Philip Heintz wollte im Sommer seine Karriere beenden, nun hängt er ein Jahr dran
Die Verschiebung der Olympischen Spiele hat die Pläne des 29-jährigen Schwimm-Europameisters völlig durcheinander gebracht.

Von Claus Weber
Heidelberg. Er habe ein besonderes Gefühl für Wasser hat Trainer Dr. Michael Spikermann einmal über seinen Schützling Philip Heintz gesagt. Jetzt ist der 29-jährige Europameister über 200 m Lagen endlich wieder in seinem Element. Seit einigen Tagen dürfen die Kaderathleten wieder trainieren – unter strengen Vorschriften. Nur Heintz, sein Coach, Julia Hassler, Josha Salchow und Wassili Kuhn ziehen ihre Bahnen im großen Becken des Olympiastützpunktes im Neuenheimer Feld. Die Junioren-Kader trainieren zu anderen Zeiten. So können die Schwimmer genügend Abstand zwischen sich lassen. Isabel Gose, die ebenfalls zur Trainingsgruppe von Michael Spikermann gehörte, ist wegen der Corona-Pandemie zurück nach Magdeburg. Die siebenfache Junioren-Europameisterin – eines der größten Talente im deutschen Schwimmsport – zählt damit leider nicht mehr zum Bundesstützpunkt Heidelberg.
Die Gruppe ist dennoch stark. Heintz und Hassler haben das Ticket für die Olympischen Spiele in Tokio bereits gelöst, die beiden jungen Salchow und Kuhn zählen zum Perspektivkader, haben Chancen auf einen Staffelplatz. "Ihnen kommt das eine Jahr mehr Vorbereitung gelegen", sagt Heintz.
Für ihn selbst gilt das nicht. Der 29-jährige gebürtige Mannheimer wollte eigentlich diesen Sommer seinen letzten großen Wettkampf bestreiten und dann die Karriere ausklingen lassen. Die Verschiebung der Spiele hat seine Pläne völlig durcheinander gebracht. "Das zieht dir erst einmal den Stecker", sagt er, "und man fragt sich: Will man das ein weiteres Jahr machen?
Denn: Mit 30 ist Heintz im Sommer 2021 im fortgeschrittenen Schwimmer-Alter. "Man regeneriert nicht mehr so leicht wie mit Anfang oder Mitte 20", sagt er, "dafür hat man andere Vorteile, ist erfahrener und reifer und weiß, was einem gut tut."
Auch interessant
Mit Rückschlägen weiß der Schwimmer des SV Nikar Heidelberg mittlerweile gut umzugehen. 2013 war er als Kurzbahn-Europameister in Topform zu seiner ersten WM gereist und landete "nur" auf dem 28. Platz. 2015 wurde er kurz vor dem Jahreshöhepunkt krank, zwei Jahre später holte er als Weltranglisten-Erster WM-Rang sieben. "Da kommen dir schon Zweifel", sagt er, "aber mittlerweile verfalle ich nicht mehr in jugendlichen Aktionismus, sondern nehme mir eine Pause, überdenke die Situation und trainiere dann in Ruhe weiter."
So war’s jetzt auch. Wegen Corona waren die Bäder geschlossen, eine Pause nach dem Trainingsabschnitt ohnehin vorgesehen. "Ich war mehrere Wochen daheim, hatte den Kopf frei, das tat gut und ich habe für mich entschieden: Das eine Jahr hänge ich noch dran."
Das lange Ringen um die Olympiaabsage hatte er zuvor als belastend empfunden. "Du weißt, dass die anderen weitertrainieren, in China sogar ins Trainingslager fahren, und du musst irgendwie weitermachen, obwohl du es gar nicht willst", sagte er, "ich war froh, als die Verschiebung endlich feststand, das hat mir den Stress genommen."
Die Bundeswehr und sein zweiter Arbeitgeber, ein Finanzdienstleiter aus Hirschberg, haben Grünes Licht gegeben und Freistellungen möglich gemacht. "Dafür bin ich unendlich dankbar", sagt Heintz, "jetzt kann ich mich gezielt vorbereiten." Normalerweise verbringen Heidelbergs Topschwimmer 20 Stunden im Wasser und sechs Stunden pro Woche im Kraftraum, derzeit wird das Wassertraining auf zehn Stunden begrenzt.
"Für mich ist das mein Beruf"
Für die Diskussionen, dass Fußball-Profis und Kaderathleten wieder trainieren dürfen, während sich Amateursportler gedulden müssen, hat Heintz Verständnis. "Natürlich würde ich mich freuen, wenn jeder irgendwann, irgendwie wieder Sport treiben kann", sagt er, "aber für mich ist das auch mein Beruf."
Dass das Corona-Virus auch 2021 Olympische Spiele unmöglich machen könnte, darüber will sich Heintz keine Gedanken machen. "Damit befasse ich mich eher nicht", sagt der Heidelberger, "das würde mich schon hart treffen."
Erst einmal ist er froh, wieder in seinem Element zu sein.



