So "wehren" sich die Tänzer gegen die Corona-Krise
Die Tanzschaffenden im Rhein-Neckar-Raum lassen sich von Corona nicht unterkriegen

Von Isabelle von Neumann-Cosel
Rhein-Neckar. "Nichts ist dem Menschen so unentbehrlich wie der Tanz!" behauptete Molière. In diesen unwirklichen Tagen hat jeder Einzelne ausgiebig Gelegenheit, herauszufinden, was er im verordneten "physical distancing" am meisten vermisst.
Für die Tänzer und Tänzerinnen im Rhein-Neckar-Raum sind es der Verlust von Trainings- und Auftrittsmöglichkeiten; von genügend Raum und geeignetem Tanzboden; vom kreativen Miteinander und direktem körperlichen Austausch; von Beifall und von Geld.
Am Theater Heidelberg haben die Tänzer der Company von Iván Pérez sozusagen den künstlerischen "worst case" hinnehmen müssen: Die Premiere "Momentum" hätte am Tag nach der abrupten Einstellung des Spielbetriebs stattfinden sollen. Die Mitglieder der international zusammengesetzten Kompanie bleiben wie verordnet zu Hause – was in diesem Fall heißt: in Heidelberg.
Von den Ereignissen überrollt, konnten sie nicht in ihre jeweilige Heimat zurückkehren. Jetzt verkehren sie per Videoaustausch mit ihrem Choreografen – der ihnen sozusagen künstlerische Hausaufgaben gibt. Aber das tägliche Training, Kernstück der Zusammenarbeit in einem festen Ensemble, ist eingestellt. Aber Jammern hilf nicht. Wie Tänzer sich zwischen Sofa und Beistelltisch zuhause fit halten – das zeigt Marc Golvez in einem witzigen Youtube-Video.
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Um sich nicht nur miteinander, sondern auch mit dem Publikum zu verbinden, bleibt den Tanzschaffenden nur das Internet. In Windeseile erfinden die kreativen Köpfe auf beweglichen Körpern neue digitale Formate. Die beiden großen Mehrspartenhäuser sind da naturgemäß weniger schnell – aber etwa auch am Nationaltheater wird derzeit fieberhaft an Möglichkeiten gearbeitet, um zumindest einen virtuellen Kontakt zwischen Künstlern und Zuschauern herzustellen.
Die Tänzerinnen und Tänzer von Stephan Thoss wurden rigoros aus den Probenarbeiten zur Premiere gerissen, die Ende April hätte stattfinden sollen – unter anderem mit einem Klassiker der Tanzgeschichte, "Le Sacre du Printemps".
Besonders hart, weil ohne Auftrittsmöglichkeiten auch finanziell nicht abgesichert, trifft es die freischaffenden Tänzer. Julie Pécard, ehemaliges Ensemblemitglied der Kevin-O-Day Company und nun im Mannheimer Eintanzhaus aktiv, bietet täglich ab 10 Uhr im Internet Profitraining für zuhause an. Einzelne Künstler fahren ihre Social-Media-Aktivitäten hoch. Das Angebot zum Streamen ganzer Vorstellungen ist die nächste Stufe. Das Theater Heidelberg bietet am Mittwoch, den 25.3 und am Donnerstag, den 26.3., jeweils um 18 Uhr, das Tanzstück "Becoming" als Video-stream. Die kleineren Player in der freien Szene müssen sich andere Formate einfallen lassen.
Existenziell bedroht ist auch das Heidelberger UnterwegsTheater, das nach einer umjubelten Premiere die temporär engagierten Tänzer überstürzt nach Hause schicken musste – sofern sie nicht wegen fehlender Reisemöglichkeiten in Heidelberg strandeten.
Bernhard Fauser und seine kreativen Mitstreiter haben sich nun ein neues Format ausgedacht, das Tänzerinnen, Tänzer und Publikum über das Internet wöchentlich zusammenbringen soll. Die erste Folge "Waage Korona – Stay in Shape", eine Livesendung mit Videobotschaften aus der Hebelhalle beziehungsweise den HOT-Spots (Home Offices Tanz) der international verstreuten Ensemblemitglieder startet ebenfalls diese Woche. Die Videos sollen helfen, durch diese besonderen Zeiten zu tragen – ganz im Sinne von Molière.
Info: www.theaterheidelberg.de am Mittwoch, 25.3 und Donnerstag, 26.3., jeweils 18 Uhr, Videostream "Becoming"; www.unterwegstheater.de ab Mittwoch, 25. März, 20 Uhr, wöchentliche "Videobotschaften und Nützliches aus der Welt des Tanzes".



