So unterschiedlich sind die Folgen der Zwangspause für Einzelhändler
Vom "Boom" bis zur Kurzarbeit - Mode-Boutique und Juwelier bekommen Hilfe vom Staat

Von Agnieszka Dorn
Nußloch. Die Erleichterung ist bei allen groß: Seit Montag dürfen Einzelhandelsgeschäfte mit einer Verkaufsfläche bis zu 800 Quadratmetern im Zuge der neuen Corona-Verordnung wieder öffnen. Auch in Nußloch sind wieder Geschäfte offen. Alle Läden haben Desinfektionsmittel für die Hände im Eingangsbereich aufgestellt, das jeweilige Personal bedient die Kunden mit Mundschutz. Und auch das zeigte der Besuch der RNZ: Alle Einzelhändler hoffen, dass sich der Umsatz wieder einpendelt. Die Zwangspause hat bei allen Spuren hinterlassen – mal mehr, mal weniger.
> Die Buchhandlung Jutta Kempf erlebte einen wahren "Boom" – natürlich der Situation entsprechend. "Wir hatten die letzten vier Wochen viel zu tun und sind sehr dankbar", sagt Buchhändlerin und Inhaberin Jutta Kempf erleichtert. Viele Menschen hätten in den vergangenen Wochen Zeit gehabt: Es gab nicht viele Freizeitmöglichkeiten, so gut wie alle Einrichtungen sind ja geschlossen. Und so griff man eben zum "Schmöker". Bestellt worden seien viele Krimis, bei den Kleinen machten Bücher wie "Kuckuck kleines Huhn" oder verschiedene Bände der "Schule der magischen Tiere" von Margit Auer das Rennen. Die Buchhandlung hatte sogar so viel zu tun, dass die Aushilfskraft Karin Grimm täglich gefragt war. Die Bestellungen liefen über die Internetseite der Buchhandlung, via E-Mail oder telefonisch. Sie habe in die Schaufenster die schönsten und neusten Bücher ausgestellt, erzählt Jutta Kempf: Das habe wohl auch Lust auf Lesen gemacht. Die bestellten Bücher wurden abgeholt oder nach Gaiberg, St. Ilgen, Sandhausen, Leimen und Gauangelloch ausgeliefert.

> Das Fahrradgeschäft "Bike Technik" hatte Glück im Unglück. Zwar durfte das Geschäft keine Fahrräder oder Zubehör verkaufen, aber die Werkstatt war offen. Dieser Service sei gut in Anspruch genommen worden. Die Fitnessstudios seien geschlossen und die Vereine zu, die Menschen seien mit den Fahrrädern viel unterwegs gewesen, erzählt Inhaberin Katharina Herb. Es sei fast nach dem Motto "Old but Gold" abgelaufen: So mancher Drahtesel habe etliche Jahre das Licht der Welt nicht mehr gesehen und sei nun aus dem Keller geholt worden. In Schuss gebracht wurden Bremsen, Reifen oder die Klingel. Glück hatte das Geschäft zudem, weil es vor der Schließung noch etliche Fahrräder verkauft hatte, die nun in den vergangenen Wochen ausgeliefert wurden. "Wir mussten keine Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken", sagt Inhaber Peter Herb erleichtert. Dennoch habe das Geschäft Umsatzeinbußen verzeichnet.

> Die R & L Boutique für Damenmode blickt auf eine "sehr harte Zeit" zurück, sagt Inhaberin Hülya Sönmez: "Wir müssen abwarten, wie es weitergeht." Vor eineinhalb Jahren machte Sönmez ihren großen Traum wahr und eröffnete den Laden. Jetzt sei quasi wieder alles "auf Anfang" gestellt, erzählt sie. In den vergangenen vier Wochen präsentierte Hülya Sönmez ihr Bekleidungssortiment über die sozialen Netzwerke Facebook und Instagram. In den ersten zwei Wochen sei das nicht angenommen worden – alle hätten sich angesichts der Corona-Pandemie wohl noch in einer Art Schockstarre befunden, so Sönmez.
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Erst in den letzten zwei Wochen hätten einige Kunden den Service in Anspruch genommen – wenngleich sich der Verkauf im Rahmen gehalten habe. Ein Online-Handel lohne sich für ihre kleine Boutique nicht, sagt Sönmez: Sie habe maximal zwei Kleidungsstücke pro Größe vorrätig im Laden. Unterstützung habe sie indes von den Nußlochern erhalten, die sie oft ermuntert hätten weiterzumachen, erzählt sie dankbar. Ob die Boutique sich halten kann, würden die nächsten Monate zeigen. Die Soforthilfe der Bundesregierung habe ihr geholfen.

> Das Juweliergeschäft "Brille & Uhr Reidel" verzeichnet ebenfalls starke Einbußen. "Wir mussten unsere Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken", erzählt Volker Reidel, Inhaber des seit 20 Jahren existierenden Geschäfts in der Mondspritzergemeinde. Eigentlich wollte man dieses Jahr Jubiläum feiern. Das Geschäft besteht aus einem Optik- und einem Schmuckbereich. Während der Teil für Brillen geöffnet war, durfte in der Schmuckabteilung nichts über die Theke gehen. Es seien ohnehin nicht viele Kunden gekommen, erzählt Reidel.
Durch die Schließung der Schulen und Kindertagesstätten sei der Ortskern teilweise ausgestorben gewesen. Man habe über die sozialen Medien wie Facebook und Instagram sowie per E-Mail mit den Kunden in Kontakt gestanden – aber viel habe das im Verkauf nicht gebracht. Auch der Laden der Reidels musste auf die Soforthilfe der Bundesregierung zurückgreifen und hofft, dass sich die Verkaufssituation in den nächsten Wochen stabilisiert.



