Nebelung.
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Wie Nebelung stellte Albrecht Schütte (CDU/BV) den Sinn des Gutachtens in Abrede. Es habe einen Verkaufsflächenüberhang in Neckargemünd festgestellt, dennoch gebe es dort Pläne, auch noch den bestehenden Penny-Markt zu erweitern. "Das ist ja ein nettes Papier, aber wo ist die rechtliche Relevanz?", fragte er. "Das Gutachten hat keine rechtliche Bindungswirkung", bestätigte Mühlbacher, "es sollte vielmehr als Leitlinie dienen, wie man verantwortungsvoll miteinander umgeht."

Gleichwohl kam auch der Experte in der Diskussion zu dem Schluss, dass es im GVV bei den Nahrungs- und Genussmitteln "einen Überhang von 500 bis 600 Quadratmetern mit Neckargemünd als Verursacher" gebe – und widersprach damit indirekt seinem eigenen Gutachten. Passend bemängelte Franz Buscholl (Pro Bammental), dass das Schriftstück fast nur aus bereits bekannten Kennzahlen bestehe, Rechnungsfehler aufweise und somit rausgeworfenes Geld sei. Bürgermeister Holger Karl bezeichnete das Gutachten dagegen als "sehr wertvoll." Es habe die ablehnende Bammentaler Haltung zum Edeka-Neubau mit Zahlen untermauert – oder wie Elisabeth Hanne (UWB) es ausdrückte: "Neckargemünd hat sich einfach etwas genommen, was den anderen zusteht."
Eines blieb bei der Debatte außen vor: Die Schließung des Neckargemünder "Nah-und-Gut"-Marktes zum Jahresende ist längst beschlossene Sache, wie ein Edeka-Sprecher der RNZ im April bestätigte.



