Kriminalstatistik 2019

Immer mehr Straftaten spielen sich im Internet ab

Polizeipräsidium Mannheim zog Bilanz: Auch die Zahl der Kindesmissbräuche ist gestiegen - Erfreuliche Entwicklung bei Trickbetrügern und Einbrüchen

02.04.2020 UPDATE: 03.04.2020 06:00 Uhr 3 Minuten, 24 Sekunden

Symbolfoto: dpa

Von Alexander Albrecht

Rhein-Neckar. Ein arbeitsreiches Jahr 2019 liegt hinter den mehr als 2260 Ordnungshütern im auch für Heidelberg und den Rhein-Neckar-Kreis zuständigen Polizeipräsidium Mannheim. Das Führungspersonal hat am Donnerstag Bilanz gezogen und die Kriminalitätsstatistik schriftlich vorgelegt – wegen der Corona-Pandemie war auf eine Pressekonferenz verzichtet worden. Die Zahlen:

> Kriminalitätsentwicklung: "Ich bin nicht unzufrieden", sagt Polizeipräsident Andreas Stenger laut einer Mitteilung. "Schließlich haben wir bei uns die niedrigste Kriminalitätsbelastung seit Mitte der 80er-Jahre." Darauf ausruhen kann und will sich Stenger aber nicht. Zwar ist die Zahl der Straftaten im Bereich des Präsidiums zum dritten Mal in Folge zurückgegangen und lag 2019 bei 70.115 (minus 5,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Andererseits ist die sogenannte Häufigkeitsziffer – sie drückt die durch Kriminalität verursachte Gefährdung aus – in Mannheim und Heidelberg nach wie vor höher als etwa in Stuttgart oder Karlsruhe. Erfreulich und besser als der Landestrend schneidet der Rhein-Neckar-Kreis ab. Die Aufklärungsquote ist im Mannheimer Polizeipräsidium ganz leicht auf 59,4 Prozent zurückgegangen, in Baden-Württemberg liegt sie bei 60,8 Prozent. "Mein Ziel ist es, den Landeswert nicht nur zu erreichen, sondern mittelfristig zu übertreffen", so Stenger.

> Mord und Totschlag: Insgesamt neun Menschen sind in Heidelberg, Mannheim und dem Rhein-Neckar-Kreis auf diese Weise ums Leben gekommen, im Jahr zuvor waren es acht. Die Polizei konnte alle Fälle klären. Betrachtet man die gesamten Zahlen einschließlich versuchter und fahrlässiger Tötungen, verzeichnet das Präsidium einen Rückgang um 13,5 Prozent. Da die Tatverdächtigen häufig im persönlichen Umfeld der Opfer zu finden sind, hat die Polizei 2019 ein Pilotprojekt zu häuslicher Gewalt gestartet. So sollen im Vorfeld mögliche Taten verhindert werden.

> Sexualstraftaten: Die Fallzahlen sind leicht nach oben gegangen. "Das muss jedoch differenziert betrachtet werden", erklärt Polizeivizepräsident und Kripochef Siegfried Kollmar. Das Ende 2016 um unerwünschte Berührungen wie den "Klaps auf den Po" oder aufgedrängte Küsse verschärfte Sexualstrafrecht sowie die "MeToo"-Bewegung haben mehr Betroffene zu einer Anzeige ermutigt.

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"Sehr erfreulich" nennt Kollmar, dass die "Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung" auf offener Straße um knapp 24 Prozent auf 229 Fälle zurückgegangen sind. Getrübt wird die Statistik dadurch, dass der Missbrauch von Kindern um 23 Fälle deutlich zugenommen hat. Zweite schlechte Nachricht: Immer mehr Tatverdächtige – besonders häufig sind sie unter 21 Jahren – verschickten pornografische Bilder oder Videos über Messenger-Dienste wie Whatsapp oder Facebook. Ein Plus von fast 70 Prozent. "Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit durch Eltern, Schule und polizeiliche Prävention notwendig, denn viele sehen die Konsequenz ihres Handelns nicht", sagt Kollmar. Die Aufklärungsquote bei den Sexualstraftaten kann sich mit knapp 83 Prozent sehen lassen. Auffällig ist der hohe Anteil von Asylbewerbern unter den Tatverdächtigen beim sexuellen Übergriff und der sexuellen Belästigung.

> Gewalt: Trotz Fünf-Jahres-Tiefs belegt das Polizeipräsidium den zweiten Platz. Die Anteile der nichtdeutschen Tatverdächtigen und Asylbewerber sind stark rückläufig, die Aufklärungsquote ist mit 78,5 Prozent recht hoch.

> Raub und Straßenkriminalität: Hier gibt es gute Nachrichten: In beiden Deliktfeldern verzeichnet die Polizei erhebliche Rückgänge in den beiden Städten und im Rhein-Neckar-Kreis, fast immer im zweistelligen Bereich.

> Wohnungseinbrüche: Die großen Anstrengungen der Kriminalpolizeilichen Beratungsstellen zahlen sich weiter aus. "2015 hatten wir noch rund 1500 Einbrüche, danach konnten wir die Fälle von Jahr zu Jahr deutlich reduzieren", so Kollmar. Knapp die Hälfte der 746 Taten – bei 40 Prozent davon blieb es beim Versuch – ereigneten sich im Rhein-Neckar-Kreis. Die Aufklärungsquote lag im Präsidiumsbereich bei 25 Prozent und damit höher als im Land (20,5).

> Diebstahl von und aus Autos: "Mannem vorne" im Land, genauer gesagt das Einzugsgebiet des Präsidiums. Obwohl sich die Fallzahlen auf dem niedrigsten Stand seit zehn Jahren einpendelten. Positiv: Es werden immer weniger "Navis" aus den Wagen gestohlen.

> "Falsche Polizisten"/Enkeltrick: Die Aufklärungsarbeit durch die Polizisten und in den Medien fruchtet. In lediglich 14 der 1121 Fälle waren die Täter "erfolgreich". Damit ist das Problem aber nicht vom Tisch. Die aus ausländischen Callcentern operierenden Täter haben mit ihren perfiden Maschen auch in diesem Jahr wieder unzählige Male ihr Glück versucht. Deshalb bleibt die Polizei am Ball. Zumal der finanzielle und psychische Schaden für die Opfer, in der Regel Senioren, beträchtlich ist. "Die Täter entwickeln immer neue Tricks", weiß Polizeichef Stenger. "Aber wir haben auch neue Präventionsangebote und Ermittlungsstrategien."

> Cybercrime und Computerkriminalität: In beiden Bereichen schnellen die Fallzahlen im Präsidium (plus 18,7 Prozent) wie bundesweit in die Höhe. Dies hat zum einen mit unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen bei Waren- und Geldgeschäften im Internet zu tun. Zum anderen an den Tricks der Täter, die mit Schadsoftware arbeiten, sich Identitäten über gefälschte Webseiten, E-Mails und Kurznachrichten erschleichen oder Viren in sich selbst verbreitenden Programmen "übertragen". Die Polizei müsse "schnell und flexibel" reagieren, so Stenger. Seit einiger Zeit würden in den Reihen der Kripo "Cyberspezialisten" ausgebildet.

> Rauschgift: Erstmals seit sechs Jahren zeigt die Kurve leicht nach unten. Nichtsdestotrotz werden Baden-Württemberg-weit die meisten Rauschgiftdelikte in der Kurpfalz erfasst. Die Polizei zählte 2019 insgesamt 17 Drogentote, davon neun in Mannheim und sieben im Rhein-Neckar-Kreis.

> Gewalt gegen Polizisten: "Mich treibt um, dass nach wie vor zu viele meiner Kollegen im Dienst verletzt werden. Das ist nicht zu tolerieren", sagt Dieter Hoffert, Leiter der Schutzpolizeidirektion. Gingen die Fallzahlen in Mannheim und Heidelberg zurück, stiegen sie im Rhein-Neckar-Kreis um rund 21 Prozent deutlich an. Als wichtigen Beitrag zur Sicherheit der Ordnungshüter sieht Hoffert "Bodycams", die seit März 2019 auf Streifen zum Einsatz kommen.

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